# taz.de -- Sonderstellung von Boxer Muhammad Ali: Die ganz Großen und ein noc… | |
> Warum galt Muhammad Ali über seine Sportart hinaus als größter Athlet | |
> seiner Zeit? Und warum ist dieser Status heute ungleich schwerer zu | |
> erlangen? | |
Bild: Muhammad Ali im Kampf mit Floyd Patterson in Las Vegas im Jahr 1965 | |
Ein paar Größte gibt es im Boxen: ihrer Gewichtsklasse, ihrer Community und | |
natürlich GOAT, Greatest Of All Times, Größter aller Zeiten. GOAT wurde | |
[1][Muhammad Ali] aber nicht nur durchs Boxen. In den Sechziger- und | |
Siebzigerjahren war Ali der Sportler, auf den sich alle, nicht nur die | |
Boxer, einigen konnten, wenn es darum ging, wer denn der Alpha ist, wer am | |
meisten für die Athleten, für die Gesellschaft getan hat. | |
Warum Ali, warum Boxen, warum ein Amerikaner? Sortieren wir mal. Dass | |
[2][Billie Jean King] nicht als Größte gilt, hat viel mit patriarchaler | |
Ignoranz zu tun, denn Kings Engagement im Tennis – und für die ganze | |
Gesellschaft – steht dem Alis nicht nach. Aber King musste mit Streiks für | |
gleiche Prämien dafür kämpfen, ihren Sport überhaupt zu einer ernst | |
genommenen Sache zu machen. | |
Warum aber wird nicht an [3][Kareem Abdul-Jabbar] gedacht, einer der ganz | |
großen NBA-Stars? 1968, da hieß er noch Lew Alcindor, hatte er die | |
Olympischen Spiele 1968 boykottiert. Wie Ali konvertierte er zum Islam, und | |
im so auf Statistik fixierten Basketball hat er einiges zu bieten: sechsmal | |
NBA-Meister, sechsmal MVP, also wertvollster Spieler, der Saison, und | |
seinen [4][Rekord] von 38.387 Punkten in all seinen NBA-Jahren konnte erst | |
vor zwei Jahren LeBron James knacken. Kurz: Wie Muhammad Ali ist Kareem | |
Abdul-Jabbar einer der ganz Großen. | |
Was aber Boxen in den Sechzigern war, wurde das Basketball der NBA erst in | |
den Neunzigern: ein globaler Sport, wahrgenommen, verfolgt und geliebt in | |
der ganzen Welt. Der englische Historiker [5][Eric Hobsbawm] hat | |
festgestellt, was für Filme, für Musik, für Comics und wohl auch für | |
Muhammad Ali gilt: „Die Populärkultur der Welt war amerikanisch oder sie | |
blieb provinziell.“ Für das Basketball der NBA aber gilt das, was Hobsbawm | |
als einzige Ausnahme formulierte: der Sport. | |
## Richtig gute Gegner | |
Es ist also kein Zufall, dass Ali, Abdul-Jabbar und auch Billie Jean King | |
aus den USA kommen. Und es ist auch leicht zu erklären, dass nicht | |
Abdul-Jabbar und King heutzutage als die ganz großen Weltstars wahrgenommen | |
werden, die sie doch eigentlich sind, sondern eher ihre Nachfolger und | |
Nachfolgerinnen: [6][Michael Jordan], Magic Johnson, [7][LeBron James] | |
beispielsweise oder im Tennis Martina Navratilova oder Venus und [8][Serena | |
Williams]. | |
Warum aber Ali? Nicht zuletzt war es keine Teamsportart, in der Ali zur | |
Weltklasse aufstieg. Und, das zählt auch sehr viel, er hatte Gegner, gute | |
Gegner, gleichwertige Gegner. Boxer wie Sonny Liston, [9][Joe Frazier] oder | |
[10][George Foreman] waren sportlich kein bisschen schlechter als Ali. Erst | |
indem er sich gegen sie durchsetzte, konnte er ganz groß raus kommen. Was | |
Ali von Frazier besonders unterschied, war, dass er seinen Sport politisch | |
verstand. Seine [11][Inszenierungen eines Boxkampfs] als Aufstand der | |
Unterdrückten gegen das US-Establishment waren etwas, das er singulär | |
hatte. (King inszenierte ihren Sport als [12][Aufstand gegen männliche | |
Macht], was ähnliche Wirkung verdient hätte, aber damals nicht hatte.) | |
Und wo sind die Alis, Abdul-Jabbars oder Kings heute? Die Sportarten der | |
drei sind mittlerweile noch globalisierter: Im Schwergewichtsboxen geben | |
US-Boxer schon lange nicht mehr den Ton an, für das Tennis der Frauen (wie | |
auch das der Männer) gilt das auch, und die [13][NBA] dürfte mittlerweile | |
die globalste Liga der Welt sein. Ihre Stars kommen tatsächlich aus allen | |
Kontinenten. | |
Schließt dieser Befund ein solchermaßen politisches und soziales | |
Verständnis des Sports aus, wie es King, Abdul-Jabbar und Ali hatten? | |
Natürlich nicht, aber es erschwert es. Stars müssen sich nicht mehr nur in | |
der amerikanischen Sportkultur durchsetzen, die eben nicht mehr die übrige | |
Welt dermaßen prägt. Sondern heutzutage müssen die Größten sofort die ganze | |
Welt aufschrecken. Und damit bleibt Ali immer noch der Größte, bloß nicht | |
mehr der aller Zeiten. | |
16 Sep 2025 | |
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## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
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