| # taz.de -- Menschenrechtsaktivistin über Fußball-WM: „Katar war ein Dammbr… | |
| > Wie es in Saudi-Arabien um die Menschenrechte bestellt ist und warum | |
| > Amnesty International dort nicht recherchieren darf. Ein Gespräch mit | |
| > Lisa Salza. | |
| Bild: Fußballbegeisterung mit Nationalstolz in Saudi-Arabien | |
| taz: Frau Salza, die Fußball-WM 2034 geht an Saudi-Arabien. Eine Art Katar | |
| 2.0.? | |
| Lisa Salza: Ja, nur dass Saudi-Arabien in allem ein paar Nummern größer | |
| ist. Es hat eine größere Staatsfläche, höhere Einwohnerzahl, mehr | |
| migrantische Arbeiter:innen, und auch das Ausmaß der | |
| Menschenrechtsverletzungen ist wesentlich größer. | |
| taz: Wie sieht es mit Opposition aus? | |
| Salza: Die Zivilgesellschaft arbeitet vom Exil aus. In Saudi-Arabien ist | |
| die Repression zu groß. Es droht Inhaftierung oder Ausreiseverbot. Nach | |
| Katar durfte Amnesty International reisen, wir konnten dort recherchieren, | |
| mit Behörden und – zumindest zu Beginn – [1][mit migrantischen | |
| Arbeiter:innen sprechen.] In Saudi-Arabien geht das alles nicht. Wir | |
| dürfen nicht vor Ort recherchieren. | |
| taz: War die WM 2022 in Katar im Vergleich zu Saudi-Arabien gar nicht so | |
| schlimm? | |
| Salza: Es gibt viele Parallelen zwischen Saudi-Arabien und Katar. Zu Recht | |
| stark in der Kritik war 2022 das Kafala-System. Es besagt, dass ein:e | |
| Arbeiter:in eine Bürgschaft braucht, um dort arbeiten zu können. Ein | |
| Jobwechsel ist nur mit Erlaubnis des Arbeitgebers möglich. [2][Das | |
| Kafala-System gibt es auch in Saudi-Arabien.] Es ist unverständlich, wie | |
| die Fifa nach der Erfahrung in Katar erneut sehenden Auges in Kauf nimmt, | |
| dass Menschen für die WM ausgebeutet oder gar sterben werden. | |
| taz: Die Katar-WM zeigte doch, dass die Fifa Menschenrechte ernster nehmen | |
| muss als zuvor? | |
| Salza: Nach dem Turnier hatte ich tatsächlich gedacht, es sei so etwas wie | |
| eine Grenze erreicht. Dass es der Fifa nicht möglich sei, so etwas noch | |
| einmal durchzusetzen. Mittlerweile sehe ich, dass das eine naive Sicht war. | |
| Katar war ein Dammbruch. Gianni Infantino, der Fifa-Präsident, hat bemerkt, | |
| dass ihn niemand in seiner Machtfülle einschränkt. | |
| taz: Warum holt Saudi-Arabien neben dem Fußball noch derart viel weiteren | |
| Spitzensport ins Land? | |
| Salza: Es gibt eine „Vision 2030“, die Mohammed bin Salman, der Kronprinz, | |
| formuliert hat. Diese sieht eine Diversifizierung der Wirtschaftszweige und | |
| eine geringere Abhängigkeit von der Ölförderung vor. Der Kronprinz | |
| investierte seit 2021 sechs Milliarden Dollar in den Sport. Durch eine | |
| intensive Marketingstrategie gelingt es, Sportevents wie Boxkämpfe, | |
| Springreiten, Formel-1, Tennis und etwa die Asien-Winterspiele 2029 | |
| austragen zu dürfen. | |
| taz: Welche Rolle spielt der Fußball da? | |
| Salza: Er ist das [3][Herzstück dieser Politik,] einerseits weil er zu | |
| einer milliardenschweren Industrie wurde, andererseits weil er hier sehr | |
| beliebt ist. Saudi-Arabien richtet nicht nur große Turniere aus, es kauft | |
| sich auch in Fußballvereine ein. Der englische Klub Newcastle United gehört | |
| faktisch dem saudischen Staat. Der staatseigene Aramco-Konzern, die größte | |
| Erdölgesellschaft der Welt, ist Sponsor der Fifa. [4][Darüber hat es gerade | |
| im Frauenfußball einen Aufschrei gegeben.] Die Spielerinnen wollen sich | |
| nicht von einem Land sponsern lassen, das Frauenrechte mit Füßen tritt. | |
| taz: Das ist Sportswashing? | |
| Salza: Mohammed bin Salman will, dass Saudi-Arabien nicht mehr als | |
| repressives Regime wahrgenommen wird, sondern als modernes, weltoffenes | |
| Land. Einmal hat er gesagt: Wenn Sportswashing hilft, unser | |
| Bruttoinlandsprodukt zu steigern, dann machen wir weiter Sportswashing. | |
| taz: Wie nehmen Sie Einfluss auf die Fifa? | |
| Salza: Wir versuchen es seit geraumer Zeit. Vor der Katar-WM hatten wir | |
| viel recherchiert, Berichte über die Menschenrechtsverletzungen und die | |
| Lage der migrantischen Arbeiter:innen erstellt. Auch Sponsoren wie | |
| Coca-Cola haben Druck gemacht. Gewerkschaften hatten Klagen eingereicht. | |
| All das hat bewirkt, dass die Fifa sich gezwungen sah, | |
| Menschenrechtskriterien einzuführen. Allein: Die Vergabe an Saudi-Arabien | |
| ohne glaubwürdige Menschenrechtsgarantien zeigt uns, dass diese Kriterien | |
| reine Papiertiger sind. | |
| taz: Welche Rolle spielt die Schweiz? | |
| Salza: Weil die Schweiz der Sitzstaat der Fifa ist, profitiert sie von | |
| deren Einnahmen. Doch sie stiehlt sich aus der Verantwortung, von der Fifa | |
| die Respektierung der Menschenrechte einzufordern. Wir haben daher eine | |
| Petition gestartet, die dem Schweizer Bundesrat überreicht wird. Dieser | |
| muss sicherstellen, dass Sportverbände, die in der Schweiz ansässig sind, | |
| ihrer Sorgfaltspflicht bezüglich Menschenrechten nachkommen. | |
| 8 Dec 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Martin Krauss | |
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