| # taz.de -- Neuer Regierungschef in Frankreich: Kandidat des geringsten Widerst… | |
| > Mit Michel Barnier macht Frankreichs Präsident Emmanuel Macron einen | |
| > 73-jährigen konservativen Pro-Europäer zum neuen Premier. | |
| Bild: Michel Barnier tritt mit 73 Jahren einen neuen Job an: Regierungschef in … | |
| Paris taz | Exakt 51 Tage hat Staatspräsident Emmanuel Macron seit dem | |
| [1][Rücktritt der Regierung von Gabriel Attal] das Land und die Nation auf | |
| die Folter gespannt, bevor er für die Nominierung des nächsten | |
| Premierministers eine Entscheidung treffen konnte. Als Letzter auf der fast | |
| täglich aktualisierten Liste der möglichen Anwärter oder Anwärterinnen | |
| blieb ein Veteran der französischen Politik übrig: der Konservative Michel | |
| Barnier. Macron möchte ihn als Krisenmanager aus einem bloß vorübergehenden | |
| Ruhestand holen. | |
| Der 73-jährige Barnier ist in Europa vor allem als ehemaliger EU-Kommissar | |
| bekannt. Erstmals 1999 gehörte er der Kommission an, zuletzt hatte er von | |
| 2019 bis 2021 die heikle Aufgabe, als EU-Chefunterhändler mit | |
| Großbritannien ein Abkommen über die Beziehungen nach dem Brexit zu | |
| schließen. Immer mal wieder wurde er auch als möglicher Kommissionschef | |
| gehandelt. | |
| Er hat aber vor allem auch eine lange innenpolitische Erfahrung. Er war | |
| Abgeordneter, Senator und Vorsitzender des Departements Savoyen, mehrfacher | |
| Minister und auch früher schon gelegentlich im Gespräch als möglicher | |
| Regierungschef. 2021 bewarb er sich ohne Erfolg um die | |
| Präsidentschaftskandidatur der konservativen Rechten für 2022. Er hatte | |
| sich bei dieser Gelegenheit für eine härtere Sicherheitspolitik und | |
| Migrationskontrolle ausgesprochen. | |
| Barnier gehört zur politischen Familie der Gaullisten, er war Mitglied der | |
| Parteien der Präsidenten Jacques Chirac und Nicolas Sarkozy und zuletzt der | |
| konservativen Partei Les Républicains (LR), die bei den letzten Wahlen am | |
| 7. Juli nur noch 47 Sitze erringen konnte. Dass also letztlich die kleine | |
| LR-Fraktion, die bisher in der Opposition war, die Regierungsführung | |
| übernimmt, ist überraschend. Die einzige plausible Erklärung dafür ist, | |
| dass Macron nach zahlreichen Treffen und Konsultationen der Meinung war, | |
| dass Barnier am wenigsten frontalen Widerstand der politischen Parteien im | |
| Parlament zu gewärtigen hätte. | |
| ## Vorsichtiges Wohlwollen von rechts | |
| Andere als Favoriten gehandelte Politiker von links oder rechts, namentlich | |
| der ehemalige sozialistische Innen- und Premierminister [2][Bernard | |
| Cazeneuve] doder der konservative Vorsitzende der Region Nord, Xavier | |
| Bertrand, stießen auf grundsätzliche Ablehnung. Marine Le Pen vom | |
| rechtspopulistischen Rassemblement National (RN) versicherte, ihre Fraktion | |
| werde jeden linken Premier oder auch Bertrand zu Fall bringen. | |
| Auf die Frage, ob Barnier genauso boykottiert werde, zeigte sich Le Pen | |
| sichtlich versöhnlicher. Ihre Partei werde Barnier aufgrund der künftigen | |
| Regierungszusammensetzung und seiner Antrittsrede beurteilen. Auf besondere | |
| Rücksicht der Rechtsextremen kann er dennoch nicht hoffen. | |
| Als Barnier am Donnerstag noch bloß als eventueller Kandidat im Gespräch | |
| war, hatte ihn der RN-Abgeordnete Jean-Philippe Tanguy (wegen seines | |
| Alters) als „Fossil“ der französischen Politik bezechnet und gespottet, | |
| Macron suche seine Leute im „Jurassic Park“. Die Zeitung Le Journal du | |
| Dimanche hat ihm den Übernamen „Frankreichs Joe Biden“ gegeben. Auf sein | |
| Alter angesprochen hatte Barnier vor allem auf seine Erfahrung verwiesen | |
| und gesagt, es gebe junge Leute mit uralten Ideen und ältere mit neuen. | |
| Für die vereinte Linke der Neuen Volksfront (NFP) ist seine Nominierung ein | |
| Affront. Die NFP betrachtet sich immer noch als Siegerin der | |
| Parlamentswahlen vom 7. Juli und hatte darum den Anspruch des Postens für | |
| ihre gemeinsame Kandidatin [3][Lucie Castets] erhoben. Für Macron aber kam | |
| weder Castets noch sonst eine Persönlichkeit aus den Reihen der linken | |
| Wahlunion als Premierminister(in) infrage. | |
| Macron möchte ganz offensichtlich trotz seiner klaren Wahlniederlage seine | |
| Politik fortsetzen. Eine so genannte Kohabitation mit einem politischen | |
| Gegner als Regierungschef hatte Macron sogleich ausgeschlossen. Er hofft | |
| nun, dass Barnier ein ihm genehmes Ministerkabinett bilden und so rasch wie | |
| möglich den Entwurf für den Staatshaushalt 2025, den noch die | |
| Vorgängerregierung von Gabriel Attal nach ihrem Rücktritt vorbereitet hat, | |
| als politische Weichenstellung durchsetzen kann. | |
| 5 Sep 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Rudolf Balmer | |
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