# taz.de -- Montagsinterview: Der Radioeins-Macher: "Nur in Diktaturen freuen s… | |
> Von Fans wird das Moderatorenduo Skuppin/Wieprecht kultisch verehrt. Seit | |
> fast einem halben Jahr ist Robert Skuppin nun Programmchef von Radioeins. | |
Bild: Seit 23 Jahren beim Radio: Wellenchef Robert Skuppin. | |
Der Chef telefoniert noch. Freundlich winkt Robert Skuppin aus seinem Büro | |
in Babelsberg. Und lacht. Eigentlich lacht er immerzu. Auch im Radio, wenn | |
sein Moderationspartner Volker Wieprecht ihn mal wieder foppt. Also | |
andauernd. Frotzeleien sind das Markenzeichen des von Radio-Eins-Hörern | |
kultisch verehrten Duos, in dem Skuppin neben dem Zyniker Wieprecht den | |
zurückhaltenderen, freundlicheren Part gibt. Alleine über die gemeinsame | |
Geschichte ließe sich Stunden plaudern, wenn es da nicht noch dieses andere | |
Thema gäbe: seine Erfahrungen nach fast einem halben Jahr als Programmchef | |
von Radioeins. Skuppin hat aufgelegt. Es kann losgehen. | |
taz: Herr Skuppin, Sie haben eine steile Karriere hinter sich: vom Putzmann | |
im damaligen SFB-Funkhaus an der Masurenallee bis zum Wellenchef von | |
Radioeins vom Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB). | |
Robert Skuppin: Danke, das ist aber sehr zugespitzt. Ich habe zwar geputzt | |
beim SFB, aber nur, um mein Studium zu finanzieren. Und damit ich hinterher | |
an die Uni gehen konnte, eben morgens von 5 bis 9 Uhr. Oder besser: von 5 | |
bis 8 - die letzte Stunde haben wir uns in der Cafeteria versteckt und | |
gefrühstückt. Wir hielten das für unser gutes Recht, weil der Job so | |
hundsmäßig schlecht bezahlt war. Der Vorteil für meinen späteren Job als | |
Aufnahmeleiter bei Radio 4U … | |
… der kurzlebigen Jugendwelle des SFB … | |
… war aber, dass ich das Gebäude extrem gut kannte und mich nicht verlaufen | |
habe wie sonst jeder am Anfang. Und klar ist es manchmal komisch, in einen | |
Raum reinzukommen und einen Flashback zu haben. Im heutigen Büro von | |
Claudia Nothelle, der rbb-Programmdirektorin, etwa hat meine Vorarbeiterin | |
Frau Lüdermann 1987 die Kehrschaufel auf den Tisch gedonnert und gesagt: | |
"Jetzt roochen wir erst mal eene." Darüber muss ich manchmal schmunzeln, | |
wenn ich da sitze, weil ich mir damals immer ausgemalt habe, was in dem | |
Raum für Sitzungen stattfinden. | |
Haben Sie damals wie Gerhard Schröder vorm Kanzleramt "Ich will hier rein" | |
gerufen? | |
Das ging mir eher bei den Hörfunkstudios mit all den Reglern so. Da dachte | |
ich mir: Das wäre toll, die mal bedienen zu können. Karriere in der | |
Verwaltung wollte ich eigentlich nie machen. Auch weil ich gesehen habe, | |
was das für ein harter Job sein muss. | |
Woran? | |
An den Flaschenbergen, die wir auf den Toiletten gefunden haben. Die hatten | |
damals ein schweres Alkoholproblem, das gibts mittlerweile zum Glück nicht | |
mehr in der Form. | |
Ist das Schnaps da hinten? | |
Nee, eine Duftlampe. | |
Und daneben eine Flasche Wein. | |
Die man mir zum Amtsantritt geschenkt hat. Die Duftlampe brauche ich, weil | |
in diesem Raum so lange geraucht wurde und der das sehr tief in sich | |
aufgesogen hat. Wir haben den Raum dreimal gestrichen, eine Grundreinigung | |
gemacht, aber es hängt immer noch drin. | |
Frühes Aufstehen waren Sie demnach gewöhnt, als Sie 1994 mit Volker | |
Wieprecht zusammen die Morningshow bei Radio Fritz angefangen haben? | |
Ich verstehe bis heute nicht, warum ich als Langschläfer so viele Jobs | |
hatte, für die man früh aufstehen musste: Das fing ja mit dem | |
Zeitungen-Austragen als Schüler schon an. | |
Und wie klappte es später beim Frühdienst mit Wieprecht? | |
