| # taz.de -- Frauensport in Saudi-Arabien: Öffnung und Repression zugleich | |
| > Frauen nutzen in Saudi-Arabien das wachsende Angebot der Teilhabe im | |
| > Sport. Andererseits steigt jedoch auch die Zahl der | |
| > Menschenrechtsvergehen. | |
| Bild: Auch die Profiliga der Frauen, hier Shahnaz Jebreen von al-Ittihad al-Ahl… | |
| Die Kraftsportlerin Amira hat auf Instagram fast 7.000 Follower. Auf einem | |
| Foto posiert sie im Fitnessstudio und spannt ihre Bauchmuskeln an. „Durch | |
| Sport fühle ich mich auch im Alltag stärker“, sagt Amira, die ihren | |
| richtigen Namen nicht nennen möchte. „In meiner Jugend war das | |
| unvorstellbar.“ | |
| In ihrer Heimat Saudi-Arabien hatte es über Jahrzehnte keine Sportangebote | |
| für Mädchen und Frauen gegeben. Frauen standen unter männlicher | |
| Vormundschaft, mussten in Cafés und Einkaufszentren eigene Eingänge | |
| benutzen. Amira ging deshalb fürs Studium nach Japan. Aber nach ihrem | |
| Studium kehrte sie nach Saudi-Arabien zurück. „Ich wollte den Wandel | |
| mitgestalten.“ | |
| Saudi-Arabien will seine Abhängigkeit von Öl-Exporten verringern und baut | |
| neue Wirtschaftszweige auf. Zur neuen Unterhaltungsindustrie gehört der | |
| Sport. Der Höhepunkt: Am kommenden Mittwoch [1][wird die Fifa die | |
| Fußball-WM 2034] offiziell nach Saudi-Arabien vergeben. „Das Land öffnet | |
| sich“, sagt Amira. „Wir können alles erreichen.“ | |
| Rund siebzig Prozent der Bevölkerung Saudi-Arabiens sind jünger als | |
| dreißig. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 17 Prozent. „Die Monarchie | |
| kann nicht mehr allen Bürgern einen familienfreundlichen Job im Staatswesen | |
| anbieten“, erläutert der Islamwissenschaftler Sebastian Sons. „Sie will den | |
| Arbeitsmarkt reformieren und ist dabei auf eine vielseitig ausgebildete | |
| Belegschaft angewiesen.“ | |
| ## Viel Geld für ausländische Spielerinnen | |
| Den Frauen kommt eine wichtige Bedeutung zu. 1990 waren nur 11 Prozent der | |
| Frauen in Saudi-Arabien erwerbstätig. Mittlerweile sollen es rund 40 | |
| Prozent sein. Für die weitere Entwicklung benötigt das Herrscherhaus | |
| sichtbare Vorbilder, auch im Sport. | |
| Die Fußballliga der Frauen in Saudi-Arabien zum Beispiel, die Premier | |
| League, geht gerade in ihre dritte Saison. Mittlerweile werden für viel | |
| Geld auch langjährige Nationalspielerinnen aus dem Ausland verpflichtet: | |
| Sara Björk Gunnarsdottir aus Island oder Léa Le Garrec aus Frankreich. | |
| In den Strukturen schreitet der Wandel ebenso voran, berichtet Kyra | |
| Angerer. Die Sportsoziologin aus Berlin beobachtet den Frauensport in | |
| Saudi-Arabien seit langem und arbeitet für das Forschungsinstitut des | |
| dortigen Fußballverbandes in Riad. „Der Verband legt viel Wert darauf, | |
| Frauen in Coaching-Positionen zu bringen“, sagt Angerer. „Wir haben auch | |
| eine Vizepräsidentin und zwanzig Prozent der Angestellten sind Frauen.“ | |
| Kyra Angerer hat sich intensiv mit der Sportlandschaft von Riad | |
| beschäftigt. Es gibt nur wenige Parks und Sportanlagen. Aber das Angebot | |
| wächst. Es entstehen Laufgruppen, Fitnesszentren, Yogastudios. Seit 2022 | |
| findet jährlich ein Marathon statt. Die Regierung möchte die Zahl der | |
| Menschen, die mindestens einmal pro Woche Sport treiben, bis 2030 von 13 | |
| auf 40 Prozent steigern. Im Fußball etabliert der Verband | |
| Jugendnationalteams für Frauen und vernetzt sich mit Schulen. Womöglich | |
| bewirbt man sich für die Frauen-WM 2035. | |
| ## Mehr als 198 Hinrichtungen | |
| „Diese Entwicklung soll im Inland und im Ausland Eindruck schinden“, sagt | |
| die Menschenrechtlerin Lina al-Hathloul. „Aber wir sollten uns bewusst | |
| machen: Diese Öffnung und die wachsende Repression sind kein Widerspruch, | |
| sondern sie gehen Hand in Hand.“ | |
| [2][Die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien] ist bedrückend. Allein in | |
