# taz.de -- Bewegungstermine in Berlin: Menschenwürde ist #unkürzbar | |
> Knappheitsdenken und Austeritätspolitik spielen der rechten Bedrohung in | |
> die Hände. Folglich muss auch der Widerstand beide Kämpfe verbinden. | |
Bild: Der neue Schlachtruf der Sozialproteste: #Unkürzbar | |
Am Dienstag war der Internationale Tag der Menschenrechte, an dem der | |
Verkündung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten | |
Nationen am 10. Dezember 1948 gedacht wird. „Alle Menschen sind frei und | |
gleich an Würde und Rechten geboren“, heißt es darin gleich im ersten | |
Artikel. Menschen sind demnach immer gleichwertig, ungeachtet ihrer | |
(sozialen) Herkunft, ihres Aussehens, ihres Geschlechts, oder ihrer | |
politischen und religiösen Überzeugungen. | |
Hinfällig zu sagen, dass dieser Anspruch innerhalb kapitalistischer | |
Verhältnisse noch nie und nirgendswo erfüllt worden ist. Das ist natürlich | |
kein Zufall: Der Kapitalismus ist strukturell auf Ungleichheit angewiesen. | |
Ohne Ungleichheit gibt es keine Besitzenden und Besitzlosen, was schon auf | |
dem grundlegensten Level die Voraussetzung für die Institution der | |
Lohnarbeit ist. Märkte werden immer als neutrale Mechanismen bezeichnet, | |
aber eigentlich bevorzugen sie stets die bereits Privilegierten, | |
diejenigen, die Kapital, Bildung und Netzwerke besitzen. | |
Insbesondere Neoliberale hassen deshalb die Idee der Gleichheit. Sie | |
behaupten zwar, für „Chancengleichheit“ zu sein, aber das ist Unsinn. Linke | |
sind es, die wirklich für Chancengleichheit eintreten, indem sie die | |
Strukturen der Ungleichheit abschaffen wollen, die diese verhindert. Es | |
gibt keine Chancengleichheit in Klassengesellschaften und in solchen, in | |
denen die Care-Arbeit, die immer noch überwiegend von Flinta* geleistet | |
wird, systematisch entwertet wird. Es gibt keine Chancengleichheit in einer | |
Welt, in der rassistische und kolonialistische Strukturen die globale | |
Arbeitsteilung und Ressourcenausbeutung absichern. | |
## Neoliberalismus und Faschismus Hand in Hand | |
Ideologien der Ungleichheit sind deshalb nicht zufälligerweise, sondern | |
strukturell bedingt der kleinste gemeinsame Nenner rechter Politik. Es geht | |
immer darum, Ungleichheit zu legitimieren. Wirklich unterscheiden tun sich | |
die beiden Hauptströmungen rechter Politik eigentlich nur darin, ob die | |
unterschiedliche Wertigkeit der Menschen nun auf ihre angebliche | |
(Un-)nützlichkeit für die Wirtschaft oder für irgendein „Volk“ | |
zurückgeführt wird. Neoliberales und völkisches Denken trennt nichts | |
Grundlegendes, sondern nur eine ordentliche Portion zusätzliche | |
Menschenfeindlichkeit. | |
Antifaschismus heißt deshalb: Kein Mensch ist mehr wert als ein anderer – | |
und Punkt. Dieses Postulat beinhaltet natürlich den Kampf für eine andere | |
Gesellschaft, in der die Ungleichwertigkeit menschlichen Lebens nicht mehr | |
strukturell zementiert wird. Antifa ist der Kampf für das gute Leben für | |
alle, für die Vision einer sozial gerechten, weltoffenen, inklusiven und | |
nachhaltigen Gesellschaft. Für diese Werte zu kämpfen, ist der große | |
gemeinsame Nenner aller Akteure, die sich im weitesten Sinne als „links“ | |
verstehen. | |
Deshalb gibt es auch eine gemeinsame Basis aller sozialen Initiativen und | |
Kulturorte, die sich der gegenwärtigen Kürzungsorgie von CDU und SPD | |
entgegenstellen. Denn diese Initiativen und Orte sind es schließlich, die | |
die Folgen der kapitalistischen Ungerechtigkeit wenigstens notdürftig zu | |
flicken versuchen oder die die Räume bereitstellen, in denen noch etwas | |
offener über die Verhältnisse in der Gesellschaft nachgedacht werden kann. | |
## Berlin ist #unkürzbar | |
Die gegenwärtigen Proteste gegen die Kürzungen sind deshalb ein | |