Am Anfang haben wir uns gestritten wie die Wahnsinnigen. Der damalige Chef | |
von Fritz hat zum Beispiel mal sein Büro geräumt, damit wir uns darin | |
anbrüllen konnten. Weil die Fenster offen standen, lag anderthalb Stunden | |
die Arbeit im Sender nieder, alle standen betreten rum und hörten mit an, | |
wie diese zwei Tiere mit hochroten Köpfen aufeinander losgingen. | |
Trotzdem wurden Sie zum Dreamteam, das von den Hörern gerade für seine | |
liebevollen Frotzeleien geliebt wurde. | |
Unsere Auseinandersetzungen waren so persönlich, dass es nur zwei | |
Möglichkeiten gab: Feindschaft oder Freundschaft. Bei uns haben die | |
Streitereien die Freundschaft, die ja vor unserer Zusammenarbeit schon | |
bestand, noch weiter vertieft. Sobald wir beide unsere Rolle gefunden | |
hatten, wurden die Konflikte weniger. Anfangs war ich für Volker nicht mehr | |
als ein Sidekick - was ich durch meine Verzagtheit aber auch begünstigt | |
habe. | |
Nach mehr als 15 gemeinsamen Jahren bei Radio Fritz und Radioeins muss | |
Volker Wieprecht nun alleine moderieren. Wie ist er auf Sie zu sprechen? | |
Sehr gut. In den letzten Jahren waren wir ja vor allem beruflich zusammen | |
und haben uns kaum noch private Fragen gestellt. Jetzt kann unsere | |
Freundschaft wieder Fuß fassen. Vor Kurzem waren wir endlich mal wieder in | |
Ruhe was trinken. Um 19 Uhr haben wir uns getroffen und sind um zwei Uhr | |
auseinandergegangen. Am nächsten Tag hatten wir beide Schwierigkeiten, uns | |
zu erinnern, wie wir nach Hause gekommen sind. Das war ein sehr, sehr | |
lustiger Abend, so wie ganz früher. Die Entzerrung hat uns extrem gut | |
getan. Aber wir freuen uns natürlich auch schon darauf, immer mal wieder | |
zusammen zu moderieren - zum Beispiel "Die Krippenshow" an Heiligabend [24. | |
Dezember, 14 bis 17 Uhr, auf Radioeins]. | |
Wieprecht hat Ihnen zum Abschied angeboten, dass Sie bei ihm abschreiben | |
dürfen, wenn Sie mal nicht weiterwissen in Ihrer neuen Funktion als | |
Wellenchef von Radioeins. Sind Sie schon mal darauf zurückgekommen? Berät | |
er Sie? | |
Volker ist so Berater, wie man mit einem Freund über Probleme, aber auch | |
Erfolge bei der Arbeit redet. Und natürlich sagt er mir seine Meinung, wenn | |
wir hier Veränderungen vornehmen. Seine Meinung ist mir sehr wichtig, weil | |
ich weiß, dass er Ahnung hat. Deswegen möchte ich, dass Volker bei | |
Radioeins noch mehr Verantwortung übernimmt. Er wollte früher mal Lehrer | |
werden, und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass er unsere jüngeren | |
Kräfte zu Moderatoren ausbildet. | |
Den Aufbau junger Talente haben Sie sich auf die Fahne geschrieben, genauso | |
wie bei Radioeins wieder stärker zu experimentieren. | |
Wobei die Experimente weniger on air stattfinden sollen als bisher. Das | |
verunsichert den Hörer und ist auch den jungen Kollegen gegenüber unfair. | |
Der Aufbau von Talenten gehört zu den wichtigsten Aufgaben des | |
öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Aber wir brauchen Schutzräume, in denen | |
wir sie in Ruhe entwickeln können, in denen sie lernen können, mit anfangs | |
niederschmetternder Kritik umzugehen. Ich weiß, wovon ich rede. Leute | |
einfach mal so ans Mikro zu setzen - diese Form von Experiment akzeptieren | |
die Hörer heute nicht mehr. Deswegen setzen wir im Tagesprogramm auf | |
gestandene Kollegen wie Volker Wieprecht, Stephan Karkowsky, Anja Goerz und | |
Neuzugang Silke Super. Kontinuität und Zuverlässigkeit sind mir da sehr | |
wichtig - und den Hörern auch. Da ist eine Community entstanden, für die | |
unsere Moderatoren eine außerordentliche Bedeutung haben und die für uns | |
