# taz.de -- Verkehrswende auf der Mobilitätsmesse: Euphorische Zukunft und dun… | |
> Nach „Beam-Me-Up-Feeling“ auf der Verkehrsmesse folgt die Pipi-Trübsal | |
> der realen Unterführung. Aber wo entlang geht's zur Zukunft? | |
Bild: Züge mit Toiletten so groß, dass sich eine Yogagruppe bequem darin umzi… | |
Ich habe die Zukunft gesehen: auf der InnoTrans, der weltgrößten | |
Mobilitätsmesse, auf dem Messegelände in Berlin. Enthusiastische Männer | |
präsentierten Züge mit Wasserstoffantrieb, mit saisonal umrüstbaren | |
Mehrzweckabteilen, mit Toiletten so groß, dass sich eine Yogagruppe bequem | |
darin umziehen könnte. Ich versuchte nicht einzuschlafen auf bequemsten | |
Sitzen samt ausklappbaren Fußstützen, Tischchen und Lehnen, stand in | |
modernen Führerständen in Baroptik und augenschonender Beleuchtung und lief | |
an einem kleinen, autonom fahrenden Rufbus vorbei. | |
Ich lernte, wie Bahnantrieb via recycelter Autobatterien gelingt und mit | |
welcher Technik künftig im Vorbeifahren ausgelesen werden kann, dass das | |
Bordbistro demnächst Wassernachschub braucht, dass in Wagen 3 noch viele | |
Plätze frei sind und die Klimaanlage nachgestellt werden muss. Schwer | |
beeindruckt landete ich in einer Straßenbahn, bei der sogar die Schienen | |
virtuell sind: Lediglich auf die Fahrbahn gemalt, liest der Zug sie aus und | |
kann bei möglichen Hindernissen ausweichen. Auf dem Weg nach draußen | |
[1][stieg ich in das Modell eines Hyperloop]s. Die Kapsel atmete einen | |
Hauch Raumschiff Enterprise und blieb zwar offen, der Countdownzähler zum | |
Start unserer virtuellen Tour von München nach Frankfurt in zehn Minuten | |
lief aber schon. | |
Diese Verkehrswende fühlte sich ziemlich technisch an, aber vielleicht | |
überzeugt gerade das? Die Entwicklung ist „Beam me up“ inzwischen viel | |
näher, als der abwegigen Idee, [2][dass Menschen ihre 75 Kilogramm | |
Eigengewicht in 1.500 Kilogramm schweren, gefährlichen Maschinen] durch | |
bewohntes Gebiet fahren. Und „bequem“, das Lieblingsschlagwort aller | |
Autoenthusiasten, ist es auch, alles abgenommen zu bekommen: Nicht mal | |
selbst fahren braucht man so einen Zug! | |
Optimistisch trat ich in den strömenden Regen vor der Tür. Mein Begleiter | |
schlug vor, unsere Räder mit in die S-Bahn zu nehmen. Dazu mussten wir | |
lediglich zweihundert Meter laufen und durch eine Unterführung auf die | |
andere Straßenseite gelangen. Die Rolltreppen auf beiden Seiten | |
funktionierten schon so lange nicht, dass selbst das Graffiti auf den | |
Stufen abgetreten war. Das Deckenlicht flackerte, alte und aktuelle | |
Urinlachen markierten Weg und Luft. Unsere Schritte hallten. Dies war ein | |
idealer Ort, um schreckliche Krimiszenen zu drehen und ein schauriges | |
Symbol für aktuelle Mobilitätsgestaltung: über uns eine fünfspurige | |
Autostraße, hier unten Pipi-Grusel-Trübsal für alle anderen | |
Verkehrsteilnehmer. Wir liefen mutig weiter, die S-Bahn als klares Ziel vor | |
Augen. Die tat uns den Gefallen und kam. Pünktlich, leer genug zur | |
Fahrradmitnahme und schnell. Bei meiner Station angekommen, hatte es | |
aufgehört zu regnen. Ich radelte die letzten Meter nach Hause. | |
Keine Ahnung, ob die Zukunft der Mobilität nun in kleinen, durch Röhren | |
geschossenen Kapseln besteht oder doch eher in ruhigen Begegnungszonen | |
voller Blumen und Biobikes. Hauptsache keine dunklen | |
Autostraßenunterführungen mehr. | |
20 Oct 2024 | |
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## AUTOREN | |
Kerstin Finkelstein | |
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