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# taz.de -- taz-adventskalender „24 stunden“ (13): 13 Uhr im Sea Life
> Das Berliner Sea Life schließt am Freitag, den 13., seine Pforten.
> Besonders viel Freude wohnte dem Riesenaquarium ohnehin nicht mehr inne.
Bild: Blau blau blau sind alle meine…
Stressig und chillig, hässlich und schön, herzerwärmend und abstoßend:
Berlin hat viele Seiten, rund um die Uhr. In diesem Advent hangeln wir uns
durch 24 Stunden Hauptstadtleben und verstecken jeden Tag aufs Neue 60
Minuten Berlin hinter unserem [1][taz-berlin-Kalendertürchen]. Heute: ab 13
Uhr im Sea Life.
Das Sea Life ist zu jeder Tageszeit eine recht blaue Erfahrung: Das Licht,
die Wände, die Möbel, die Arbeitskleidung der Angestellten und das Wasser
in den Aquarien – alles ist hier in blaue Farbe getaucht. Im Hintergrund
tönt fahrstuhlartiges Gedudel, das wohl an Piraten- oder
Unterwasserabenteuer erinnern soll, in einigen Becken plätschert das
Wasser, die Fische ziehen monoton ihre Bahnen von links nach rechts und
wieder zurück.
Ansonsten ist es in der etwas in die Jahre gekommenen [2][Unterwasserwelt]
nahe des Alexanderplatzes geradezu ausgestorben um 13 Uhr. In der Ferne
schreit ein Baby verzweifelt seine Eltern an – ob es das Sea Life auch so
trostlos findet? Eltern mit Kindern sind mit Senior:innen und einigen
hartgesottenen Dauerkartenbesitzer:innen an diesem Mittag die
einzigen Menschen im Sea Life.
Die ausbleibenden Besucher:innen dürften für den Betreiber, die Merlin
Entertainments Gruppe, auch den Ausschlag gegeben haben, das Sea Life zu
schließen. Ausgerechnet am Freitag, den 13. wird das in der Vergangenheit
von Pech – und schlechtem Handwerk – heimgesuchte Aquarium zum letzten Mal
seine Pforten öffnen.
Vor gut zwei Jahren war das zylindrische [3][Riesenaquarium namens
Aquadom], das zum Sea Life gehört und direkt daneben liegt, plötzlich
geplatzt und hatte mehr als 1.000 tote Fische in seiner Umgebung
zurückgelassen. Nach diesem „Verlust“ hätten sie das „gewünschte
Zielpublikum nicht mehr ausreichend ansprechen können“, meldete die
Entertainment-Gruppe. Die Tiere würden in andere Einrichtungen umziehen.
## Zacki, der Zackenbarsch
Zeit für Abschiedsschmerz und Wehmut also? Der Mitarbeiter an der Kasse,
der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will, zuckt mit den
Schultern und wirkt nicht so, als würde er seinen Arbeitsplatz großartig
vermissen. Trotzdem erzählt er einigermaßen begeistert von seinem
Lieblingsfisch, dem brauen [4][Zackenbarsch], Zacki genannt.
Zacki sei 2018 aus Spanien ins Sea Life gekommen, erzählt er. Obwohl zu
Beginn nicht größer als ein Finger, sei Zacki überraschend schnell
überraschend groß und überraschend aggressiv geworden. „Ein richtiger
Top-Predator“, sagt der Mitarbeiter. Bei einem Besuch im Berliner Sea Life
gefiel es Zackis ehemaligem Besitzer anscheinend so gut, dass er seinen
Fisch kurzerhand an das Aquarium abgab.
Wer zu Zackis neuem Zuhause gelangen will, muss erst eine ganze Weile die
verwinkelten Gänge des Sea Life durchqueren. Auf dem Weg begegnen einem
allerhand thematisch eingerichtete Aquarien: die Nordsee, das
Atlantikbecken, der Hamburger Hafen. Bunt angestrahlte Quallen
fluoreszieren im Wasser, eine Mittelmeermuräne drückt ihr Gesicht an ein
Bullauge, als würde sie gern ihrem Schicksal entkommen.
Bei Zacki angekommen, liegt dieser apathisch in der linken Ecke des
Beckens; neben ihm eine zerbrochene Vase, aus der Seegras wächst. Seine
Mitbewohner, ein ganzer Schwarm schwarz-weiß gestreifter Nagasaki-Fische,
schwirren in seiner Umgebung herum. Zackis Maul ist etwas geöffnet, nur die
leichte Bewegung seiner Hinterflosse verrät, dass er noch lebt. Nicht
einmal das Kindergeschrei lässt ihn sich regen. Vielleicht wäre es ihm in
seinem alten Aquarium doch besser ergangen?
## Rochen und dicklippige Meeräschen
Der Besuch im Sea Life beinhaltet wenigstens eine kleine Attraktion:
Fütterung am Rochenbecken um 13.30 Uhr. Die flachen Meerestiere bekommen
mit einer Zange Tintenfisch angereicht, während dicklippige Meeräschen
dazwischenfunken. Alle paar Minuten rauscht ein kleiner Wasserstrahl durch
das Becken. Das soll die Tiere an Wellenrauschen erinnern.
Ein Kind lehnt an der Glasscheibe und gähnt, als wäre [5][zu vielen Tieren
in zu kleinen Gehegen] beim Existieren zuzuschauen wirklich gar nicht mal
so spannend.
13 Dec 2024
## LINKS
[1] /taz-Adventskalender/!t5732120
[2] /Coral-World-in-Lichtenberg/!5900725
[3] /Havarie-im-Berliner-Aquadom/!5932599
[4] /Die-Wahrheit/!5977685
[5] https://www.peta.de/themen/aquarium-deutschland/
## AUTOREN
Katharina Wulff
## TAGS
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