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# taz.de -- Proteste in Bosnien und Herzegowina: Auf die Straße gegen Wahldisk…
> In Sarajevo demonstrierten am Donnerstag Abend Hunderte gegen den Hohen
> Repräsentanten. Der will ein EGMR-Urteil gegen Wahldiskriminierung
> anfechten.
Bild: Der internationale Hohe Repräsentant Bosniens Christian Schmidt während…
Sarajevo taz | „Christian Schmidt muss weg,“ forderten am Donnerstagabend
Hunderte von Bürgern Sarajevos. Der Unmut über den Hohen Repräsentanten der
internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina hat in Sarajevo
einen erneuten Höhepunkt erreicht. Es demonstrierten nämlich die
Vereinigung unabhängiger Intellektueller „Krug 99“, die in der Stadt
einflussreich sind, weil sie die nichtnationalistische, multinationale und
multireligiöse Tradition des Landes hochhalten.
Schmidt versuche alles, diese Tradition zu zerstören. Jetzt wolle er sogar
Einfluss auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in
Straßburg nehmen, um das dort schon gefällte Urteil zugunsten der Kläger zu
kippen.
Im Mittelpunkt des Protestes steht Slaven Kovačević, dessen
[1][Rechtsstreit über Wahldiskriminierung] zu dem erneut wegweisenden
Urteil des EGMR geführt hatte. Schon einige Kläger zuvor – wie die
Repräsentanten der Juden und Roma schon vor 15 Jahren – geht es mit ihren
Klagen um die Bürgerrechte und das Wahlrecht. Bisher hat es trotz dieser
Urteile keine Änderungen gegeben.
Seine juristische Argumentation konzentriert sich auf die Tatsache, dass er
als Einwohner der Föderation Bosnien und Herzegowina nur für bosniakische
oder kroatische Präsidentschaftskandidaten stimmen konnte, eine
Einschränkung, die der EGMR auch in seinem Fall als diskriminierend
eingestuft hat. Das derzeitige System begünstige die herrschenden
politischen Eliten und halte die ethnischen Spaltungen aufrecht, „die unser
Land seit Jahrzehnten plagen“, erklärte Kovačević vor den Demonstranten.
Die Urteile in Straßburg riefen aber Proteste bei den Eliten [2][und
Extremisten der nationalistischen Parteien der Kroaten und Serben] hervor.
Denn die Bevölkerungsmehrheit aus Bosniaken, den nicht national definierten
„Anderen“, den Minderheiten und der Zivilgesellschaft steht hinter dem
Straßburger Urteil. Sie wollen, dass alle Bürger des Landes gleiche Rechte
haben. Bei Wahlen in einem gleichberechtigten System wären diese Bürger in
der Mehrheit.
Die Nationalisten dagegen wollen kollektive Rechte im Verfassungssystem für
ihre Bevölkerungsgruppen und damit ihre eigene Macht erhalten. Sollten die
kollektiven Rechte beschnitten werden, drohen sie mit der Zerstörung des
Landes.
## Christian Schmidt in der Kritik
Im Zentrum des Protests in Sarajevo steht Schmidts Position in diesem Fall.
Denn Schmidt stellt sich nach Meinung der Demonstrierenden auf die Seite
der Nationalisten, indem er sich mit Hilfe teurer Anwälte versucht, in das
EGMR-Urteil einzumischen.
Damit verlässt er die Position, als Hoher Repräsentant der internationalen
Gemeinschaft überparteilich zu sein, und in dieser Funktion Frieden und
Stabilität in Bosnien und Herzegowina zu gewährleisten. Für Kovačević
stellt sich Schmidt hinter Systeme, „die auf Völkermord und gemeinsamen
kriminellen Unternehmungen aufgebaut wurden.“
[3][Auch, dass Schmidt kürzlich den Massenmörder und vom
UN-Strafgerichtshof] in Den Haag als Kriegsverbrecher verurteilten
ehemaligen bosnisch-serbische General Ratko Mladić auf die gleiche Stufe
mit dem ehemaligen Präsidenten Bosnien und Herzegowinas gestellt hat,
führte zu Kritik.
Die Demonstranten hielten Transparente und Schilder hoch, auf denen ein
Ende von Schmidts Amtszeit gefordert wurde. Diese Kritik trägt zur
wachsenden Unzufriedenheit vieler Bürger bei, die das Gefühl haben, dass
Schmidt die Bemühungen um den Aufbau eines diskriminierungsfreien,
bürgerlichen Staates untergräbt.
18 Oct 2024
## LINKS
[1] /Europaeischer-Gerichtshof-zu-Bosnien/!5954758
[2] /Krise-in-Bosnien-und-Herzegowina/!5820225
[3] /Voelkermord-im-Bosnien-Krieg/!5921516
## AUTOREN
Erich Rathfelder
## TAGS
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