auch sehr wichtig ist. | |
Seit fast sechs Monaten sind Sie nun Programmchef von Radioeins. Wann hat | |
sich Chefsein bisher am besten angefühlt? | |
Bisher war jeder Tag ein Fest (lacht). | |
Genau. Und jetzt die ehrliche Antwort. | |
Es gab viele schöne Momente, viele schöne erste Male. Aber kein Tag war so | |
exponiert außerordentlich großartig, dass er sich eingebrannt hätte. | |
Aber man kann festhalten, dass die Radioeins-Mitarbeiter sich gefreut | |
haben? | |
Ja, das stimmt. Jetzt lesen die das und fragen: Was?! Warum behauptet er | |
das? Es haben sich welche gefreut, es haben sich vielleicht auch viele | |
gefreut. Es haben sich aber sicher nicht alle gefreut. Nur in Diktaturen | |
freuen sich alle über den neuen Chef. | |
Und wie oft haben Sie Ihre Entscheidung verflucht und Volker Wieprecht | |
angebettelt, Sie zurückzunehmen? | |
Schon besser, die Frage. Insgesamt muss man sagen, dass ich den Druck der | |
Verantwortung ein bisschen unterschätzt habe. Das kannte ich als Moderator | |
so nicht. Das war zwar auch stressig und manchmal bitter, wenn man alles | |
gegeben hat und nach der Sendung eine Mail kam: "Boah, so was Peinliches | |
habe ich lange nicht mehr gehört." Verletzt hat mich besonders, dass | |
Einzelne mir unterstellt haben, ich hätte die Programmreform nur benutzt, | |
um mich selbst zu verwirklichen. Das fand ich ungerecht, weil es sehr weit | |
weg ist von meiner tatsächlichen Motivation. | |
Was war denn der tatsächliche Leitgedanke der Programmreform? | |
Die Maßgabe war es, die Innovationskraft von Radioeins wieder herzustellen. | |
Wir wollten wieder modern klingen. So viel mussten wir allerdings gar nicht | |
ändern: Wir haben ein neues Soundlayout, die Stundenuhr ein wenig | |
verändert, um den monolithischen Block aus Werbung, Nachrichten und Service | |
aufzubrechen, und auch von ein paar Rubriken haben wir uns getrennt. | |
Unter anderem von Namensforscher Professor Udolph, dem DVD-Tipp und Ihrem | |
Fernsehkritiker Bernd Gäbler. | |
Ich würde lieber sagen, was neu dazugekommen ist. Die Musiktextanalyse | |
"Tancks Texte" etwa oder die "Kantine", wo wir Mittagsrestaurants kurz | |
vorstellen. Wir sitzen noch an ganz vielen weiteren Formaten, die wir mit | |
den vorhandenen vergleichen: Was ist besser, was eher nicht? Und was nicht | |
funktioniert, wird auch nicht gesendet. Ich möchte, dass Radioeins | |
polarisiert, kritisch ist, auch politisch. Also muss ich es aushalten, wenn | |
das Programm nicht allen gefällt. | |
Sie wollen also zurück zum Anspruch von Helmut Lehnert, ein Programm mit | |
"Tiefgang, Haltung und Stil" zu machen? | |
Hat er das gesagt? Unterschreibe ich sofort! Und um diesen Kern immer | |
wieder neu aufzuladen, müssen wir uns verändern. Das funktioniert nicht mit | |
betagten Formaten. | |
Es klingt durch, dass die Amtszeit Ihres Vorgängers eher für Stillstand | |
steht. | |
Florian Barckhausen hat Radioeins mit ruhiger Hand geführt. Das hat etwas | |
für sich: keine übereilten Veränderungen, alles gut vorbereitet. In seine | |
Zeit fallen auch die Neuentwicklungen "Die Sonntagsfahrer" und "Eine Stunde | |
Zeit"- eine Kooperation mit der Wochenzeitung Die Zeit. Es ist also nicht | |
so, dass da gar nichts passiert wäre. | |
Stimmt es eigentlich, dass Sie schon 2005 Radioeins-Chef werden wollten, | |
dann aber Barckhausen den Job bekommen hat? | |
Ja, Helmut Lehnert hat mich gefragt, und ich hätte mir das auch damals | |
schon vorstellen können. Denn ich finde: Radioeins ist das beste | |
Radioprogramm. | |
Weltweit? | |
Von all den Programmen, die ich weltweit kenne: Ja. Aber ich kenne halt | |
