| # taz.de -- Misstrauensvotum in Frankreich: Die Regierung ist gestürzt | |
| > Auf Antrag der linken und rechten Opposition musste sich der französische | |
| > Premierminister Michel Barnier am Mittwoch einer Vertrauensfrage stellen. | |
| > Das ist das Ergebnis. | |
| Bild: Die Abgeordneten in der französischen Nationalversammlung sprachen ihm d… | |
| Paris taz | Mit den Stimmen von 331 der insgesamt 577 Abgeordneten hat die | |
| Nationalversammlung der französischen Regierung am Mittwochabend bei einer | |
| Abstimmung über einen Misstrauensantrag der linken Opposition das Vertrauen | |
| entzogen. Premierminister Michel Barnier muss nun bei Staatspräsident | |
| Emmanuel Macron seinen Rücktritt und den seines Ministerkabinetts | |
| einreichen. Bis der Präsident einen neuen Regierungschef ernennt, bleibt | |
| die bisherige Regierung mit beschränkten Befugnissen im Amt. | |
| [1][Die Tage von Michel Barnier als Regierungschef waren bereits gezählt], | |
| als am Montag Marine Le Pen bestätigte, dass die Abgeordneten des | |
| rechtspopulistischen Rassemblement National (RN), nicht nur für ihren | |
| eigenen Misstrauensantrag, sondern auch für denjenigen ihrer linken Gegner | |
| von der Neuen Volksfront (Sozialisten, Grüne, Kommunisten und La France | |
| insoumise) stimmen würden. Gegen diese „unheilige Allianz“ aller | |
| Oppositionsfraktionen hatte der Premierminister keine Chance. Zusammen | |
| ergaben die Stimmen der NFP-Abgeordneten und der Rechtspopulisten eine | |
| absolute Mehrheit. | |
| Eric Coquerel von der linken France insoumise, der als Erster den | |
| Misstrauensantrag der NFP begründete, hielt eine wahre Anklagerede, in der | |
| er dem Premierminister unter anderem vorhielt, er habe sich „entehrt“, | |
| indem er sich bei der extremen Rechten ständig angebiedert habe, um sich | |
| ihre Unterstützung zu sichern und so – freilich vergeblich – einem Sturz zu | |
| entgehen. | |
| [2][Die RN-Fraktionschefin Marine Le Pen] warf dem Regierungschef im | |
| Gegenteil vor, „wegen der Unnachgiebigkeit, wegen des Sektierertums und | |
| Dogmatismus der Regierung“ sei er unfähig gewesen, „die Konzessionen zu | |
| machen, die es erlaubt hätten, dieses Ende der Geschichte zu vermeiden“. | |
| Sie schloss, es sei nun an Staatschef Macron selber, sich zu fragen, „ob er | |
| unter diesen Umständen noch Präsident bleiben könne oder nicht“. | |
| ## „Ich oder das Chaos“ | |
| Die letzte Karte, die Barnier bis zuletzt, in seiner Stellungnahme vor dem | |
| Votum am Mittwoch am Nachmittagsende, ausspielte, war die Dramatisierung: | |
| Ich oder das Chaos! Doch für die Krise sind in der Politik immer andere | |
| verantwortlich. Die Sprecher der Opposition geben der scheidenden | |
| Regierung, vor allem aber dem Staatspräsidenten alle Schuld für die | |
| politische Krise und alle möglichen „Turbulenzen“, die sich laut Barnier | |
| mit dem Sturz der Regierung für Frankreich ergaben könnten. | |
| Macron hatte nach der Niederlage seines Lagers bei den EU-Wahlen kurzerhand | |
| die Nationalversammlung aufgelöst und im Juli kurz vor dem Beginn der | |
| Olympischen Spiel parlamentarische Neuwahlen angesetzt, die seine Parteien | |
| aber erneut verloren haben. Sein vermeintlich „klärender“ Schachzug erwies | |
| sich als Eigentor: Am stärksten schnitt die vereinte Linke ab, die mehr | |
| Abgeordnete zählt als die Macronisten, und die Rechtspopulisten des RN sind | |
| stärker denn je in der Nationalversammlung vertreten. Keiner dieser drei | |
| Blöcke hat die Aussicht, eine Mehrheit bilden zu können. Barnier Koalition | |
| aus Macronisten und Konservativen musste bei jedem Votum bangen. | |
