# taz.de -- Jubiläum Boxkampf Foreman vs. Ali: Rumble of the World | |
> Vor 50 Jahren boxten Muhammad Ali und George Foreman im damaligen Zaire | |
> um den WM-Titel im Schwergewicht. Ein historischer Kampf und eine | |
> Metapher. | |
Bild: Muhammad Ali präsentiert den Imperialismus als Papiertiger | |
Es soll das größte Event werden, das die Welt je erlebt hat. Doch das | |
gelingt nicht, es wird noch viel größer. „Championnat du monde des poids | |
lourds: George Foreman – [1][Muhammad Ali]“ steht auf den Tickets, | |
Weltmeisterschaft im Schwergewicht. Angesetzt ist das Ereignis für den 25. | |
September 1974, doch es findet am 30. Oktober statt. Ort ist das [2][Stade | |
du 20 Mai in Kinshasa], Hauptstadt von Zaire, heute heißt das Land | |
Demokratische Republik Kongo. | |
Vor allem geht es um einen der besten Boxkämpfe der Sportgeschichte, neben | |
dem „[3][Thrilla in Manila]“ von Ali gegen Joe Frazier 1975. In beiden | |
Fällen ist es ein Kampf um und gegen die Führungsrolle Amerikas in der | |
Welt, in Kinshasa ist es zudem ein Kampf um die Stärke und Durchsetzung | |
afrikanischer Unabhängigkeit. Die Sportereignisse sind bis heute | |
weltpolitische Parabeln – vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden | |
Niederlage der USA in Vietnam, dem Sieg eines unabhängigen Landes des | |
Trikonts, wie die drei unterdrückten Kontinente damals genannt werden. | |
Als bei allen Experten und Buchmachern ausgewiesener Favorit reist 1974 der | |
Weltmeister [4][George Foreman] aus den USA an, einer der härtesten Puncher | |
der Boxgeschichte. Herausforderer ist [5][Muhammad Ali] aus den USA, der | |
Ex-Weltmeister. Es ist der erste Kampf der beiden gegeneinander. 1967 wird | |
Ali sein Titel aberkannt, weil er den Dienst in Vietnam verweigert, da ist | |
er 25 Jahre alt. Fast vier Jahre lang wird ihm die Boxlizenz entzogen. „Den | |
besten Ali haben wir nie gesehen“, wird sein Trainer Angelo Dundee später | |
einmal sagen. Erst 1970 kommt er zurück ins Profigeschäft und tut sich | |
schwer. 1971 verliert er einen WM-Kampf gegen Joe Frazier, im Januar 1974 | |
siegt er zwar über Frazier, doch der ist da schon kein Weltmeister mehr, | |
denn George Foreman hat ihn geschlagen. | |
Boxamerika und die Boxwelt sehen sich auf dem Weg in eine Post-Ali-Ära. Mit | |
Frazier, Olympiasieger 1964, und [6][Foreman], Olympiasieger 1968, gibt es | |
zwei Weltklasseschwergewichtler, die Ali vergessen machen können. Zumal | |
dieser Ali im März 1973 gegen den kaum bekannten Ken Norton verliert, einen | |
früheren US-Soldaten. Auch die amerikanische Reporterlegende Howard Cosell | |
erkennt die Bedeutung: „So viele von Alis Kämpfen hatten eine unglaubliche | |
Symbolik, und hier schon wieder. Ken Norton, ein ehemaliger Marine, im Ring | |
gegen den Wehrdienstverweigerer.“ | |
## Der „Sieg des Mobutismus“ | |
Dass der auf dem Weg in die Vergessenheit geglaubte Ali dennoch zurückkommt | |
und einen Weltmeisterschaftskampf erhält, verdankt er noch zwei weiteren | |
Akteuren: Mobutu Sese Seko, Diktator in Zaire, und Don King, sich | |
etablierender Boxpromoter aus den USA. | |
Mobutu geht es darum, Investoren in sein Land zu locken, sein Regime zu | |
stärken und politischer Hegemon Afrikas und damit weltpolitischer Akteur zu | |
werden. King ist noch recht neu im Boxgeschäft, aber er schlägt Mobutu | |