längst nicht alle. | |
Der Markt in Berlin und Brandenburg ist sehr eng. Wie intensiv beobachten | |
Sie Ihre Konkurrenz? | |
Natürlich stehen wir in Konkurrenz zu regionalen Mitbewerbern. Aber ich | |
glaube, dass wir schon sehr speziell positioniert sind. Von all den Sendern | |
in der Region kommt uns Flux FM am nächsten, und deswegen schaue ich da am | |
genauesten hin. Flux FM hat den großen Vorteil, dass die als kleiner Sender | |
sehr spitz in den Markt reingehen können und dass sie - wenn überhaupt | |
einem Sender - dann uns Hörer abnehmen. Selbst wenn es wenige sind: Das tut | |
uns natürlich weh. Auf der anderen Seite werden unsere Konkurrenten früher | |
oder später damit zu kämpfen haben, dass ihre Hörerschaft immer heterogener | |
wird. Das steigert deren Unruhe. Und beruhigt mich. Es gibt schon die | |
ersten Hörerinnen und Hörer, die wir mal an die Kollegen verloren hatten | |
und die jetzt zurückkommen, weil ihnen da plötzlich zu viel Werbung läuft | |
oder die falsche Musik. | |
Wie muss zeitgemäßes Radio klingen? | |
Zeitgemäß. | |
Okay, anders: Inwiefern sollte sich das Radio von heute von dem vor 20 | |
Jahren unterscheiden? | |
Auf der IFA musste ich neben anderen Rednern einen Vortrag halten über die | |
Zukunft des Radios in Abgrenzung zu Musikdatenbanken im Internet. Das war | |
eine reine Diskussion über Technik, darüber, wie Technik Radio verändert | |
und ob das dann eigentlich immer noch Radio ist. Ich saß da und dachte: Ich | |
kenne niemanden, der Radio hört, nur weil man das jetzt digital empfangen | |
kann oder als App. Das Verkaufsargument sind doch die Inhalte und nichts | |
anderes. So gesehen stimmt es, dass die Zukunft des Radios in seiner | |
Vergangenheit liegt - das hat übrigens auch Helmut Lehnert gesagt. Es sind | |
nämlich immer noch die Inhalte, die Geschichten, die Leute ans Radio | |
binden. Und für die müssen wir immer wieder ein zeitgemäßes Gewand finden. | |
Vor Ihrem Studium haben Sie ein Praktikum in der Parlamentsredaktion der | |
taz in Bonn gemacht. Hat Sie das für den Printjournalismus verdorben? | |
Ausgemacht waren mindestens sechs Wochen. Dann wollte mich allerdings schon | |
am vierten Tag der damalige Parlamentskorrespondent sprechen. Er eröffnete | |
mir, dass sich die taz in einem vorrevolutionären Prozess befindet und er | |
daher nicht die Möglichkeit sieht, auch noch Journalisten für das System | |
der Bundesrepublik auszubilden. Die taz bräuchte Profis, die ihr | |
publizistisches Handwerk bereits gelernt haben, um in diesen | |
gesellschaftlichen Konflikten … - ich dachte nur: Was für ein armer Löffel! | |
Seitdem habe ich von ihm nichts mehr gehört. | |
Er hat Sie also rausgeschmissen? | |
Genau. Und die beiden Kolleginnen, die mich immer zu den Pressekonferenzen | |
mitgenommen und mir Grundbegriffe des Journalismus nahe zu bringen versucht | |
hatten, haben sich entschuldigt, mir alle möglichen Bücher aus der | |
taz-Bibliothek geschenkt, aber gesagt, sie können leider nichts daran | |
ändern. Nach so vielen Jahren habe ich das vielleicht auch ungerecht | |
verzerrt - aber so kann man doch nicht mit engagierten Nachwuchskräften | |
umgehen! | |
Also hat Sie das gescheiterte Praktikum in der taz tatsächlich für den | |
Printjournalismus verdorben? | |
Nö, das hat sich dann nur einfach nicht mehr ergeben. Das Tolle am Radio | |
ist für mich diese Unmittelbarkeit, diese Geschwindigkeit. Da kann weder | |
der Printjournalismus mithalten noch das Fernsehen. | |
21 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
David Denk | |
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