| [3][Seit seiner Nominierung am 5. September] musste der konservative | |
| Premierminister befürchten, dass sich bei einer Abstimmung, insbesondere in | |
| einer Vertrauensfrage, die linke und rechte Opposition gegen ihn | |
| verschwören würden. Das war nun der Fall. Die Amtszeit von Barnier ist die | |
| kürzeste in der Geschichte der Fünften Republik seit 1958. | |
| ## Mögliche Nachfolger im Gespräch | |
| Es ist erst das zweite Mal seit 1958, dass ein Premierminister durch ein | |
| Misstrauensvotum gestürzt wird: 1962 verlor De Gaulles Regierungschef | |
| Georges Pompidou eine Vertrauensabstimmung auf Antrag der Opposition. | |
| Wenige Wochen später aber gewannen die Gaullisten die Wahlen und Pompidou | |
| blieb Premier. Der ganze Aufwand der damaligen Opposition, die Regierung zu | |
| desavouieren, hatte somit nur symbolische Bedeutung. Heute scheint die | |
| Ausgangslage doch etwas komplizierter zu sein, und vor allem konfus, denn | |
| Neuwahlen wären erst im Juni 2025 möglich. | |
| Noch bevor die Abgeordneten in der Nationalversammlung abgestimmt hatten, | |
| zirkulierten in Paris Namen von Barniers eventuellen Nachfolgern. Mehrere | |
| bisherige Minister sind im Gespräch, unter ihnen Verteidigungsminister | |
| Sébastien Lecornu, aber auch der frühere Innenminister François Baroin, ein | |
| ehemaliger Vertrauter von Jacques Chirac. Mehr denn je verlangten dagegen | |
| die Politiker der NFP, dass Macron die nötigen Konsequenzen aus dem | |
| erfolgreichen Misstrauensantrag ziehen und eine Persönlichkeit aus den | |
| Reihen der Linken mit der Regierungsbildung beauftragen müsse. Der | |
| Präsident ist völlig frei in seiner Wahl, auch ist ihm für die Nominierung | |
| keine Frist gesetzt. | |
| 5 Dec 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Staatshaushaltsdebatte-in-Frankreich/!6054625 | |
| [2] /Barnier-wird-Frankreichs-Regierungschef/!6031455 | |
| [3] /Neuer-Regierungschef-in-Frankreich/!6031440 | |
| ## AUTOREN | |
| Rudolf Balmer | |
| ## TAGS | |
| Michel Barnier | |
| Schwerpunkt Frankreich | |
| Misstrauensvotum | |
| GNS | |
| Schwerpunkt Emmanuel Macron | |
| Michel Barnier | |
| Michel Barnier | |
| Schwerpunkt Frankreich | |
| Schwerpunkt Frankreich | |
| Parlamentswahlen Frankreich | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Frankreich: Emmanuel Macron ernennt neue Regierung | |
| Frankreichs Premier François Bayrou stellt sein Kabinett vor. Unter den | |
| Neuen sind viele Ehemalige. Verspricht das eine stabile Regierung? | |
| Regierungssturz in Frankreich: Le Pens verhängnisvolles Machtspiel | |
| Mit der Unterstützung des Misstrauensvotums zeigte Marine Le Pen ihre | |
| schiere Macht im Parlament. Doch für den kurzen Erfolg riskiert die | |
| Rechtspopulistin viel. | |
| Misstrauensvotum in Frankreich: Das Vertrauen ist futsch | |
| Frankreich erwacht verkatert: Premierminister Michel Barnier ist abgesetzt. | |
| Das Katz-und-Maus-Spiel zwischen links und rechts führt ins Nichts. Macron | |
| muss Verantwortung übernehmen. | |
| Staatshaushaltsdebatte in Frankreich: Die endlose Vertrauensfrage | |
| In Frankreich könnten die linken und rechten Oppositionsparteien in den | |
| nächsten Tagen den Sturz der Regierung einleiten. Neuwahlen sind erst im | |
| Juli 2025 möglich. | |
| Barnier wird Frankreichs Regierungschef: Aushilfspremier von Le Pens Gnaden | |
| Frankreich hat mit Michel Barnier einen Premier – endlich, könnte man | |
| sagen. Wenn er nicht von Le Pen abhängig wäre. | |
| Neuer Regierungschef in Frankreich: Kandidat des geringsten Widerstandes | |
| Mit Michel Barnier macht Frankreichs Präsident Emmanuel Macron einen | |
| 73-jährigen konservativen Pro-Europäer zum neuen Premier. |