Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kompromiss oder Konfrontation?: Flexible Mehrheiten werden nötiger…
> Schluss mit peitschender Abgrenzung – Friedrich Merz versetzt sich
> langsam in den Verhandlungsmodus, das ist keine schlechte Entwicklung.
Bild: Ein nachdenklicher Kanzlerkandidat: Friedrich Merz (CDU)
Hören Sie es auch? Wie Friedrich Merz von Interview zu Interview
vorsichtiger wird, geradezu nachdenklich? Dem Kanzlerkandidaten der Union
ist bestimmt aufgefallen, dass er demnächst mit dem einen oder anderen
Mitglied der aktuellen Regierung zusammenarbeiten dürfte. Und nicht nur das
– er könnte sogar vor denselben Problemen stehen, Stichwort Schuldenbremse.
Was deren notwendige Aufweichung angeht, [1][so setzt Merz darauf], dass
AfD und BSW im nächsten Bundestag schon nicht das Stimmendrittel
zusammenbringen werden, mit dem sie eine Grundgesetzänderung verhindern
könnten. Mit den übrigen mehr als zwei Dritteln aber kann er sich durchaus
gemeinsame Schuldenbremsen-Umbauten vorstellen, sagt Merz. Der Kandidat
versetzt sich also langsam in den Verhandlungsmodus, den es halt braucht,
wenn man mehr als nur die engste Gefolgschaft hinter einem Ziel versammeln
möchte. So was kennt er bisher ja gar nicht.
Kleineren Kooperationen mit der Ex-Ampel-Truppe (Abschaffung
Lieferkettengesetz, solche Dinge) noch vorm Wahltag will Merz sich auch
nicht verschließen. Wahrscheinlich begreift er das als Trainingslager nach
dem Motto: „Reden mit dem politischen Gegner (für Einsteiger)“.
Wenn es nach manchem Politikberater ginge, liefe das Trainingslager
allerdings noch länger – bis zum ursprünglichen Wahltermin im September.
„Es wäre eine gute Chance gewesen, Regieren mit wechselnden Mehrheiten zu
üben“, sagt Robert Vehrkamp von der Bertelsmann-Stiftung. Vehrkamp gehört
zu den WissenschaftlerInnen und ThinktankerInnen im Hauptstadtbetrieb, die
sich über die Ampel – „die erste lagerübergreifende
Drei-Parteien-Koalition!“ – als neue demokratische Spielart gefreut hatten.
## Sehnsuchtsanfälle anlässlich der Merkel-Biografie
Die zunehmende Zersiedelung der Parteienlandschaft erzwingt es nach
Vehrkamps Meinung geradezu, dass die demokratischen und regierungswilligen
Parteien (er zählt die FDP dazu, das sollte man vielleicht erwähnen) sich
auch in wechselnden Bündnissen zu arrangieren lernen. Das Wort
„Minderheitsregierung“ möchte er gar nicht verwenden, es klingt ihm zu sehr
nach Schwäche. Dabei stecke im „Regieren mit flexiblen Mehrheiten“ doch
etwas viel Größeres als das starre, herkömmliche Stabilitätsdenken: Das
Erstellen eines immer neuen demokratischen Konsenses darüber, was alle
voran bringt. Was nötig ist.
„Die Temperatur der Polarisierung zwischen den Parteien der demokratischen
Mitte ist viel zu hoch“, meint Vehrkamp – der gerade gängige Ton der
peitschenden Abgrenzung entspreche doch gar nicht dem zweidrittelhaften
Grundbedürfnis nach Mittigkeit, das sich überall niederschlage (diese Woche
etwa im kollektiven Merkel-Sehnsuchtsanfall anlässlich ihrer
[2][Biografie-Festspiele]).
BerufspolitikerInnen verdrehen nun sofort die Augen, wenn sie solche Rufe
nach Flexibilisierung der Mehrheitsbeschaffung hören. Gesetzgebung ist ja
bisher schon eine anstrengende Pest – und dann noch mit der Opposition
verhandeln?! Himmel hilf, auf so was können nur TheoretikerInnen kommen
oder VertreterInnen von originellen Minderheiten (lesen Sie dazu auch
[3][unser Interview mit dem SSW-Abgeordneten Stefan Seidler] auf Seite 4).
Doch nach und neben der Aufregung über das Platzen der Koalition, den
Wahlterminstreit, das SPD-Kanzlerkandidatentheater und die jeweils
[4][aktuelle Umdrehung der FDP-Selbstzerrüttungsstrategie] schlägt
vielleicht jetzt auch die Stunde derer, die im quälend-unterhaltsamen
Gesamtspektakel eine Möglichkeit für mehr Demokratie finden wollen. Das ist
doch eigentlich schön. Und wenn Merz noch nachdenklicher wird, lässt er
sich davon vielleicht sogar noch inspirieren.
30 Nov 2024
## LINKS
[1] https://www.deutschlandfunk.de/cdu-chef-merz-lehnt-aenderungen-an-schuldenb…
[2] https://www.zdf.de/politik/maybrit-illner/angela-merkel-bei-maybrit-illner-…
[3] /Wahlkampf-als-Kleinstpartei/!6049703
[4] https://www.spiegel.de/politik/ampel-aus-fdp-veroeffentlicht-d-day-papier-a…
## AUTOREN
Ulrike Winkelmann
## TAGS
Ampel-Koalition
Friedrich Merz
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Kolumne Ernsthaft?
Social-Auswahl
Kolumne Ernsthaft?
Neuwahl
Friedrich Merz
FDP
Focus
Friedrich Merz
## ARTIKEL ZUM THEMA
Bayrische Sonderrechte: Ein Vorschlag für die weitere Söderisierung der Union
Wenn die Weltgesamtlage keine seriöse Planung zulässt, hat ein Meister der
Unseriosität einen Vorteil. Zeit für CDU und CSU zu fusionieren.
Anbrechender Wahlkampf: Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Unserer Kolumnistin fällt es schwer, in den Wahlkampf-Wahrnehmungsmodus zu
kommen. Hier versucht sie es trotzdem.
Schuldenbremse-Debatte in Union: Die Bredouille um die Bremse
Selbst die Union und Kanzlerkandidat Merz debattieren jetzt über die Reform
der Schuldenbremse. Wie realistisch sind die möglichen Varianten?
Ampel-Intrige der FDP: Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Ein internes Papier legt nahe, dass die FDP-Spitze über ihre Vorbereitungen
zum Ampel-Aus gelogen hat. Lindner und Co sind jetzt in Erklärungsnot.
Falschmeldung bei Focus Online: Fiese Frauen mit Schürhaken gegen Merz
„Focus Online“ hat fälschlich berichtet, die SPD plane eine Kampagne mit
Frauen, die Angst vor Merz haben. Das bringt vor allem Frauen in
Misskredit.
Schuldenbremsen-Dogma bröckelt: Auch Merz braucht Geld
Der Oppositionsführer rückt schon mal von der Schuldenbremse ab. Es könnte
aber sein, dass im nächsten Bundestag die Mehrheit dafür fehlt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.