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# taz.de -- Jochen Distelmeyer: Das Leben nach Blumfeld
> Der Ex-Blumfeld-Musiker, Sänger und Diskurstexter Jochen Distelmeyer
> setzt zur zweiten Karriere an. In seiner neuen Band mischen Jeans Team,
> Veranda Music und Good Heart Boutique mit.
Bild: Da war er noch Sänger von Blumfeld: Jochen Distelmeyer.
Distelmeyer and Friends? Jochen and his Boys? The Jochen Distelmeyer? Es
darf gerätselt werden, wie sich der ehemalige Sänger und Gitarrist der
Hamburger Band Blumfeld in neuer Inkarnation denn nun nennen wird.
Sicher aber ist: Der 42-jährige, aus dem Ostwestfälischen stammende Musiker
hat als bedeutendster deutscher Popstar der Neunziger allemal
Vorschusslorbeeren verdient, jetzt, da er mit maßgeschneidertem Hemd wieder
durch die Republik ziehen wird. Integer, abgezockt, imagebewusst,
fanatisch, egomanisch, schlau, leicht religiös und schwer Suhrkamp, so
erschienen einem Distelmeyer und Co auf den sechs Blumfeld-Alben und bei
zahlreichen Tourneen.
Niemand kam an der Band vorbei, der sich in den Neunzigern mit Pop und
unorthodoxer linker Politik beschäftigte. Blumfeld waren als schneidig
klingende Absage an den "Wir sind wieder wer"-Patriotismus nach der
deutschen Wiedervereinigung angetreten. "Berlin Wall gegen Holo, Hool und
Holidays" sang Distelmeyer in "Eine eigene Geschichte". Der Sänger sprach
zu seinen Hörern in einer manchmal verzweifelt dichten, anspielungsreichen
Songsprache. Inzwischen sind Zitate aus seinen Songs zu Gliedern der
Pop-DNA geworden. Seinerzeit aber war diese "Musik für eine andere
Wirklichkeit" dringend benötigte Ausnüchterung gegen das Gelalle von den
blühenden Landschaften, während die Asylantenheime brannten.
Distelmeyer umschiffte aber auch die eigenen, selbstbequemen
Gegenkultur-Positionen mit Bravour. Indierock-Muff war seine Sache nicht.
Stattdessen wurde er, wie er es "in Sachen Selbstverwirklichung" in dem
Song "Jet Set" angekündigt hatte, zum verflucht tighten Popprofessional,
ohne Berührungsängste bezüglich Balladenschwulst. Nicht unumstritten das,
immerhin aber stellte "sich ein Bewusstsein für die eigenen Kriterien ein",
wie Distelmeyer dem Journalisten Willi Winkler antwortete, als der ihn
anlässlich der Auflösung von Blumfeld 2007 nochmals des Eklektizismus
bezichtigen wollte. Selbst auf dem im Jahr zuvor erschienenen letzten Album
"Verbotene Früchte" konnte Distelmeyer mit der kriminell harmlosen Nummer
"Der Apfelmann" allein durch Aufzählen diverser Apfelsorten die Gemüter
erregen.
Im Diskurs über Blumfeld wurde das Musikalische stets zweitrangig
behandelt. Dabei ist das System Distelmeyer undenkbar ohne E-Gitarre und
ohne die fruchtbare Auseinandersetzung mit den - bewusst gewählten -
angloamerikanischen Vorbildern (Blind Willie McTell, Dead Kennedys, Prefab
Sprout etc. pp.). Erst dadurch perfektionierte Distelmeyer den Prozess des
versierten Pop-Komponisten, der in dem weiten Land zwischen Ingmar Bergman,
Ingeborg Bachmann und Harry Rag sein (Text-)Feld bestellt.
Ab Donnerstag ist er also mit neuen Songs unterwegs. Distelmeyers neue Band
wurde aus jüngeren Gruppen zusammengecastet: Jeans Team, Veranda Music,
Good Heart Boutique. Zum Warmspielen wird das Hinterland abgeklappert. Dann
kommen die Großstädte dran. Die Aufnahmen für das Debütalbum wurden gerade
abgeschlossen. Produziert hat Distelmeyer zusammen mit dem auf properen
Klang geeichten Toningenieur Andreas Herbig (der u. a. Udo Lindenbergs
letztes Album in Szene setzte). Der Vibe im Studio soll entspannt gewesen
sein. Mehr Info is nicht: sexy Nachrichtensperre.
11 Jul 2009
## AUTOREN
Julian Weber
Julian Weber
## TAGS
Punk
Hamburger Schule
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