Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Neues Album von Joachim Franz Büchner: Der Hamburger Landbote
> „Hits in the Dark“, Joachim Franz Büchner ruft mit seinem neuen Album den
> epischen Pop aufs Angenehmste in Erinnerung. Auch eine Tour startet
> zeitnah.
Bild: Joachim Franz Büchners neues Album „Hits in the Dark“ klingt einfach…
Es wird immer düsterer in der Welt, und Popmusik kann nichts ändern, aber
schon so etwas ausstrahlen wie ein kleines Leuchten in der Finsternis und
im Elend. Das ist nicht wenig und schon gar nicht nichts. „Hits in the
Dark“, das zweite Album der Joachim Franz Büchner Band aus Hamburg,
beschwört von der ersten Sekunde an das Licht als Antidot gegen Tod,
drohende Schwärze und Vergletscherung.
Der britische Schauspieler Richard Burton wird gesampelt, mit der
Rezitation eines Satzes aus dem Dylan-Thomas-Gedicht „Do not go gentle into
that good night“: „Rage against the dying of the light“, das ist der erste
Satz darin. Und das Foto einer Boxerin, das auf dem Albumcover abgebildet
ist, deutet auch schon eine Doppeldeutigkeit an: Die Hits in der Dunkelheit
sind Popsongs, die in einer vernünftig eingerichteten Welt ganz oben in den
Charts wären, und aber auch wehrhafte Schläge.
Die Songs, die Franz Joachim Büchner mit seiner Band Bürgermeister der
Nacht und auf seinen nun zwei Soloalben spielt, bestechen durch eine sanfte
Ungreifbarkeit, die sich auf ganz bezaubernde Weise mit einer auf anderen
Ebenen gelagerten Direktheit paart. Musikalischen Ebenen vor allem.
Synthie und Klavier, Pop, der als Gegenmodell zum Rock und dessen
Arbeitsschweiß konzipiert ist; außerdem Funk, sehr anschmiegsam
[1][produziert von Tobias Levin, einem der wenigen Produzenten hierzulande,
dessen Handschrift am Mischpult man nach „Largo“ von Go Plus, Tocotronics
Weißem Album und Kantes „Zweilicht“ sofort erkennt].
## Blumfeld Vibes
Die Musik ist behutsam geschichtet, nichts zerrt und zergelt, selbst
zackigerer Funk klingt jetzt weich. „Das ist der Anfang vom Ende der Nacht
/ Ich war allein und bin mit dir aufgewacht / Alles ist neu/Du hast es
mitgebracht / Oh, ich erzähl dir jetzt etwas, gib acht“, geht der erste
Song nach dem Eröffnungsfunk los. Zusammensein, die Liebe, heißt es weiter,
„Es ist die Zeit / Und ich bin jetzt bereit.“ Das erinnert [2][immer wieder
an Blumfeld], an ihre mittlere Bandphase, also so ab „Old Nobody“ und bevor
der naturverliebte Schlager [3][bei Jochen Distelmeyer] ganz durchbrach.
Das ist jetzt keine faule Assoziation, die daher kommt, dass eben beide,
Büchner und Blumfeld, mit diesem nie exakt zu definierbaren Wesen der
„Hamburger Schule“ verbunden sind. Vielmehr rührt es daher, dass beide so
klingen, als hätten sie vor ihrem jeweiligen Gang ins Studio viel Musik der
britischen Popband Prefab Sprout gehört. Und „Andromeda Heights“, das
Prefab-Sprout-Signaturwerk, [4][das hier immer wieder durchscheint,
wiederum klingt so, als sei es von Tobias Levin (einst auch als Gitarrist
bei Blumfeld)] produziert worden.
[5][Prefab Sprout waren Meister darin, Schönheit noch in der traurigsten
Hütte zu finden und die Normalität so zu besingen, das sie klang wie eine
Abfolge von Sensationen und schwerst romantischen, tief reichenden
Erfahrungen]. Das alles in einem glasklar produzierten Popsound und mit
alles umarmenden Melodiebögen. Das Stück „Königin der Nacht“ von Büchne…
neuem Album „Hits in the Dark“ klingt dann auch vollends wie das
deutschsprachige Cover eines Prefab-Sprout-Songs, den es gar nicht gibt.
„Hits in the Dark“ verbindet in ähnlicher Weise Alltägliches und
Traumhaftes. „Unvollendetes Duett“ zum Beispiel, in dem Büchner über eine
platonisch bleibende Beziehung in einem immer wieder im Falsett landenden
Gesang so singt, dass die Schönheit dieser Verbindung genau so hörbar wird
wie das traurigerweise Unfertige und die Fantasien, die man über sein
Gegenüber entwickeln kann, wenn sie nie überprüft werden müssen: „Ich mag
dich so, wie du nie bist.“
## Widrigkeiten ohne Transgressionskitsch
Dass alles das bei allem Wohlklang nie ins Seichte kippt, könnte auch daran
liegen, dass die eingangs angekündigte Wut im Kampf gegen das Sterben des
Lichts hier mit einer ganz realen, existenziellen Krise zusammenhängt. Der
42-jährige Büchner musste nach der Aufnahme seines Debütalbums für mehrere
Monate ins Krankenhaus, um sich einen Abszess wegoperieren zu lassen.
Eine Erkrankung, die einen ins Bett zwingt, ohne jeden kaputten
Rock-’n’-Roll-Glamour von einst (zu dolle Drogen, Alkoholexzess). Aber die
Erzählungen darüber dafür dann auch ohne Transgressionskitsch. Ein
Indikator dafür, dass der Bericht über psychische und physische
Erkrankungen im Pop inzwischen einen selbstverständlicheren Raum einnimmt.
Wenn man diese Geschichte kennt, klingt „Hits in the Dark“ jedenfalls
einfach eins zu eins und existenziell, bei allem Schillern.
Erfüllt von der Freude an der Musik und der eigenen Stimme und über die
gemeinsame Zeit, die man noch haben wird. „Ich hab den Tod gesehen / und
jetzt kommst du.“
3 Dec 2024
## LINKS
[1] /Einjaehriger-Todestag-von-Kristof-Schreuf/!5968749
[2] /Diskurspop/!5199772
[3] /Jochen-Distelmeyer/!5160027
[4] /Soloalbum-von-MPC-Lafote/!5966468
[5] /Dm-Funk-ueber-die-Musikszene-in-LA/!5235847
## AUTOREN
Benjamin Moldenhauer
## TAGS
Musik
Neues Album
Indie
Singer-Songwriter
Popmusik
Nachruf
Elektronik
Neues Album
## ARTIKEL ZUM THEMA
Neues Album der Musikerin Soap & Skin: Anverwandeln und zerdehnen
Die Musikerin Soap & Skin covert Songs von Sufjan Stevens, Shirley Bassey,
David Bowie und The Doors. Was macht das neue Album „Torso“ so besonders?
Nachruf auf Hans Hammerschmidt: Hipster der Popmusik
Er ließ rote Rosen für Hildegard Knef regnen und bastelte die musikalischen
Intros für die Schwarzwaldklinik: Der Komponist Hans Hammerschmid ist tot.
Debütalbum von Saul: Wenn Mama dich hält
Der Flaneur hat’s schwer: „Homecoming“, der Berliner Autor Fabian Saul,
debütiert als elektronischer Chansonnier mit einem Soloalbum.
Neues Album der Band Die Nerven: Gegen die Wand
Das Noisrocktrio Die Nerven zelebriert auf seinem Album „Wir waren hier“
die hohe Kunst des Lärms. Ein Übriges tun klaustrophobische Songtexte.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.