# taz.de -- Theaterstück „Warten auf’n Bus“: Blues an der Bushaltestelle | |
> Theaterlandschaft Brandenburg: Die Neue Bühne Senftenberg inszeniert | |
> Oliver Bukowskis TV-Serie als Erkundungsreise durch ostdeutsche | |
> Männerseelen. | |
Bild: Daniel Borgwardt als Ralle (links) und Matthias Manz als Hannes (rechts) … | |
Fahrten nach Brandenburg werden für Berliner Besuchende momentan zu | |
Erleuchtungsreisen. Zur Premiere von [1][Oliver Bukowskis Eastern-Komödie | |
„Warten auf’n Bus“] in der Neuen Bühne Senftenberg ließen sich nicht nur | |
der Landrat und der Bürgermeister blicken. In Berlin passierte Ähnliches im | |
Falle der aktuellen Senatsbesetzung eher selten. Landrat Siegurd Heinze | |
versicherte der taz auch, dass das Theater im nächsten Haushalt keinerlei | |
Einbußen erleiden müsse. | |
„Kultur spielt im Strukturwandel eine wichtige Rolle. Als allererstes | |
Projekt im Rahmen der Förderrichtlinie ‚Strukturentwicklung Lausitz‘ | |
überhaupt wurde das neue Werkstattgebäude des Theaters fertiggestellt“, | |
betonte Heinze. „Als die Förderrichtlinie aufgelegt wurde, mussten wir das | |
Projekt nur noch aus der Schublade holen“, sagte Heinze. So kann | |
Kulturpolitik auch gehen, denkt der Reisende aus Berlin da wehmütig. | |
Das Werkstattgebäude wurde zu Spielzeitbeginn eröffnet. Für die jüngste | |
Premiere „Warten auf’n Bus“ wurde in den blitzsauberen neuen Räumen eine | |
hübsch abgeranzte Bushaltestelle installiert (Bühne: Helene Seitz). Darin | |
lungern Ralle und Hannes, die Protagonisten aus Oliver Bukowskis | |
erfolgreicher TV-Serie gleichen Namens. Regisseur Mirko Böttcher hat das | |
Personal kräftig eingedampft. Nur zwei Männer sind auf der Bühne. | |
Matthias Manz spielt den bullig-brummigen Hannes. Als „Mischung aus | |
Zementmischer und Schlachteplatte“ wird er im Stück bezeichnet. Manz | |
erfüllt das ohne Zweifel und streut noch Philosophisches à la Fassbewohner | |
Diogenes ein. | |
## Lebensstationen des Scheiterns abklappern | |
Daniel Borgwardt hat mit Ralle den agileren der beiden unfreiwillig | |
Beschäftigungslosen erwischt. Er verhilft Hannes dann auch zum | |
Vorstellungsgespräch bei Tesla. Das geht aber schief. Denn es werden dort | |
keine Landschaftsgärtner, sondern nur Hausmeister gesucht. Mal wieder geht | |
eine Arbeitsbiografie am Stellenplan vorbei. | |
Hannes und Ralle klappern in einer typisch brandenburgischen Mischung aus | |
Sarkasmus und Gemütlichkeit ihre Lebensstationen des Scheiterns ab. | |
Natürlich kriegen die Leute aus dem Westen, die die besseren Jobs und mehr | |
Geld bekamen, ihr Fett weg. | |
Der Abbau der Infrastrukturen wird beklagt, die zum Dauertreffpunkt | |
auserkorene Bushaltestelle ohne Linie aber zum alle Herzen erwärmenden | |
Objekt geadelt. Immerhin blitzt bei beiden auch mal die Erkenntnis auf, | |
sich in entscheidenden Momenten zuwenig zugetraut – und deshalb den | |
Anschluss verpasst zu haben. | |
## Der Höhepunkt: ein Selbstermächtigungsmoment | |
Dieser Erkundungstrip in die ostdeutsche Männerseele ist zuweilen derb, oft | |
komisch. Eigene Verwirrungen in Sachen Sex und Gender sind hauchzart | |
angedeutet. Verzweiflung allerdings wird – wie auch im echten Leben – eher | |
weggelacht und weggetrunken. | |
Als Höhepunkt kommt ein Selbstermächtigungsmoment. Ralle und Hannes treten | |
– unter den Klängen und im Erinnerungsrausch an das legendäre Konzert der | |
Rolling Stones im August 1990 – zur Doppelspitzenkandidatur fürs | |
Bürgermeisteramt in ihrem sterbenden Dorf an. Eckpunkte der Antrittsrede | |
sind zum einen das Von-hier-Sein und damit die tiefe Kenntnis der | |
Verhältnisse vor Ort, zum anderen die im Leben oft bewiesene Exzellenz in | |
pragmatischen Problemlösungsverfahren. | |
Ob das ausreicht für eine Trendwende, wird im Stück nicht mehr gezeigt. Der | |
kurze Aufbruch findet ein jähes Ende in Schüssen aus den Waffen jener | |
Clique, die ein paar Szenen zuvor die Bushaltestelle mit einem Hakenkreuz | |
und landläufig bekannten Parolen beschmiert hat. | |
## Regieren trotz AfD – ein Brandenburger Aspekt | |
Das düstere Finale geht im fröhlich-begeisterten Applaus ein wenig unter. | |
Das überrascht. Es mag allerdings auch an Alltagserfahrungen des | |
Premierenpublikums liegen. Viele von ihnen sind mit Exponenten rechter | |
Parteien ganz real konfrontiert, sie existieren nicht als Angst machende | |
Imagination. | |
Der eine oder andere AfD-Politiker kommt zuweilen sogar ins Theater, | |
[2][sagte Intendant Daniel Ris der taz bei einem früheren Besuch.] Gerade | |
bei Gundermann-Abenden werde fleißig mitgewippt. | |
Im realpolitischen Alltag stellt Landrat Heinze sogar einen positiven | |
Effekt fest. „Die AfD-Fraktion ist zwar die zweitstärkste, aber sie hat | |
keine Mehrheit. Die anderen Fraktionen rücken jetzt näher zusammen und | |
bringen geschlossen sinnvolle Maßnahmen durch“, sagt er. Geschmeidigeres | |
Regieren trotz AfD – noch so ein Brandenburger Aspekt, über den aus Berlin | |
Kommende derzeit staunen können. | |
3 Dec 2024 | |
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## AUTOREN | |
Tom Mustroph | |
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