einen Deal vor: Mit Kampfbörsen von 10 Millionen Dollar, die es im | |
Berufsboxen vorher noch nie gegeben hat, holt er die WM nach Zaire. | |
Mitbietende Boxpromoter kann King ausstechen, in dem er das Ganze als eine | |
Show afrikanischer Stärke und Unabhängigkeit präsentiert. Einer der | |
Slogans, mit denen Kampf beworben wird, lautet: „Ein Kampf zwischen zwei | |
Schwarzen in einer Schwarzen Nation, organisiert von Schwarzen und zu sehen | |
in der ganzen Welt, das ist der Sieg des Mobutismus.“ | |
Um dieses Paket rund zu machen, findet wenige Tage vor dem avisierten | |
Foreman-Ali-Kampf ein [7][Musikfestival] statt, „[8][Zaire ’]74“. Weltsta… | |
wie James Brown, B. B. King oder Miriam Makeba treten auf. Mobutu verfolgt | |
mit dem Festival ähnliche Ziele wie mit dem Boxkampf: afrikanisches, | |
Schwarzes Selbstbewusstsein zeigen. Anders als das Sportevent hatte es hier | |
aber bereits Vorbilder gegeben, etwa „Algier ’69“. | |
Das Musikfestival findet vom 22. bis 24. September statt, aber der Boxkampf | |
am 25. muss ausfallen. George Foreman hat sich im Training verletzt, ein | |
gefährlicher Cut zwischen Auge und Braue. Der 30. Oktober wird als neuer | |
Termin festgesetzt. Die Verträge der Kämpfer sind so, dass beide, Foreman | |
und Ali, das Land nicht verlassen dürfen. Ihre Pässe sind eingezogen. | |
## Es kämpfte eigentlich Weiß gegen Schwarz | |
Ali nutzt die Wartezeit, um die Bedeutung des Kampfs ganz klarzumachen: | |
„Ich war seit vierhundert Jahren nicht mehr zu Hause“, sagt er, um sich als | |
Teil des Trikonts zu präsentieren. Er sei gekommen, um zu zeigen, „dass es | |
in Afrika mehr gibt als Löwen, Tiger und Elefanten“. Seinen Gegner | |
vergleicht er mit dem nach dem Watergate-Skandal zurückgetretenen | |
US-Präsidenten: „You think the world was shocked when Nixon resigned? Wait | |
till I whup George Foreman’s behind“, wenn ihr glaubt, die Welt wäre von | |
Nixons Abgang geschockt, dann wartet bloß ab, bis ich George Foremans Arsch | |
versohlt habe. Er sagt auch über Foreman: „Er vertritt das weiße Amerika, | |
das Christentum, die Fahne, den weißen Mann, Schweinekoteletts.“ | |
Tatsächlich haftet dem Afroamerikaner Foreman das Image an, ein Sportler | |
des weißen Establishments zu sein. 1968, als Foreman in Mexiko | |
Olympiasieger wird und das Gros der Schwarzen US-Sportler die Spiele [9][zu | |
politischen Protesten] nutzen, fällt Foreman damit auf, mit einer | |
Stars-and-Stripes-Fahne durch den Ring zu stapfen. Dafür wird er von | |
anderen Sportlern heftig angegriffen, von der weißen Sportpresse aber | |
gelobt. Dass Foreman in Kinshasa mit einem Schäferhund, der die Menschen in | |
Zaire an die ehemalige belgische Kolonialmacht erinnert, aus dem Flugzeug | |
steigt, sorgt dafür, dass er als Weißer wahrgenommen wird, als Vertreter | |
der politischen Supermacht USA, die gerade in Vietnam einen | |
Vernichtungskrieg führt. Ali setzt auf die Stimmung, er entfacht und | |
verstärkt sie. Seine zairischen Fans dirigiert er, wenn sie rufen: „Ali | |
Bumaye“, Ali, töte ihn! | |
Die politische Bedeutung des Kampfes ist Ali von Beginn an bewusst. Er | |
überlegt, ob er nicht mit den Flaggen Zaires, der Organisation für | |
Afrikanische Einheit und der Vereinten Nationen in den Ring treten solle. | |
Doch er besinnt sich, dass das, was man als „nur Sport“ bezeichnet, eine | |
viel größere Symbolik erzeugt. Ali weiß, dass bloßes Boxen die politischste | |