Bilderbuchbeispiel für praktischen Antifaschismus. Am kommenden Sonntag | |
tritt [1][ein neues Gigabündnis] aus sozialen und kulturellen Initiativen | |
an den Start, das alle vereinen will, die sich für ein plurales und | |
gerechtes Berlin einsetzen. „Wir lassen uns nicht spalten“, heißt es im | |
Aufruf. Passenderweise ist das Motto der Demo deshalb #Unkürzbar – denn so | |
verhält es sich nun mal mit der Menschenwürde: Sie gilt universell. | |
(Sonntag, 15. 12., Lustgarten / Museumsinsel, 13 Uhr). | |
Bereits Mittwoch lässt sich derweil erahnen, wie kämpferischer Protest | |
aussehen kann, der die Kraft der Lohnarbeiter:innen vereint. Da | |
nämlich organisiert die Gewerkschaft Verdi eine Kundgebung unter dem Motto | |
[2][„Ja zu Berlin – Nein zum Kaputtsparen“]. Auf der Kundgebung soll | |
„BerlinCareJenga“ gespielt werden: Wie im echten Jenga werden dabei | |
Bausteine, die Berlin zusammenhalten, weggekürzt – mal sehen, ob das gut | |
geht. (Mittwoch, 11. 12., Rotes Rathaus, 16:30 Uhr) | |
Am Donnerstag gilt es dann, sich solidarisch mit den Betroffenen der | |
rechten Terrorserie in Neukölln zu zeigen. An dem Tag wird das Landgericht | |
vermutlich über den Berufsprozess gegen die Neonazis Sebastian T. und Tilo | |
P. entscheiden. Die wurden in vorheriger Instanz davon frei gesprochen, für | |
die Serie an Brandanschlägen in Neukölln verantwortlich zu sein. Weil aber | |
das Handeln der Sicherheitsbehörden von Skandalen und mangelndem | |
Ermittlungswillen geprägt war, gibt es [3][eine Kundgebung vor dem | |
Gericht]. (Donnerstag, 12. 12., Turmstr. 91, 15 Uhr). | |
## Neonazis raus aus Friedrichshain | |
Der Kampf gegen die Systeme der Ungleichheit ist international. Deshalb | |
wollen [4][anarchistische, autonome und antifaschistische Gruppen] in der | |
traditionell am 13.12. stattfindenden Demo gegen Polizeigewalt den | |
antikolonialen Widerstand und die Befreiung der Menschen in Palästina, | |
Sudan, Kongo und Kurdistan in den Mittelpunkt stellen. Polizeigewalt und | |
Staatsrepression haben schließlich im vergangenen Jahr insbesondere die | |
Palästina-Bewegung hart getroffen (Freitag, 13. 12., Warschauer Brücke, 18 | |
Uhr). | |
Darum, was es mit Jugendlichen macht, die unter einer rechten Hegemonie | |
aufwachsen, dreht sich [5][eine Infoveranstaltung von Polylux und Unterm | |
Techno liegt der Punk] im://about blank. Was sagt es über eine Gesellschaft | |
aus, dass insbesondere in Ostdeutschland nicht mal mehr die jungen Menschen | |
von einer anderen, gerechten Gesellschaft träumen? Diskutiert werden soll, | |
wie es den emanzipatorischen Jugendsubkulturen und der antifaschistischen | |
Bewegung geht (Freitag, 13. 12., Markgrafendamm 24c, 20 Uhr). | |
Der große Antifa-Termin der Woche ist dann am Samstag (14. 12.). Da will | |
eine vermutlich eher mikrige Faschotruppe provozieren und durch | |
Friedrichshain marschieren. Doch die Gegenmobilisierung ist massiv: Ein | |
Aktionsbündnis will mit mehreren Fingern den Aufmarsch blockieren. Es gibt | |
eine Großdemo, die am://about blank (Markgrafendamm 24c, 12 Uhr) startet. | |
Hierhin führt auch eine Zubringerdemo aus Kreuzberg (Start: Schlesisches | |
Tor, 11 Uhr). Zudem gibt zahlreiche Gegenkundgebungen am Rande der | |
Naziroute, die auf der Seite [6][Berlin gegen Nazis] anschaulich | |
aufgelistet sind. | |
11 Dec 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://unkuerzbar.de/ | |
[2] https://bb.verdi.de/++co++a234fabe-ac0e-11ef-bfa6-a7774381ad27 | |
[3] https://stressfaktor.squat.net/node/309587 | |
[4] https://stressfaktor.squat.net/node/309366 | |
[5] https://stressfaktor.squat.net/node/309534 | |
[6] https://berlin-gegen-nazis.de/proteste-gegen-rechtsextremismus-in-friedrich… | |
## AUTOREN | |
Timm Kühn | |
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