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# taz.de -- Straßenbahn-Pläne in Lübeck: Verwaltung sperrt sich gegen Schiene
> Eine Straßenbahn in Lübeck ist realistisch, das ergab ein von der Stadt
> beauftragtes Gutachten. Die Verwaltung will das Projekt trotzdem
> beerdigen.
Bild: Hier könnte in Zukunft eine Straßenbahn fahren: Lübecker Innenstadt
Hamburg taz | Dass eines Tages wieder Straßenbahnen zwischen den schmucken
Backsteinfassaden rollen könnten – immerhin darüber herrscht nun in Lübeck
Einigkeit. Mehrere Linien würden in der 220.000-Einwohner:innen-Stadt dafür
sorgen, die dringend nötige Verkehrswende sprunghaft voranzutreiben. Zu
diesem Ergebnis kommt das dänische Ingenieurberatungsunternehmen Rambøll,
das im Auftrag der Stadt eine Potenzialanalyse vorgenommen und Ende
September vorgelegt hat.
Nur: Seither steht zugleich im Raum, diese Idee fallen zu lassen und
jegliche weitere Untersuchungen zu stoppen. „Wir sind jetzt mitten in der
heißen Diskussionsphase“, sagt Lutz Kuwalsky vom Verein „Tram für Lübeck…
Wohl noch im November wird die Lübecker Bürgerschaft, das Stadtparlament,
eine richtungsweisende Entscheidung fällen.
Konkret untersucht wurde, ob ein Straßenbahnnetz mit vier Linien in Lübeck
entstehen könnte. Die Linien mit einer Länge von zusammen genommen rund 40
Kilometern würden die Altstadtinsel und den Hauptbahnhof im Zentrum mit Bad
Schwartau im Norden, dem Uniklinikum im Süden sowie mit dichter bewohnten
Stadtteilen im Westen und Osten verbinden – dort entlang also, wo „eine
hohe potenzielle Fahrgastnachfrage besteht“, wie es in der Analyse heißt.
Dem von der Stadt selbstgesteckten Ziel, dass künftig mindestens 20 statt
bisher elf Prozent der zurückgelegten Strecken mit Bussen und Bahnen
bestritten werden, würde die Stadt mit Straßenbahnen deutlich näher kommen
als mit dem bestehenden reinen Bussystem. Dieses würde bei einem Ausbau
maximal 16 Prozent erreichen; auf mindestens knapp 16 Prozent käme das
Straßenbahnnetz – hätte aber noch Luft nach oben.
## Zu weit unter der Zielmarke
Weil aber der Lübecker Verwaltung dieser Anstieg zu gering ist, will sie
jede weitere Beschäftigung mit der Straßenbahn nun beenden. Der Lübecker
Bürgerschaft hat sie eine entsprechende Empfehlung vorgelegt, auch wenn sie
es sich mit der Entscheidung „nicht leicht gemacht“ habe. Der erwartete
Zuwachs im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) sei aber „dann doch zu
weit von der 20-Prozent-Zielmarke entfernt, als dass er große Euphorie
hervorrufen würde.“
Vor allem aber sorgt sich die Stadt um die Kosten, die das
Beratungsunternehmen auf rund 900 Millionen Euro schätzt. „Auch wenn sich
die derzeitige finanzielle Situation der Hansestadt zukünftig bessert, wäre
die Implementierung der Straßenbahn eine enorme Belastung des städtischen
Haushalts“, heißt es in der Vorlage.
Lutz Kuwalsky von Tram für Lübeck sieht das ganz anders: „Bis zu 90 Prozent
der Umsetzungskosten könnten gefördert werden“, sagt Kuwalsky. Das sei
abhängig von weitergehenden Untersuchungen, für die sich die Bürgerschaft
entgegen der Verwaltungsempfehlung aussprechen solle.
Die prognostizierten Zuwachszahlen hält er für zu defensiv. „Aus Studien
wissen wir, dass in Städten, die eine Buslinie durch eine Straßenbahnlinie
ersetzt haben, diese Strecken einen Zuwachs von 50 bis 100 Prozent erfahren
haben, weil sich die Menschen deutlich lieber auf der Schiene als in Bussen
fortbewegen.“ Dieser Schienenbonus dürfe nicht unterschätzt werden. „Da i…
noch weiteres Potential drin und das müsste in vertieften Untersuchungen in
Erfahrung gebracht werden“, sagt Kuwalsky.
## Kern einer zukunftsorientierten Verkehrspolitik
Dass es dazu kommt, setzt allerdings ein Votum der Bürgerschaft voraus. Die
Grünen setzen sich dafür ein, Umsetzbarkeit und Kosten noch einmal im
Detail zu betrachten. „Eine Tram ermöglicht eine [1][effiziente,
umweltfreundliche und zuverlässige Beförderung] von Menschen – das ist der
Kern einer zukunftsorientierten Verkehrspolitik“, sagt ihr
verkehrspolitischer Fraktionssprecher Arne-Matz Ramcke.
Und auch die CDU deutete schon an, dass sie gerne eine tiefergehende
Kosten-Nutzen-Analyse hätte. Die dritte große Fraktion hingegen, die SPD,
will sich wohl der Verwaltungsempfehlung anschließen – auch mit Verweis
darauf, dass es baulich in und an der Altstadt ziemlich eng für eine
Straßenbahnstrecke wird. Tatsächlich müssten Teile der Strecken gemeinsam
mit den Kfz im Mischverkehr geführt werden; an manchen Stellen wäre nur ein
Gleis für beide Fahrtrichtungen möglich.
„Natürlich wird das eine Herausforderung, [2][Lübeck] ist eng gebaut“, sa…
auch Kuwalsky. Aber die Stadt habe sich zu einer Verkehrswende bekannt,
will eigentlich sogar 2035 klimaneutral sein. „Wenn man sich solche Ziele
setzt, aber die Idee des emissionsfreien Verkehrsmittels sofort wieder
aufgeben will, dann ist das für uns nicht nachvollziehbar.“
Sollte sich die Lübecker Bürgerschaft für eine Fortführung der Planungen
aussprechen, folgt sie dem benachbarten [3][Kiel: Dort ist bereits der
Entschluss für den Aufbau einer Straßenbahn] gefasst worden. Die
Bauplanungen laufen derzeit. In knapp zehn Jahren soll die erste Linie der
Tram in Betrieb gehen. Beide Städte hatten einst umfangreiche
[4][Straßenbahnsysteme]: In Kiel wurde das System 1985 eingestellt; in
Lübeck mit seinen damals sieben Linien schon 1959.
21 Oct 2024
## LINKS
[1] /Verkehrswende-auf-der-Mobilitaetsmesse/!6043459
[2] /Kolumbarium-in-Luebeck/!6039515
[3] /Verkehrswende-in-Kiel/!5882498
[4] https://pro-bahn-sh.de/strassenbahn-luebeck-analyse-bescheinigt-hohe-nachfr…
## AUTOREN
André Zuschlag
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