# taz.de -- Debütalbum von Zaho de Sagazan: Elektronisch zu Tränen gerührt | |
> Chansonstar Zaho de Sagazan veröffentlicht sein Debütalbum „La Symphonie | |
> des Éclairs“ als erweiterte Fassung. Wieso die 24-Jährige in aller Munde | |
> ist. | |
Bild: Konzert von Zaho De Sagazan im Metropol in Berlin im Oktober 2024 | |
In einer Welt, in der Édith Piaf, Charles Aznavour und Georges Brassens zu | |
den tonangebenden Stimmen zählen, ist ein neuer Stern aufgegangen: Zaho de | |
Sagazan wirbelt als progressivste Chansonsängerin die französischsprachige | |
Popwelt durcheinander. [1][Während ihrer Jugend habe sie nämlich nicht nur | |
die Wortspiele der legendären Sängerin Barbara] zu Tränen gerührt, mit | |
mindestens ebenso großer Begeisterung hat sich die 24-Jährige [2][auf die | |
Musik von Kraftwerk] gestürzt. | |
Deshalb spazieren auf ihrem Debütalbum „La symphonie des éclairs“ | |
elektronische Klänge und chansoneske Momente engumschlungen. Dafür wurde | |
ihr Debüt in der Heimat bereits preisgekrönt: mit dem Victoire de la | |
Musique. | |
Nun erscheint eine Deluxe-Version namens „La symphonie des éclairs (Le | |
dernier des voyages)“ – aufgepeppt mit gleich sieben neuen Songs. Allein | |
das macht deutlich: Das Talent ist gerade nicht zu stoppen. Bei den | |
Filmfestspielen in Cannes oder zur Abschlussfeier der Olympischen | |
Sommerspiele, wo sie Édith Piafs „Sous le ciel de Paris“ gesungen hat, | |
momentan gibt es kein Entkommen. | |
## Stimmungsaufheller für die Tanzfläche | |
Vor allem bei ihren Konzerten funktionieren Zaho de Sagazans elektronisch | |
grundierte Hymnen als Stimmungsaufheller, weil sie zum Tanzen einladen. Die | |
Französin ist auf der Bühne ein Energiebündel. Dabei lohnt es sich | |
durchaus, genauer auf ihre Songtexte zu achten. „Ne te regarde pas“ ist ein | |
Plädoyer für Selbstachtung und Freiheit. | |
Die Beats sind eine reflektierte Auseinandersetzung mit Technopop. | |
„Aspiration“ knüpft an eine Phase an, in der die Französin anscheinend zu | |
viel gekifft hat. Mit diesem Track könnte man einen Rave eröffnen. Mal | |
schraubt sich der Gesang in die Höhe, mal wirkt er wie von einem Computer | |
generiert. So selbstbewusst der Sound oft ist, so zweifelnd sind teilweise | |
die Inhalte. Nicht selten singt die ehemalige Altenpflegerin über die Höhen | |
und Tiefen der Liebe. | |
Ein bisschen schräg ist das schon. Schließlich behauptet die Tochter einer | |
Lehrerin und eines Künstlers, aufgewachsen in Saint-Nazaire bei Nantes, | |
sie sei noch nie verliebt gewesen. Dennoch kommt ihr in der melancholischen | |
Klavierballade der Satz „Dis-moi que tu m’aimes“ erstaunlich leicht über | |
die Lippen. Da entspinnt sich sogar echte Sehnsucht. Chapeau – das ist | |
Chanson par excellence! | |
## Als Kind häufig geweint | |
Womöglich ist sie dank ihrer Hypersensibilität einfach empfänglicher für | |
Stimmungen und große Gefühle. Auf jeden Fall hat sie als Kind häufig | |
geweint. Wer die neuen Songs anhört, bleibt automatisch bei „Old Friend“ | |
hängen. Sanfte Klavierklänge führen an das verträumte Duett mit dem | |
britischen [3][Kollegen Tom Odell] heran. | |
Hier treffen zwei Singer-Songwriter aufeinander, die zwischen Französisch | |
und Englisch hin und her pendeln. So feiern sie ihre Freundschaft. In | |
diesen recht minimalistischen Stück kommt Zaho de Sagazans Gesang gut zur | |
Geltung. | |
Thematische Brüche gibt es auch. „Hab Sex“ ist nicht nur wie gemacht für | |
den Club, die talentierte Künstlerin, die zumindest in ihrer Heimat binnen | |
kürzester Zeit zum Star wurde, streut Textbrocken auf Deutsch ein. | |
Vielleicht als Hommage an ihre Zeit in Berlin. | |
„Le dernier de voyages“ inszeniert sie dagegen als authentische | |
Chansonnière, bevor die Beats zu wummern beginnen. Solche Stimmungswechsel | |
machen die Songs noch ein bisschen interessanter. Umso neugieriger ist man, | |
wie sich Zahos Karriere entwickeln wird. Eins kann gewiss niemand | |
bestreiten: Dass Zaho de Sagazan tatsächlich eine unverwechselbare | |
Künstlerin ist. | |
29 Oct 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Portraet-der-Chansonlegende-Barbara/!5465642 | |
[2] /Neue-Buecher-ueber-Kraftwerk/!5989868 | |
[3] /Heul-Shootings-und-Cry-Partys/!6025807 | |
## AUTOREN | |
Dagmar Leischow | |
## TAGS | |
Chanson | |
Schwerpunkt Frankreich | |
Nachwuchs | |
Popmusik | |
Leipzig | |
Ausgehen und Rumstehen | |
Social Media | |
Popkultur | |
Chanson | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Musikfestival in Marseille: Das Recht auf musikalische Freiheit | |
Feministischer Samba, karibische Coolness, sachtes Abrücken von der | |
Hegemonie angloamerikanischer Musik: Eindrücke vom Festival Babel in | |
Marseille. | |
DIY-Musikszene Leipzigs: Zwischen Aufbruch und Verdrängung | |
Neue Alben von Shed Ballet, Afar Odea und Fastmusic aus Leipzig zeigen | |
vielfältigen Sound, der trotz prekärem Freiraum der wachsenden Stadt | |
gedeiht. | |
Heiliger Bimbam: Als ich Frank Castorf ein Fahrrad geklaut habe | |
Zwei Spaziergänge, ein skurriler Traum und ein Theater-Skandal haben das | |
Wochenende unserer Autorin geprägt. Schön war es meistens trotzdem. | |
Heul-Shootings und Cry-Partys: Ein Club für alle, die gern weinen | |
Einige weinen wegen Liebeskummer, andere wegen der Deutschen Bahn. Eine | |
Studentin aus Lüneburg will Tränen in der Öffentlichkeit salonfähig machen. | |
Neue Bücher über Kraftwerk: Auf der Autobahn | |
Zwei neue Bücher widmen sich den Elektronikpionieren Kraftwerk: Eine | |
Liebeserklärung eines Fans und eine musikologische Dissertation eines | |
Musikers. | |
Porträt der Chansonlegende Barbara: Versöhnung per Lied | |
Vor 20 Jahren starb die französische Diseuse Barbara. Ein Hommage-Album | |
erinnert an ihre Lebensgeschichte und ihren Song „Göttingen“. |