# taz.de -- Ökonomin über US-Wahl: „Trump will die Sabotage der Institution… | |
> Die US-Wirtschaft läuft gut – doch Wähler:innen scheinen das kaum zu | |
> merken. Was das für die bevorstehende Wahl bedeutet, erklärt Pavlina | |
> Tcherneva. | |
Bild: Seine Wahl hätte Signalwirkung für die US-Wirtschaft: Donald Trump, hie… | |
taz: Frau Tcherneva, der US-Wirtschaft geht es besser als vor der Pandemie. | |
Dennoch liest man, dass die US-Amerikaner:innen mit der Wirtschaft nicht | |
zufrieden sind. Warum? | |
Pavlina Tcherneva: Wir haben den schnellsten Wirtschaftsaufschwung der | |
Nachkriegszeit erlebt. Aber in den letzten 50 Jahren gab es strukturelle | |
Veränderungen, die die Reallöhne und den Lebensstandard runtergedrückt | |
haben. Das eigentliche Problem, das uns auch heute noch beschäftigt, ist | |
die Ungleichheit in der Wirtschaft. Die Löhne haben sich zwar etwas | |
verbessert, aber aufgrund der Inflation haben die Menschen das Gefühl, dass | |
sie nicht mithalten können. | |
taz: Um die Inflation zu bekämpfen, verabschiedete Präsident Biden 2022 den | |
Inflation Reduction Act (IRA) – eine 891-Milliarden-Dollar-Investition in | |
saubere Energie und niedrigere Gesundheitskosten. Wie bewerten Sie das | |
Gesetz? | |
Tscherneva: Ich bin mir nicht sicher, ob die Amerikaner:innen den IRA | |
spüren. Den IRA war groß und mutig und hat Möglichkeiten geschafft, die wir | |
noch nie zuvor hatten. Aber er hat sich weitgehend auf Steuerkürzungen | |
gestützt, in der Hoffnung, dass die Unternehmen diese für die Entwicklung | |
von Solarparks und den Bau von Elektrofahrzeugen nutzen werden. Dadurch | |
wurden tendenziell Branchen unterstützt, die keine großen Arbeitsplätze | |
schaffen. Es ist der Dienstleistungssektor, der Arbeitsplätze schafft, und | |
der IRA fördert diesen nicht direkt. | |
taz: Um die Inflation zu senken, hat die US-amerikanische Zentralbank, die | |
Fed, auch den Zinssatz erhöht, der jetzt bei fünf Prozent liegt. Sollte die | |
Fed die Zinssätze senken? | |
Tscherneva: Ich denke, die Fed hat nicht annähernd so viel Einfluss auf die | |
Wirtschaft, wie die meisten Leute denken. Der Rückgang der Inflationsrate | |
hatte mit der Beseitigung von Engpässen in der Lieferkette zu tun. Wenn | |
überhaupt, dann hat die Zinserhöhung die Kosten für die Unternehmen nach | |
oben gedrückt, was an die Konsument:innen weitergegeben wurde. Außerdem | |
war die Politik der Fed sehr ungerecht: Die Anhebung der Zinssätze hat den | |
wohlhabenden Anleiheninhaber:innen Zinserträge in Höhe von einer | |
Billion Dollar beschert. An den Zinssätzen zu drehen, ist aber nicht sehr | |
effektiv. Wir sollten uns auf die Fiskalpolitik konzentrieren, um die | |
Inflation zu drosseln. | |
taz: Also auf die US-Regierung? | |
Tscherneva: Ja, denn das einzige Instrument, das der Fed zur Verfügung | |
steht, [1][ist der Zinssatz]. Die Regierung hat hingegen viele weitere | |
Instrumente, wie Direktinvestitionen, Subventionen, Preisdeckel, direkte | |
Beschäftigungsmöglichkeiten. | |
taz: Für die US-Amerikaner:innen ist die Wirtschaft eines der wichtigsten | |
Themen für die Wahl. Ist das ein Vorteil für Trump oder für Harris? | |
Tcherneva: Das ist eine sehr schwierige Frage. Die Wirtschaft steht für die | |
Menschen an erster Stelle, zusammen mit der Frage der Demokratie. Wenn man | |
die Menschen fragt: „Geht es Ihnen heute besser als vor vier Jahren?“, | |