| diesem Jahr hat das Regime laut einer Zählung der Nachrichtenagentur AFP | |
| mehr als 198 Menschen hinrichten lassen. In der Rangliste der | |
| Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen liegt Saudi-Arabien von 180 | |
| bewerteten Staaten auf Platz 166. Einige Aktivistinnen wurden zu | |
| Haftstrafen verurteilt oder stehen unter Hausarrest. | |
| Lina al-Hathloul betont, Frauen seien bei etlichen Gesetzen schlechter | |
| gestellt als Männer. „Wenn Frauen Opfer von häuslicher Gewalt werden, haben | |
| sie in Saudi-Arabien keinen Zufluchtsort. Und auch geflüchtete Frauen im | |
| Ausland können sich nicht sicher fühlen. Mehrfach wurden Frauen gewaltsam | |
| wieder nach Saudi-Arabien gebracht.“ | |
| Trotz allem richtet sich die Fifa auf Saudi-Arabien aus: mit der Männer-WM | |
| 2034 und dem staatlichen Ölkonzern Saudi Aramco als Sponsorenpartner[3][. | |
| Mehr als 100 internationale Fußballerinnen] protestierten in einem offenen | |
| Brief und forderten ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Sponsoren. Doch | |
| unter den 211 Mitgliedsorganisationen der Fifa sind kritische Verbände in | |
| der Minderheit. | |
| Liberale Eltern in Saudi-Arabien, die im Westen studiert haben, begleiten | |
| ihre Töchter zum Training. Doch einige konservative Familien sträuben sich | |
| gegen den staatlich verordneten Wandel. Es gibt auch Berichte von jungen | |
| Frauen, die für ihren Sport zu Hause bestraft wurden. | |
| Erst seit 2018 dürfen Frauen in Saudi-Arabien Auto fahren und | |
| Sportveranstaltungen von Männern besuchen. Und nun, sechs Jahre später, | |
| überträgt das Staatsfernsehen Fußballspiele von Frauen. „Für die junge | |
| Generation stehen alle Türen offen“, sagt Maha Akeel. So entsteht für | |
| Frauen eine sportliche Teilhabe. Dass daraus eine politische Teilhabe | |
| erwächst, ist vorerst unwahrscheinlich. | |
| 10 Dec 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /WM-Doppelvergabe-durch-die-Fifa/!6051240 | |
| [2] /Menschenrechtsaktivistin-ueber-Fussball-WM/!6055005 | |
| [3] /Protest-gegen-saudischen-Oelkonzern/!6041465 | |
| ## AUTOREN | |
| Ronny Blaschke | |
| ## TAGS | |
| Fußball | |
| Saudi-Arabien | |
| Frauensport | |
| Menschenrechte | |
| Feminismus | |
| GNS | |
| Fußball-WM | |
| Fifa | |
| Fußball-WM | |
| Fußball-WM | |
| Saudi-Arabien | |
| Fifa | |
| Feminismus | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Fußball-WM 2034: FIFA für Saudi-Arabien | |
| Der Fußballmonopolist FIFA ist ungezügelt und ungebremst. Nicht trotz, | |
| sondern wegen der Menschenrechtsverletzungen hat sie Saudi-Arabien | |
| ausgewählt. | |
| Fußball WM 2030 und 2034: Der Profit bleibt am Ball | |
| Saudi-Arabien wird Gastgeberland der Fußball-WM 2034. Fifa-Präsident | |
| Infantino spricht von einem „historischen Kompromiss“. Die Fußballverbände | |
| geben klein bei. | |
| WM 2034 in Saudi-Arabien: Megaevents und autoritäre Peitsche | |
| Neue Industriezweige und gesellschaftliche Reformen: Saudi-Arabien erfindet | |
| sich gerade neu. Gleichzeitig regiert der Kronprinz Mohammed bin Salman | |
| weiter mit harter Hand. | |
| Menschenrechtsaktivistin über Fußball-WM: „Katar war ein Dammbruch“ | |
| Wie es in Saudi-Arabien um die Menschenrechte bestellt ist und warum | |
| Amnesty International dort nicht recherchieren darf. Ein Gespräch mit Lisa | |
| Salza. | |
| WM-Doppelvergabe durch die Fifa: Die Fußballverweser | |
| Wie der Fußballverband Fifa alle Reformbestrebungen mit der | |
| WM-Doppelvergabe 2030 und 2034 über den Haufen wirft. Im Fokus: Ausrichter | |
| Saudi-Arabien. | |
| Protest gegen saudischen Ölkonzern: Mittelfinger für den Frauenfußball | |
| Über hundert Profispielerinnen protestieren gegen einen Fifa-Deal mit | |
| Ölkonzern Saudi Aramco. Ihr Protest zeigt, wie Diversität den Sport | |
| verändert. |