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# taz.de -- Buchmesseneröffnung mit rechten Gästen: Populisten im Sehnsuchtsl…
> Italien ist Gastland der Buchmesse. Also mussten die Vertreter der
> rechten Regierung begrüßt werden. Das hatte bei der Eröffnung seine
> Tücken.
Bild: Alessandro Giuli, Kulturminister von Italien und Claudia Roth bei der Er�…
Durchschnittlich einmal pro Redner:in fällt der Name Goethes während der
Eröffnung der diesjährigen Frankfurter Buchmesse, einmal scheint jeder auf
die „Italienische Reise“ verweisen zu müssen, die der berühmte Sohn der
Mainmetropole in seinen Reisetagebüchern ab 1813 rekapitulierte.
Giambattista Vico findet Erwähnung, Dante und schließlich auch noch Jesus.
Italien ist Gastland der Messe, und es sucht sein Heil zumindest an diesem
Dienstagabend recht weit in der Vergangenheit.
Dabei haben Italien und Deutschland doch beide erst spät, im 19.
Jahrhundert, zu ihrer Einheit gefunden, sagt Alessandro Giuli, Italiens
Kulturminister, im Kongresszentrum der Frankfurter Messe. Giuli spricht
wiederholt von „Völkern“, von Staaten eher im Kontext ihrer Grenzen, über
die man im Rahmen von Kultur und Literatur zwar einen Blick werfen solle,
aber „ohne die Idee des Nationalstaats aufzugeben“.
Der Meloni-Vertraute vertrete das Recht auf freie Meinungsäußerung „in
jeder Form“. Auch wenn das zu Dissens führe, sagt er, „auch wenn es der
Regierung, der ich angehöre, schaden könnte“. Der parteilose Giuli, mit
Ministerpräsidentin Giorgia Meloni bekannt, seit beide Teil der
Jugendbewegung der neofaschistischen Partei MSI waren, ist erst seit
wenigen Wochen im Amt. Gegen seinen Vorgänger waren Vorwürfe laut geworden,
er habe eine Influencerin, mit der ihn eine Affäre verband, auf
Staatskosten mit auf Dienstreisen genommen.
Nach Giuli betritt Stefano Zecchi die Bühne. Der Philosoph, der gerne gegen
das angebliche Meinungsdiktat der Linken wettert, geht in seiner Rede
zurück bis zu Hermes und der Schildkröte, erklärt die Schönheit zur
Möglichkeit „zur Auferstehung“ aus dem Bösartigen.
Etwas andere Töne schlägt der Autor und Physiker Carlo Rovelli an. Er
benennt die zahlreichen Krisen, den Klimawandel, die Schere zwischen Arm
und Reich, Kriege. Realistische Lösungsvorschläge will er keine liefern.
Statt im Stammesdenken verhaftet zu bleiben, sollte die Menschheit
realisieren, dass sie ein einziger, menschlicher Stamm sei, schlägt er vor.
Zudem spricht er sich allgemein gegen Waffenlieferungen aus.
## Alle erwähnen Roberto Saviano
Einen einsamen Zwischenrufer hat es gegeben bei dieser Buchmesseneröffnung,
von einem Frankfurter Stadtverordneten, Nico Wehnemann (Die Partei), der
das Wort nicht gerne an Alessandro Giuli, „einen Populisten“, erteilt sah.
Zuvor hatten die deutschen Redner:innen mal mehr, mal weniger deutlich
auf die etwas seltsame Situation hingewiesen, in Frankfurt offizielle
Vertreter der neuen rechten, als postfaschistisch deklarierten Regierung
Italiens willkommen zu heißen.
Um den Auftritt des „Sehnsuchtslands der Deutschen“ hatte es zuvor
Kontroversen gegeben. Roberto Saviano, scharfer Kritiker Melonis und
berühmter Anti-Mafia-Autor, war nicht zur offiziellen Delegation Italiens
eingeladen worden, da sein Werk als „zu unoriginell“ eingestuft worden war.
Einige Autor:innen hatten daraufhin ihre Teilnahme abgesagt; nun gibt es
neben der offiziellen eine zweite Delegation, die in Frankfurt aus ihren
Büchern lesen wird.
Hessens Ministerpräsident Boris Rhein konstatiert in seiner Rede, die
liberale Demokratie in Europa befinde sich in einer Krise. Demokratien, so
der CDU-Politiker, stürben selten mit einem Knall, sondern siechten eher
dahin. Ob er damit die bröckelnde „Brandmauer“ zur AfD meint? Vielleicht,
doch als Gift für die Demokratie benennt er vor allem eins: die
Gleichgültigkeit. Roberto Saviano jedenfalls, so fügt er hinzu, sei kein
Gleichgültiger.
## Die geplanten Kürzungen
Auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth nennt den Namen Savianos. Sie
verweist auf die Freiheit des Wortes, die vielerorts bedroht sei, etwa in
der Ukraine, wo russische Besatzer:innen Bücher verbrennen. Oder im Fall
Salman Rushdies (den auch Buchmessenchef Jürgen Boos zitiert), der mit
einer Fatwa 1989 von Ajatollah Chomeini zum Tode verurteilt und 2022
lebensgefährlich mit einem Messer verletzt wurde.
In Deutschland, erzählt Roth, berichteten ihr Buchhändler:innen
vermehrt von Einschüchterungsversuchen. Doch die Kultur sei auch durch
Einsparungen bedroht, sagt die Grünen-Politikerin, von Frankfurts
Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) bereits in seiner Rede auf die geplanten
Kürzungen im Kulturbetrieb angesprochen. Sie verspricht, sich gegen
Sparmaßnahmen einzusetzen, auch den Kulturpass 2025 weiter finanzieren zu
lassen, trotz „verdammt schwieriger Haushaltssituation“.
16 Oct 2024
## AUTOREN
Julia Hubernagel
## TAGS
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