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# taz.de -- Debatte um Maler Gustave Caillebotte: Zu schöne Männerpopos
> War der impressionistische Maler Gustave Caillebotte schwul? Über diese
> Frage erzürnt sich derzeit die Pariser Kunstkritik.
Bild: Gemalte Männer: Die Parkettschleifer („Les raboteurs de parquet“, 18…
Ein nackter Mann, gesehen in Rückansicht, steht neben der Badewanne. Gemalt
hat das sehr prosaische Sujet der Künstler Gustave Caillebotte. Er starb
1894 und wird gemeinhin den Impressionisten zugezählt, denen er
freundschaftlich verbunden war. Ein zweites Bild zeigt den nackten Mann,
wie er sich den Unterschenkel abtrocknet.
Die beiden Werke sind derzeit zu sehen im Pariser Musée d’Orsay, und wie
stets, wenn das Museum einen französischen Maler vorstellt, ist das Haus
voll. Die Ausstellung „Gustave Caillebotte. Peindre les hommes“ („Männer
malen“) bietet die seltene Gelegenheit, das überwiegend noch in
Privatbesitz befindliche Œuvre des Malers vereint zu sehen.
Doch es ist, wie es der Titel besagt, keine Retrospektive, sondern eine
Themenausstellung. [1][Caillebotte] hat zahlreiche Portraits gemalt, von
Männern der gehobenen Gesellschaftsschicht, der er, der Erbe eines großen
Vermögens, selbst angehörte. Aber mehr als das. Er hat Handwerker gemalt,
die den Parkettboden schleifen oder ein Ladengeschäft anstreichen. Und er
hat ein paar Mal nackte Männer im Badezimmer gemalt.
## Maler des modernen Lebens
Ob das ausreicht oder gar nahelegt, eine Ausstellung unter dem Titel
„Männer malen“ zu versammeln, sei dahingestellt. Caillebotte ging es um
etwas anderes, Größeres: Er war, wie kaum ein zweiter seiner
Impressionistenfreunde, der „Maler des modernen Lebens“, den Baudelaire in
seinem berühmten Essay gefordert hatte. Er malte, was er sah, die
Eisenbrücke am Bahnhof Saint-Lazare oder eine Straße bei Regen, und
besonders oft den Blick aus seiner vornehmen Wohnung an einem der großen
Boulevards. Er malte das brandneue Paris.
Nun aber wird ihm die Häufung seiner Männerbildnisse als Hinweis auf
Homosexualität gedeutet. Die diesbezügliche Gender-Debatte schwappt aus den
USA herüber, wo die Ausstellung im Anschluss in Los Angeles und Chicago
gezeigt werden soll. Die Pariser Kunstkritik reagiert empört. Caillebotte,
der stillschweigend mit seiner Mätresse zusammenlebte, gebe nicht den
geringsten Hinweis auf homosexuelles Begehren. Und überhaupt, wie der
Kritiker der linksliberalen Libération schreibt: Was spielt das für eine
Rolle?
Keine. Denn was an seinen Gemälden erschlösse sich, wenn die Vermutung
zuträfe? Nicht mehr, als was sie zeigen. Caillebotte, dem die Konventionen
seiner Gesellschaftsschicht diskretes Verhalten beigebracht hatten, hielt
sich stets im Hintergrund. Er ging seinen Beschäftigungen nach, er malte,
er baute Rennboote, mit denen er Regatten fuhr. Er verkehrte mit Freunden
und Bekannten, und den [2][Impressionisten] griff er finanziell unter die
Arme. Künstlerisch war er eher ein Einzelgänger, dessen überragende
Bedeutung erst seit einigen Jahren erkannt wird.
Wie um den eigenen Ausstellungstitel zu konterkarieren, haben die Pariser
Ausstellungsmacher ein Breitformat ans Ende gehängt: Da räkelt sich eine
nackte Frau auf einem geblümten Sofa. Was das bedeuten könnte, bleibt jedem
Besucher selbst überlassen.
24 Nov 2024
## LINKS
[1] /Gemaelde-Tausch-mit-Chicago/!5600184
[2] /100-Jahre-Museum-Folkwang-in-Essen/!5835286
## AUTOREN
Bernhard Schulz
## TAGS
Kunst
Schwul
Paris
Impressionismus
Social-Auswahl
Moderne Kunst
Schwerpunkt LGBTQIA
Künstlerinnen
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Impressionismus
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