# taz.de -- Algerischer Schriftsteller verschwunden: Der Schriftsteller Boualem… | |
> Der in Frankreich lebende algerische Schriftsteller Boualem Sansal wurde | |
> in Algier verhaftet. Seitdem haben weder Familie noch Freunde von ihm | |
> gehört. | |
Bild: Boualem Sansal auf der Pariser Buchmesse | |
Madrid taz | Der 2011 mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels | |
ausgezeichnet algerische Schriftsteller Boualem Sansal wurde am 16. | |
November bei der Ankunft auf dem Flughafen in Algier verhaftet. Seither | |
haben weder Angehörigen noch Freunde Nachricht von ihm erhalten. | |
In Frankreich, wo seine Bücher beim renommierten Verlag Gallimard | |
herausgegeben werden, macht sich Sorge breit. Zahlreiche Politiker, das | |
PEN-Zentrum und sogar Präsident Emmanuel Macron zeigen sich „besorgt“. „… | |
Staatsoberhaupt möchte seine unerschütterliche Verteidigung der Freiheit | |
eines großen Schriftstellers und Intellektuellen zum Ausdruck bringen“, | |
heißt es in einem offiziellen Kommuniqué aus dem Élysée-Palast. Aus | |
Algerien gibt es keinerlei Antworten auf die Frage, warum er verhaftet | |
wurde und wo er sich befindet. | |
Der bei den Lesern in Europa beliebte Sansal macht sich in seiner Heimat | |
Algerien und in der restlichen arabischen Welt nicht nur Freunde. Er | |
kritisiert unter anderem den Islamismus als politisch-radikale Auslegung | |
der Religion und den Islam selbst. Ganz im Stile der französischen | |
Aufklärer verficht er das freie, kritische Denken. | |
## Sansal kritisiert den Islamismus und den Islam | |
[1][Das erste Werk des verheirateten Vaters zweier Töchter – „Der Schwur | |
der Barbaren“] – handelt von der Gewalt der 1990er und 2000er Jahre in | |
seiner Heimat, immer wieder behandelt er die undurchsichtigen | |
Machtstrukturen aus Militär und politischen Clans. „Gott, wo sind wir nach | |
all den Jahren des Schweigens?“, fragt er seine Landsleute in der | |
politischsten Streitschrift „Postlagernd Algier“. Es ist ein Weckruf an | |
seine Mitbürger. In „2084 – Das Ende der Welt“ entwirft Sansal eine völ… | |
vom Islamismus kontrollierte Gesellschaft. Er nimmt den Faden George | |
Orwells auf und spinnt ihn gekonnt ein ganzes Stück weiter. Was dabei | |
herauskam, ist das fiktive islamistische Land Abistan. Der Islamismus ist | |
für Sansal „eine echte faschistische Ideologie“. | |
Sansal traut sich immer wieder weit nach vorn – in „Das Dorf des Deutschen�… | |
gar an die Aufarbeitung des Holocaust, der in der arabischen Welt oft nur | |
allzu unkritisch gesehen wird. Sansal reiste 2012 nach Israel und brach | |
damit ein Tabu, das sich arabische Intellektuelle sonst auferlegen lassen. | |
[2][Er wurde 1949 in einem kleinen Bergdorf in Nordalgerien als Sohn eines | |
marokkanischen] Vaters und einer algerischen, von französischer Kultur | |
geprägten Mutter geboren. Bald schon zog die Familie nach Algier. 1992 | |
gewannen die Islamisten die ersten freien Wahlen in Algerien. Die Armee | |
brach den Wahlprozess ab. Das Land versank in einer Welle der Gewalt, die | |
über 200.000 Menschenleben fordern sollte. Sansal, damals ein hoher Beamter | |
im Industrieministerium, konnte monatelang seine Wohnung in Boumerdés, 50 | |
Kilometer östlich von Algier, nicht verlassen. Er begann zu schreiben. Was | |
dabei herauskam, war 1999 das preisgekrönte Erstlingswerk „Der Schwur der | |
Barbaren“. 2003 wurde er aus dem Staatsdienst entlassen. | |
[3][Als Intellektueller und unbequemes Gewissen Algeriens macht Sansal], | |
der 2019 gegen Bouteflikas fünfte Amtszeit protestierte, den Spagat | |
zwischen der arabischen Welt und dem Westen und beteiligt sich an Debatten | |
über Libyen, Islamismus in Frankreich und den Nahostkonflikt. Trotz | |
Anfeindungen und Drohungen hat er seiner Heimat nie den Rücken gekehrt. Wo | |
sein Platz in der dortigen Gesellschaft sei: „Den gibt es nicht“, ist sich | |
Sansal dennoch sicher. „ Vielleicht dulden sie uns als eine Art Narren“, | |
hofft er. Jetzt ist er verschwunden. | |
24 Nov 2024 | |
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## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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