all seiner Aktivitäten ist. | |
30. Oktober 1974, es ist 3 Uhr morgens in Kinshasa, also 22 Uhr in New | |
York, in Amerika beste Sendezeit. Ali tänzelt in der ersten Runde. Foreman, | |
der von seinen 40 Kämpfen bis dahin alle gewonnen hat, davon 37 durch K.o., | |
ist auf einen frühen Sieg aus. Ali merkt, dass er mit seinen Mitteln von | |
früher, dem eleganten Ausweichen der Schläge, heute nicht durchkommt. „Nach | |
der ersten Runde spürte ich, dass ich zu müde für das Tempo dieses Kampfs | |
wurde“, erklärt er später, „doch George war nicht müde, weil er mir einf… | |
die Wege abschnitt.“ Ali entscheidet sich für Rope-a-dope, wie er die | |
Taktik nennt. Frei übersetzt bedeutet es: einen Trottel an die Seile | |
binden. Ali lässt sich mit dem Rücken in die Seile fallen. Foreman schlägt | |
mit voller Wucht zu, und Ali steckt die Treffer scheinbar ungerührt ein. | |
Nur manchmal weicht er ihnen aus, und erst gegen Ende einer Runde antwortet | |
er mit nicht allzu wirkungsvollen Schlägen. Die riskante Taktik geht auf. | |
Foreman boxt sich müde, und Ali verspottet ihn: „Mehr hast du nicht | |
drauf?“ und „Schlag härter! Zeig mir was, George!“ | |
## Der Vergleich mit dem Vietnamkrieg | |
Schon vor dem Kampf hat Ali in Metaphern gesprochen, die Assoziationen zum | |
Vietnamkrieg auslösen: „Wenn George Foreman mich bis zur siebten Runde | |
nicht bekommen hat, sage ich euch, dann wird sich sein Fallschirm nicht | |
öffnen.“ Tatsächlich erinnert der Kampf an den Krieg in Vietnam. Wie die | |
USA den Vietcong mit einem gigantischen Flächenbombardement überziehen, so | |
drischt Foreman auf Ali ein. Und wie der vietnamesische Widerstand mit | |
überlegener Taktik und ungeheurer Leidensfähigkeit operiert, hängt Ali in | |
den Seilen und zermürbt den an Schlagkraft überlegenen Gegner, dem am Ende | |
nicht nur die Mittel ausgehen, sondern auch der Wille. | |
„Jedes Mal, wenn ich Muhammad schlagen wollte, ging er in Deckung, schlug | |
mich mit einem schnellen Jab oder einer Rechten und machte sich davon“, | |
schreibt ein frustrierter Foreman später in seiner Autobiografie. Auch er | |
registriert die politische Dimension: „Ich gewann diese Runden, aber | |
Muhammad Ali gewann mit jedem Schlag, den er einstecken musste, mehr und | |
mehr die Herzen und den Verstand der Menschen. Für sie war das Ganze zu | |
einem moralischen Spiel geworden. Muhammad war gut, und ich war böse.“ | |
Während er sich müde schlägt, bemerkt Foreman, dass Ali ihn in eine Falle | |
gelockt hat, ähnlich wie die U.S. Army in Vietnam. | |
In der achten Runde setzt Ali die entscheidende rechte Gerade. Die ganze | |
Welt sieht ihn taumeln: Foreman geht zu Boden. Die amerikanische | |
Supermacht ist zerstört. Tatsächlich gehen spätestens Ende 1974 der | |
Weltmacht USA auch im südöstlichen Asien die Mittel aus, und die | |
militärische Kraft, die den Trikont repräsentiert – nennen wir sie Vietcong | |
oder Muhammad Ali –, holt zum entscheidenden Schlag aus. | |
Was den „Rumble in the Jungle“ vom 30. Oktober 1974 so groß, so bedeutend, | |
so historisch macht, ist dies: dass Muhammad Ali der ganzen Welt gezeigt | |
hat, was Sport kann. | |
29 Oct 2024 | |
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## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
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