| # taz.de -- Roman „32. August“: Die Landschaft in mir | |
| > In wirren Zeiten hat Mischa Kopmann einen ruhigen zeitlosen Sommerroman | |
| > geschrieben: „32. August“ entfaltet eine ebenso vertraute wie vergangene | |
| > Welt. | |
| Bild: Ob Leo und sein Großvater die riesigen Rauchpilze auch gesehen haben? Wa… | |
| Nein, Leo möchte nicht rauchen. Er ist 13, da hat das noch Zeit. Und sein | |
| Großvater steckt die Schachtel, die er ihm eben noch verschwörerisch | |
| hingehalten hat, kommentarlos wieder weg. Er selbst raucht in aller Ruhe | |
| auf, er kurbelt das Seitenfenster wieder hoch, startet den Motor, drückt | |
| aufs Gas – und auf geht es in den Tag. | |
| Es ist ein warmer, auch mal heißer, jedenfalls ein endlos wirkender Sommer | |
| irgendwann in den 1970er-Jahren, irgendwo in der [1][Lüneburger Heide]. Leo | |
| verbringt die Schulferien bei seinen Großeltern, zu Hause gab es Krach, da | |
| ist er besser eine Zeit lang woanders. Seine Großmutter ist so warmherzig | |
| wie freundlich, folgt aber strengen Regeln, was erlaubt ist und was alles | |
| nicht. | |
| Der Großvater dagegen spielte bisher keine Rolle im sommerlichen Alltag. | |
| Das hat sich geändert, vor einigen Tagen. Da fragte der Opa morgens: Soll | |
| ich den Jungen nicht mal mitnehmen auf meinen Touren? Er ist schließlich | |
| Vertreter von Beruf. Das Erste, worüber Leo sich wundern wird: dass die | |
| Menschen seinen Großvater überall „Jerry“ nennen, wenn sie ihm einen Kaff… | |
| und später einen Schnaps hinstellen, damit das Reden weitergehen kann. | |
| Dabei heißt der Großvater doch Wilhelm Gustav August. | |
| „Es ist mein schönster und bester Roman, den ich bisher geschrieben habe“, | |
| sagt Mischa Kopmann. Der Stolz und die Zufriedenheit sind ihm anzusehen. | |
| „Haus in Flammen“ war sein zuletzt erschienenes Buch, 2022 veröffentlicht; | |
| ein eher rauer, in kurze, manchmal fast hektische Kapitel aufgeteilter | |
| Episodenroman, eine jugendliche Dreier-Geschichte vor dem Hintergrund der | |
| damaligen [2][Fridays-for-Future]-Welle. In der Absicht erzählt, schreibend | |
| zu erkunden, was geschieht, wenn sich Liebe und Freundschaft in die Quere | |
| kommen und wie weit man geht, um seinen Idealen treu zu bleiben. | |
| „Diese Aspekte sind nicht beachtet worden“, sagt der Autor heute, „alle | |
| haben nur die Klima-Nummer gesehen.“ Er will niemandem einen Vorwurf | |
| machen, selbstverständlich könne man ein Buch so lesen, wie man wolle. | |
| Aber: „In diese Falle wollte ich nicht noch einmal laufen“, sagt Kopmann. | |
| Immerhin lautet sein schriftstellerisches Credo: „Ich möchte Bücher | |
| schreiben, die man genauso gut vor 50 Jahren hätte schreiben können oder in | |
| 50 Jahren – ohne modernen Schnickschnack.“ | |
| So wird „32. August“ vom ersten Erzählmoment an von bedrückender Rücknah… | |
| und einer erstaunlichen [3][Langsamkeit] getragen, wobei es passend einen | |
| biografischen Funken gab, der das Geschehen auf schlichte, schöne Weise | |
| entzündete: „Ich hatte einen Cousin, der aus Gründen, die nie ganz klar | |
| wurden, seine Sommer bei seinen Großeltern verbringen musste“, erzählt | |
| Kopmann. „Ich habe ihn da manchmal für ein, zwei Tage besucht.“ Und eben | |
| hier sei die Großmutter die dominante Person gewesen, herzlich, aber | |
| streng; der Großvater dagegen überwiegend abwesend, blieb entsprechend | |
| lange eine blasse, schwer fassbare Figur. | |
| Aus diesem Dreieck einer resoluten Großmutter, ihrem mysteriösen Mann und | |
| dem langsam heranwachsenden wie erwachenden Ich-Erzähler zaubert Kopmann | |
| nun einen im klassischen Sinne romantischen Sommerroman von fast | |
| Eichendorff’scher Eleganz: Alles, was geschieht, jede Autofahrt, die | |
| absolviert wird, jeder Tag, der mit dem Abend endet, erhält einen | |
| eigensinnigen Glanz. | |
| Auf harte Schnitte, rapide Szenen- oder Perspektivwechsel verzichtet | |
| Kopmann. Man sitzt da und schaut lesend zu, wie sich nach und nach eine | |
| Welt entfaltet, die einem ebenso vertraut wie aus der Zeit gefallen | |
| anmutet: ohne Termindruck, ohne wichtige Nachrichten, ohne die Idee, in der | |
| nächsten Stunde ein effektiverer Mensch werden zu müssen: „Dann, plötzlich, | |
| war die Landschaft in mir. Und nicht nur das: Ich wusste, sie würde für | |
| immer in mir bleiben.“ | |
| Geholfen beim Schreiben dieses so ruhigen wie konsequenten | |
| Enkel-Großvater-Roadmovies hat Kopmann ein Stipendium: „Reinhard Möller war | |
| der einzige Celler Künstler mit einigermaßen Bedeutung in der | |
| Nachkriegszeit“, erzählt Kopmann. „Er kam aus einer wohlhabenden Familie, | |
| ist jung verstorben, und er hat sein Vermögen und auch sein Wohnhaus mitten | |
| in der Innenstadt einer Stiftung vermacht.“ | |
| Diese RWLE-Möller-Stiftung fördert nun also Kunst und Literatur, zwei | |
| Stipendienwohnungen stehen zur Verfügung, eine eher repräsentative und eine | |
| ganz schlichte unterm Dach – die konnte Kopmann ein Jahr lang nutzen, | |
| wollte er auch mal woanders sein. | |
| 6 Jan 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Frank Keil | |
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