Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- taz-adventskalender „24 stunden“ (6): 6 Uhr am Radio
> „Arno und die Morgencrew“ auf 104.6 RTL ist eine der erfolgreichsten
> Morningshows der Berliner Radiolandschaft. Warum tun sich Menschen das
> an?
Bild: 60 Minuten Dudelfunk: Es bleibt grau
Stressig und chillig, hässlich und schön, herzerwärmend und abstoßend:
Berlin hat viele Seiten, rund um die Uhr. In diesem Advent hangeln wir uns
durch 24 Stunden Hauptstadtleben und verstecken jeden Tag aufs Neue 60
Minuten Berlin hinter unserem [1][taz-berlin-Kalendertürchen]. Heute: ab 6
Uhr in einem Wohnzimmer in Kreuzberg, einen Radiosender aus Charlottenburg
hörend.
Es gibt Menschen, die wollen morgens nach dem Aufstehen vor allem eines:
ihre Ruhe. Sich stumpf vom Bett aufs Sofa ins Wohnzimmer schleppen. Kaffee,
Kippe, Klappe halten. Allein sein, um zum Wachwerden bloß nicht zugetextet
zu werden.
Daneben gibt es offenkundig noch die vielen anderen. Die, die um kurz nach
6 freiwillig Dialogen wie diesen zuhören: „Hallo Nathalie, was macht dich
heute happy?“ „Dass wir heute in die Kita gehen und basteln.“ „Joah, da…
viel Spaß.“ Hahaha. Dialog zu Ende. Es folgt quälend lang Mariah Carey,
„All I want for Christmas“.
Herzlich willkommen bei „Arno und die Morgencrew“, der Morgensendung von
104.6 RTL, die es so lange gibt wie den Berliner Privatsender selbst. Jeden
Werktagmorgen fünf Stunden, seit über 30 Jahren. Moderator Arno Müller ist
dann mittlerweile auch schon jenseits der 60.
## Was ist die Steigerung von Buchstabensuppe?
104.6 RTL behauptet, es handele sich um „Berlins und Brandenburgs lustigste
Morgensendung und seit Sendestart einen Garanten für hohe Einschaltquoten
in der Radio-Prime-Time am Morgen“. Schwer verständlich, aber Letzteres
stimmt, ganz objektiv. Der Sender mit Sitz in Charlottenburg [2][gehört zu
den meistgehörten in Berlin], nicht zuletzt aufgrund dieser Morgenschiene.
Das mit dem „Lustigsein“ ist dagegen Ansichtssache. Nur weil bei jeder
Gelegenheit aus dem Hintergrund gegiggelt und gegluckst wird, ist eine
Angelegenheit nicht zwangsläufig lustig, ganz subjektiv. „Was ist die
Steigerung von Buchstabensuppe? Wörthersee.“ Hahaha. Es folgt quälend lang
irgendein Dudellied.
Sind die Moderator:innen auch im echten Leben so „lustig“ um diese
Uhrzeit? Ein befreundeter RBB-Mitarbeiter im regelmäßigen Früheinsatz klärt
auf: Natürlich seien auch Morgenmoderator:innen mal bedingt gut
drauf. Nur sollte man das nicht raushängen lassen. „Aber als Radiomoderator
sollte man eigentlich [3][sowieso keine schlechte Laune] haben.“ Ansonsten:
Beruf verfehlt.
„Arno und die Morgencrew“ ist zu allem Überfluss aber auch noch ausgesucht
hektisch. Ob Nachrichten, die Stau- und Blitzermeldungen, „alle 15 Minuten“
aus dem „RTL-Verkehrslagezentrum“ mit „Commander Frank“, oder die „Tr…
mit Verena um 20 nach“: Alle Wortanteile zwischen den Songs sind von einem
unglaublich nervös machenden, weil für die Uhrzeit viel zu hochtourigen
Soundteppich unterlegt.
## Aha. Genau. Aha. Genau. Und so weiter
Richtig „lustig“ soll wohl sein, wenn die diversen „Crew“-Mitglieder
durcheinander reden. Dann heißt es: „Jetzt wird gezockt.“ Arno Müller
spielt gegen einen Mitarbeiter. Jemand im Hintergrund sagt: „Aha.“ Jemand
sagt: „Genau.“ Morgencrew-Azubi Ben sagt: „Ich habe richtig Bock zu
gewinnen.“ Wieder: „Aha“. Wieder: „Genau.“
Zu erraten ist, wer mehr Instagram-Follower hat: Coldplay oder Gwyneth
Paltrow? Adele oder Ed Sheeran? Dior oder Louis Vuitton? Fragen, die die
Welt umtreiben um 6.40 Uhr. Azubi Ben gibt die schöne Fashion-Antwort: „Ich
gehe komplett danach, was ich mir kaufen würde. Ich kaufe nichts davon,
[4][aber dann Louis Vuitton], ist mir sympathisch.“
Arno Müller rät das Gleiche. Ist auch richtig. Überhaupt raten Müller und
der Azubi dreimal das Gleiche und dreimal das Richtige. Zu gewinnen gab es
eh nichts, einen Gewinner damit auch nicht. „Das ist das Spiel. Deswegen
macht es so viel Spaß.“
Nach einer Stunde darf der Autor das „Spaß“-Experiment in seinem dunklen
Kreuzberger Wohnzimmer wieder beenden. Radio aus. Vor der Dusche und dem
Fertigmachen für den Tag noch ein wenig stumpf auf dem Sofa hocken. Kaffee,
Kippe, Klappe halten. Und nicht zugetextet werden. „2 Grad. Bleibt grau
heute“, hat die „lustige“ Moderatorin das Wetter vorhin in Sekundenschnel…
hingehektikt.
6 Dec 2024
## LINKS
[1] /taz-Adventskalender/!t5732120
[2] /Zum-Welttag-des-Radios/!5659794
[3] /Montagsinterview-Der-Radioeins-Macher/!5107152
[4] /Zukunft-des-KaDeWe/!5987682
## AUTOREN
Rainer Rutz
## TAGS
taz-Adventskalender
RTL
Radiosender
Berlin-Charlottenburg
taz-Adventskalender
taz-Adventskalender
taz-Adventskalender
taz-Adventskalender
taz-Adventskalender
## ARTIKEL ZUM THEMA
taz-adventskalender „24 stunden“ (9): 9 Uhr im Eislaufstadion
Der Morgen ist im Horst-Dohm-Stadion in Wilmersdorf eine besondere Zeit:
Jetzt ist ungestörtes Eislaufen möglich. Es ist ein Ritual für Eingeweihte.
taz-adventskalender „24 stunden“ (7): 7 Uhr in der Unterkunft
Schnell noch frühstücken, dann müssen die Gäste raus. Erst am Abend dürfen
sie wiederkommen. Mit St. Pius sind sie dennoch zufrieden.
taz-adventskalender „24 stunden“ (5): 5 Uhr in der S-Bahn
So früh am Morgen fahren häufig die gleichen Leute mit der S-Bahn. Meist
wird geschwiegen. Es passiert wenig. Nur manchmal muss sich jemand
übergeben.
taz-adventskalender „24 stunden“ (4): 4 Uhr im Berliner Großmarkt
Damit die Hauptstadt frisches Obst und Gemüse kaufen kann, muss das Team
des Großmarktes früh aufstehen. Eine nächtliche Stippvisite in Moabit.
taz-adventskalender „24 stunden“ (3): 3 Uhr im Görlitzer Park
Noch ist der Görli bei Dunkelheit geöffnet – und in einer eisigen
Dezembernacht menschenleer. Wer hier ausharren muss, droht zu erfrieren.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.