# taz.de -- Wahlen in Georgien: Ex-Fußballer wird georgischer Präsident | |
> Der antiwestliche Regierungskandidat Micheil Kawelaschwili wird zum neuen | |
> Präsidenten Georgiens gewählt – Proteste und politische Spannungen | |
> begleiten die Wahl. | |
Bild: Umstrittene Wahl: Der neue Präsident von Georgien Mikheil Kawelashvili | |
Berlin taz | Die Südkaukasusrepublik Georgien hat einen neuen Präsidenten: | |
Micheil Kawelaschwili. Am Samstag stimmten 224 von 225 anwesenden | |
Vertreter*innen des Wahlkollegiums aus Abgeordneten und Entsandten der | |
Regionen für den 53-Jährigen. Bislang war das Staatsoberhaupt per | |
Direktwahl gewählt worden. Gegenkandidat*innen gab es keine. | |
Einer der ersten Gratulanten war Regierungschef Irakli Kobachidze. Georgien | |
habe seit mehr als 20 Jahren keinen Präsidenten mehr gehabt, der sowohl | |
patriotisch als auch psychologisch ausgeglichen gewesen sei. „In dieser | |
Hinsicht wird Micheil Kawelaschwilis Präsidentschaft ein Wendepunkt für | |
unser Land sein“, sagt Kobachidse. Externe Kräfte hätten das Amt des | |
Präsidenten dazu genutzt, die Gesellschaft zu spalten und die | |
verfassungsmäßige Ordnung künstlich zu schwächen. Der milliardenschwere | |
Milliardär Bidzina Iwanischwili, Gründer der seit 2012 regierenden Partei | |
Georgischer Traum (KO) und immer noch Strippenzieher in der georgischen | |
Politik, verstieg sich zu der Aussage, Kawelaschwili sei die beste | |
Verkörperung eines georgischen Mannes – durch sein Wesen und seinen | |
Habitus. | |
Der „echte georgische“ Mann, der stramm auf KO-Kurs ist, treibt vielen | |
Georgier*innen die Schamröte ins Gesicht. In den 80er Jahren machte | |
Kawelaschwili Karriere als Fußballer. Er kickte in der georgischen | |
Nationalmannschaft, danach für den englischen Verein Manchester City und | |
wechselte dann in die Schweiz. 2015 wurde er von der Wahl zum Präsidenten | |
des georgischen Fußballverbands ausgeschlossen, da er keinen | |
Hochschulabschluss vorweisen konnte. Ein Jahr später wurde er für den KO | |
ins Parlament gewählt. | |
2022 gründete er mit anderen abtrünnigen KO-Abgeordneten eine eigene | |
Fraktion namens Volksmacht. Kawelaschwili, einer der Mitautor*innen des | |
sogenannten Agentengesetzes nach russischem Vorbild, ist für seine verbalen | |
Ausfälle im Parlament bekannt. Dem Westen wirft er vor, Georgien in den | |
Ukrainekrieg hineinziehen zu wollen, und hetzt nach Kräften gegen die | |
sogenannte LGBTQ+-Ideologie. Nach seiner Nominierung sagte er im Parlament, | |
dass die „Radikalisierung und Polarisierung“ in Georgien vom Ausland aus | |
befeuert werde. | |
## Von Protesten begleitet | |
Kawelaschwilis Wahl [1][war von Protesten begleitet]. Bereits am Samstag | |
gegen sieben Uhr Ortszeit hatten sich vor der Philharmonie in der | |
Hauptstadt Tbilissi Demonstrant*innen mit georgischen und EU-Flaggen | |
versammelt, um zu dem knapp zwei Kilometer entfernten Parlamentsgebäude auf | |
dem Rustaveli-Boulevard zu ziehen. Dort wartete, wie auch auf dem | |
Freiheitsplatz, bereits ein riesiges Polizeiaufgebot. Das Gelände war | |
weiträumig abgesperrt. Einige der Protestierenden hatten ihre | |
Universitätsdiplome mitgebracht. Andere hatten rote Karten und Fußbälle | |
dabei, die sie sich zuspielten. | |
Währenddessen waren alle Abgeordneten der vier Oppositionsgruppierungen der | |
Wahl ferngeblieben, wie überhaupt allen Sitzungen des Parlaments. Dies ist | |
ihr Protest gegen die Parlamentswahl vom 26. Oktober, die der KO angeblich | |