sagen nicht alle ja. Zu viele Menschen sagen nein, obwohl die Wirtschaft | |
nach allem, was man weiß, viel besser ist. Unzufriedenheit mit der | |
Wirtschaft schadet in der Regel aber der Partei des amtierenden | |
Präsidenten. | |
taz: Was sind die Hauptunterschiede zwischen der Wirtschaftspolitik von | |
Trump und Harris? | |
Tscherneva: Die größten Unterschiede gibt es bei den Steuern. Biden hat | |
eine Reihe der von Trump eingeführten Zölle beibehalten. Kamala Harris | |
schlägt nicht vor, diese abzuschaffen, während Trump sie sogar noch weiter | |
anheben will, in einigen Fällen sogar bis zu 200 Prozent. Beide haben | |
Steuergutschriften für Kinder in ihren Programmen, aber die von Harris ist | |
umfangreicher. Harris will die Unternehmenssteuern von 21 Prozent auf 28 | |
Prozent erhöhen, die Einkommenssteuer für Spitzenverdiener:innen | |
anheben und die Gewinne von Hedgefondsmanagern als Einkommen besteuern. Und | |
obwohl Harris auch andere Maßnahmen für arbeitende Familien vorgeschlagen | |
hat, hören viele Menschen nur, dass sie die Steuern erhöhen will, und | |
merken nicht, dass sie davon nicht betroffen sind. | |
taz: Welche Themen spricht Trump an? | |
Tscherneva: Trump will [2][viel mehr Fracking betreiben] und den | |
Finanzsektor deregulieren. Und natürlich will er den öffentlichen Sektor | |
abbauen. Er verspricht, Arbeitsplätze für das amerikanische Volk zu | |
schaffen. Was er aber tatsächlich verspricht, ist die Zerschlagung der | |
institutionellen Strukturen, die unsere Regierung eingerichtet hat, um die | |
grundlegenden öffentlichen Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen, auf | |
die wir angewiesen sind. Ich glaube, er will diese Sabotage der | |
Institutionen noch verstärken. Das hat er bereits während seiner | |
Präsidentschaft mit dem Supreme Court getan. Jetzt will er es mit den | |
öffentlichen Behörden tun. Und er will eine Rekordfinanzierung für die | |
Strafverfolgung und den Grenzschutz. Er strebt im Grunde die | |
Militarisierung unserer Wirtschaft an. Das ist äußerst besorgniserregend. | |
taz: Sie haben 2016 US-Senator Bernie Sanders bei seiner innerparteilichen | |
Kandidatur zum US-Präsidenten beraten. Welchen wirtschaftlichen Rat würden | |
Sie Kamala Harris geben? | |
Tscherneva: Für mich ist völlig klar, dass wir eine Jobgarantie brauchen, | |
um die [3][Klimakatastrophe zu bewältigen]. Wir brauchen, wenn Sie so | |
wollen, eine Armee in Bereitschaft, um die verwüsteten Gemeinden wieder | |
aufzubauen, nicht nur durch Hurrikane wie in Florida, sondern auch durch | |
die ständigen Überschwemmungen im Mittleren Westen und die ständigen Brände | |
an der Westküste. | |
taz: Momentan ist die Arbeitslosenquote in den USA mit rund 4 Prozent eher | |
niedrig. Warum ist eine Jobgarantie trotzdem wichtig? | |
Tcherneva: Wir vergessen die Arbeitslosigkeit, wenn die Wirtschaft „gut“ | |
ist. Aber die drohende Arbeitslosigkeit ist genau das, was all die Erfolge | |
der Gewerkschaften und die Lohnzuwächse, die die Arbeitnehmer:innen | |
verzeichnet haben, untergraben wird. In der nächsten Rezession wird die | |
Arbeitslosigkeit genutzt werden, um die Arbeitsbedingungen zu | |
verschlechtern. Und diese Bedrohung wird nicht verschwinden. | |
31 Oct 2024 | |
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## AUTOREN | |
Clemens Schreiber | |
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