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# taz.de -- Preisgekrönter Autor Boualem Sansal: Der Wahrheitssucher
> Der Algerier Boualem Sansal sucht in seinem neuen Roman „Rue Darwin“ nach
> den Wurzeln seines Landes. Fündig wird er in einem Viertel seiner
> Heimatstadt Algier.
Bild: Alltagsszene in Belcourt, einem Viertel in Algier.
Das Anliegen ist einfach und schwer zugleich: „Alles ist sicher im Leben,
das Gute, das Böse, der Tod, die Zeit und alles andere, außer der Wahrheit.
Doch was ist die Wahrheit?“, fragt der algerische Schriftsteller Boualem
Sansal in seinem neuesten Roman.
Der Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels nimmt uns mit in
die „Rue Darwin“, die Straße seiner Kindheit, nach Belcourt, einem
einfachen Stadtteil Algiers, in dem noch immer drei Religionen miteinander
leben, in dem die Straßen nach französischen Generälen, nach
Schriftstellern und Intellektuellen benannt sind, wo der Rabbiner um die
Ecke die Autoritätsperson aller ist. In das Viertel von Albert Camus und
damit in ein Land, das die letzten Jahre vor seiner Unabhängigkeit – die in
einem traumatischen Krieg geboren werden sollte – durchlebt. Sansal sucht
seine Wurzeln, die seiner Familie, eines Clans und die eines ganzen Landes.
„Geh, kehre zurück in die Rue Darwin“, sagte die innere Stimme, als Sansal
vor nunmehr vier Jahren am Sterbebett seiner Mutter stand. Und er tut es.
„Ich habe nie mit ihr ausführlich gesprochen“, gesteht er in einem
Interview, woher die innere Unruhe kommt, die ihn trieb, sein neuestes Werk
zu schreiben. Es geht um die Kindheit, um die verlorene Kindheit des
kleinen Yazid.
## Wer ist diese Mutter?
Aufgewachsen in einem weit verzweigten Stamm, geführt von Großmutter Djeda,
die ein Imperium aus mehreren Bordellen in Nordafrika und Frankreich
verwaltet, wird das Kind Zeuge von Reichtum und Elend zugleich. Seine
Mutter verlässt den Clan, zieht nach Algier und holt irgendwann den kleinen
Yazid nach. Doch wer ist diese Mutter? Was ist ihre wahre Geschichte, die
sie immer verschwieg, war sie zu peinlich, sie zu erzählen?
Yazid fühlt sich als Komplize und Opfer zugleich in dieser Operation der
Verdunkelung und versucht Licht hineinzubringen. „Nicht nur, dass ich meine
Wurzeln nicht kenne, nicht weiß, wer mein Vater, meine Mutter, meine Brüder
und Schwestern sind, ich weiß auch nicht, welche Welt meine Erde ist und
welche wirkliche Geschichte meinen Geist genährt hat“, konstatiert Sansal.
Auch wenn dieses Buch literarisch nicht ganz so brillant ist wie Sansals
frühere Werke, sei ihm das verziehen. Denn es ist ein mutiges, sehr intimes
Buch. Sansal zeichnet einmal mehr ein detailliertes, vielschichtiges Mosaik
der Realität eine Landes, das immer wieder im Blutrausch versinkt.
Es ist die Geschichte des Umbruchs, wo nichts wahr zu sein scheint, nichts
Halt bietet. Der Clan kämpft um seinen Einfluss, der kleine Yazid ums
Überleben in einer Welt, die er längst nicht mehr versteht. Der erwachsene
Yazid, der sich zurückerinnert, sucht nach Spuren, den Freunden seiner
Kindheit. Sucht nach Erklärungen und nach der Antwort auf die Frage, woher
er kommt und warum er ist, wie er ist – „eine Art Zeugnis. Ich gehörte ins
Museum.“
9 Oct 2012
## AUTOREN
Reiner Wandler
Reiner Wandler
## TAGS
Religion
Boualem Sansal
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