mit 54 Prozent der Stimmen gewonnen hat. | |
Nichtregierungsorganisationen hatten zahlreiche Unregelmäßigkeiten und | |
Verstöße gegen die Wahlgesetze in Form von Wähler*innenbeeinflussung, | |
Stimmenkauf sowie massivem Druck auf Wahlbeobachter*innen und | |
Journalist*innen dokumentiert. Doch das änderte nichts. Der KO regiert | |
durch. | |
[2][Die Opposition erkennt das Wahlergebnis nicht an], genauso wenig, wie | |
die scheidende pro-europäische Staatspräsidentin Salome Surabischwili. Man | |
sei Zeuge und Opfer einer russischen Spezialoperation geworden, der | |
modernen Form eines hybriden Krieges gegen das georgische Volk, hatte die | |
72-Jährige nach den Wahlen gesagt. | |
## Der liberale Faschismus muss ein Ende haben | |
In den ersten Wochen nach dem 26. Oktober verfiel die Opposition zunächst | |
in eine Art Schockstarre. Dies änderte sich abrupt, als Regierungschef | |
Irakli Kobaschidze Ende November öffentlich erklärte, die | |
Beitrittsgespräche mit der EU bis mindestens 2028 einfrieren zu wollen. | |
Seit Dezember vergangenen Jahres war Georgien EU-Beitrittskandidat. Seit | |
Kobachidzes Ankündigung gehen täglich zig Tausende auf die Straße und das | |
nicht nur in Tbilissi. Das sich zunehmend autoritär gebärdende Regime | |
schlägt brutal zurück, fast täglich kommt es zu Gewaltexzessen. Hunderte | |
von Protestierenden wurden festgenommen, Teilnehmer*innen der | |
Kundgebung hemmungslos zusammengeschlagen, auf einige von ihnen wird | |
regelrecht Jagd gemacht. | |
Auch zahlreiche Journalist*innen sind von der Gewalt betroffen. Estland | |
verkündete am Sonntag die Verhängung von Sanktionen gegen Georgiens | |
Regierungschef Irakli Kobachidse sowie 13 weitere Amtsträger des Landes. | |
Zuvor hatten bereits die EU und die Ukraine Sanktionen und Einreiseverbote | |
gegen georgische Regierungsvertreter verhängt. Fest an der Seite der | |
Protestierenden, die für eine Zukunft in Europa kämpfen, steht | |
Surabischwili. Sie will den Orbeliani-Palast, Amtssitz des | |
Staatsoberhauptes, nach der Amtseinführung ihres „Nachfolgers“ am 29. | |
Dezember nicht verlassen. | |
Am Freitag hatte Surabischwili in den sozialen Medien einen Kommentar | |
abgesetzt. Darin heißt es: „Vor einem Jahr hat Georgien den | |
Kandidatenstatus erhalten. Am Samstag ‚wählt‘ ein Zentralkomitee wie das | |
‚Parlament‘ einen ‚einzigen‘ Kandidaten in einer Art Verhöhnung der | |
Demokratie. Das wird Georgien niemals davon abhalten, seinen Weg | |
fortzusetzen – nach Europa und in eine demokratische Zukunft!“ | |
Am Samstagabend hatten sich weitere Demonstrant*innen vor dem Parlament | |
eingefunden. [3][Auch die Sicherheitskräfte, viele von ihnen mit Masken, | |
hatten noch einmal nachgerüstet]. Eigentlich war geplant, dort einen | |
Weihnachtsbaum zu illuminieren. Doch der Bürgermeister von Tbilissi, Kakha | |
Kaladze, ebenfalls ein überzeugter Parteigänger des KO, kündigte an, die | |
Zeremonie werde verschoben. „Die festliche Veranstaltung wird stattfinden, | |
wenn die radikale Opposition aufhört, Kinder zu bedrängen, und es diesen | |
ermöglicht, sich an der Weihnachtsbaumbeleuchtung zu erfreuen“, sagte er. | |
Der heutige Tag sei nur eine weitere Bestätigung dafür, dass der liberale | |
Faschismus in Georgien ein Ende haben müsse. | |
15 Dec 2024 | |
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## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
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