| # taz.de -- Algerischer Schriftsteller in Haft: Solidarität mit Boualem Sansal | |
| > In Leipzig gab der PEN Deutschland Einblick in das Schaffen des | |
| > algerisch-französischen Autors. Es mehren sich Stimmen, die Sansals | |
| > Freilassung fordern. | |
| Bild: Boualem Sansal, April 2024 | |
| Genau weiß man es immer noch nicht, auch über zwei Wochen [1][nach der | |
| plötzlichen Verhaftung Boualem Sansals auf dem Flughafen in Algier,] was | |
| der sich eigentlich hat zuschulden kommen lassen. Es war viel von | |
| verletzten Nationalgefühlen die Rede, die staatliche algerische | |
| Nachrichtenagentur bezeichnete den Schriftsteller als | |
| „Pseudointellektuellen“, der unterstützt würde von der ganzen | |
| „antialgerischen“, „prozionistischen“ Szene Frankreichs. Sansal, dem nun | |
| jahrelange Haft droht, kritisiert seit Jahren die Zustände in Algerien | |
| sowie die drohende Gefahr durch Islamismus. | |
| Zum Vollzeitschriftsteller wurde der heute 75-Jährige dabei erst 2003. | |
| Damals führte das Erscheinen seines ersten Romans, „Der Schwur der | |
| Barbaren“, eines Politkrimis über Macht und Korruption, aus dem der schöne | |
| Satz „wenn’s am Bau stockt, läuft alles wie geschmiert“ stammt, zum | |
| Rauswurf des Ökonomen Sansals aus dem Staatsdienst. | |
| Bei einer Solidaritätsveranstaltung, zu der das PEN-Zentrum Deutschland | |
| spontan am Dienstagabend ins Literaturhaus Leipzig einlud, liest Carmen | |
| Laux aus diesem und anderen Romanen Sansals. Ebenfalls auf dem Podium | |
| sitzt seine Übersetzerin Regina Keil-Sagawe, die auch „Das Dorf des | |
| Deutschen“ übersetzt hat, in dem Sansal dem Holocaust in Nordafrika | |
| nachspürt. In [2][„2084“] wendet sich der Schriftsteller wiederum der | |
| Zukunft zu und entwirft einen dystopischen Gottesstaat, „Abistan“, in dem | |
| Überwachung und Orwell’scher Neusprech das Denken des folgsamen Bürgers | |
| lenken. | |
| Sansal, das wird deutlich anhand der literarisch bearbeiteten Themen und | |
| Komplexe, ist ein kritischer Geist und kein Freund von einfachen Antworten. | |
| Obwohl oft auf seine Islamismuskritik reduziert, sei er ein Autor, der die | |
| gesamte Integrität seines Landes in Zweifel ziehe, sagt [3][der | |
| Schriftsteller Najem Wali.] So nimmt er es in „Postlagernd: Algier“ mit dem | |
| Mythos auf, Algerien sei arabisch, erklärt der Literaturwissenschaftler | |
| Alfonso del Toro, dem „Märchen von Rasse, Religion oder Herkunft“, wie es | |
| im Buch heißt. Islamismus, Holocaust, auch mit Homosexualität hat sich | |
| Sansal beschäftigt, also kaum ein Tabu ausgelassen. Bis zuletzt hat er in | |
| Algerien gewohnt, obwohl seine Texte dort nicht erscheinen konnten. | |
| ## Die Westsahara-Frage | |
| Najem Wali glaubt, dass der Zeitpunkt für seine Verhaftung entscheidend | |
| war. Sansal habe mit seinen jüngsten Äußerungen zur Grenzziehung zwischen | |
| Algerien und Marokko den Streit zwischen Frankreich und Algerien weiter | |
| angeheizt, der aktuell über die Westsahara-Frage entbrannt ist, sagt er. | |
| Sansal, der neben der algerischen auch die französische Staatsbürgerschaft | |
| besitzt, hatte zuletzt in Frankreich ausgerechnet dem als rechtsextrem | |
| geltenden Onlineformat Frontières ein Interview gegeben. Seine seit Jahren | |
| vorgetragene Kritik am Islamismus sei für die französische Rechte ein | |
| gefundenes Fressen, sagt Wali. Und auch Alfonso del Toro erzählt, dass | |
| Sansals Freunde immer wieder in ihn drangen, doch keinen Applaus von der | |
| falschen Seite zu akzeptieren. | |
| Wali betont, dass es jetzt darum gehe, Sansal freizubekommen. Er verteidige | |
| das Recht auf freie Meinungsäußerung. Wali ist Vizepräsident des | |
| PEN-Zentrums Deutschland und setzt sich als Writers-in-Prison-Beauftragter | |
| für die Freilassung inhaftierter Schriftsteller:innen ein. Er nehme | |
| diese Aufgabe sehr ernst, sagt er. Was es bedeutet, in Gefangenschaft zu | |
| sein, weiß der aus dem Irak stammende Autor zudem aus eigener Erfahrung. | |
| Nachdem er vom irakischen Militärdienst desertiert war, war er in Saddam | |
| Husseins Folterkellern interniert. | |
| Boualem Sansal wurde einem größeren Publikum in Deutschland bekannt, | |
| [4][als er 2011 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt.] Es | |
| mehren sich auch hierzulande die Stimmen, die seine Freilassung fordern. | |
| Einen Aufruf dazu, aufgesetzt von der Geschäftsstelle des Friedenspreises | |
| und dem Online-Magazin Perlentaucher, haben zahlreiche Autor:innen, | |
| Friedenspreisträger:innen und vier | |
| Literaturnobelpreisträger:innen unterzeichnet. | |
| 5 Dec 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Julia Hubernagel | |
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