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# taz.de -- Kriminalität am Görlitzer Park: Die Kieze ächzen jetzt schon
> Diebstähle, Einbrüche, Raub: Während im Görli die Straftaten sinken,
> steigt ringsherum die Beschaffungskriminalität. Der Zaun soll trotzdem
> kommen.
Bild: Aufmüpfige Untertanen von Zaunkönig Kai Wegner protestieren am Montagab…
Berlin taz | Dass es kein Heimspiel werden würde, dürfte Kai Wegner klar
gewesen sein. „Hau ab“ schallt es dem Regierenden Bürgermeister am
Montagabend vor dem Statthaus Böcklerpark in Kreuzberg entgegen, als er in
seiner Limousine herankutschiert wird. Abgeschirmt von Hamburger Gittern
huscht der CDU-Mann durch einen Seiteneingang in das Gebäude. Drinnen will
er sich im Rahmen seiner Charmeoffensive „Kai Wegner vor Ort“ [1][den
Fragen der Bewohner*innen von Friedrichshain-Kreuzberg widmen].
Schnell wird klar: Das Thema Görli-Zaun überlagert derzeit fast alle
anderen Probleme im Bezirk. Sowohl bei der Demo vor als auch bei der
Fragestunde hinter den verrammelten Türen machen die Besucher*innen
ihrem Unmut Luft: „Lassen Sie bitte davon ab, diesen Zaun zu bauen, und
helfen Sie den Menschen“, wendet sich ein Gast an den Regierenden.
Doch der verteidigt das Herzensprojekt seiner schwarz-roten Koalition.
Dabei untermauern aktuelle Zahlen der Senatsinnenverwaltung, dass die
geplante nächtliche Schließung des Görlitzer Parks die Probleme mit
[2][Kriminalität], Drogenhandel und [3][Verelendung] nicht lösen kann.
Bereits jetzt werden in den umliegenden Kiezen an der Reichenberger und der
Wrangelstraße sowie in Alt-Treptow weitaus mehr Straftaten begangen als im
Park selbst: Insgesamt rund 9.000 Delikte wurden von Januar bis September
in den drei Gebieten erfasst; zehnmal mehr als im Görli, dort waren es
lediglich 909, wie aus einer Senatsantwort auf eine Anfrage der
Grünen-Abgeordneten Vasili Franco und Marianne Burkert-Eulitz hervorgeht.
## Weniger Drogendelikte, mehr Beschaffungskriminalität
Zudem ist die Zahl der Straftaten im Park im Vergleich zum
Vorjahreszeitraum sogar um fast ein Drittel gesunken. Der Rückgang lässt
sich unter anderem mit der [4][Teillegalisierung von Cannabis] erklären.
Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz zählen seit jeher zu den
häufigsten Delikten in dem Gebiet – und haben in den ersten neun Monaten
dieses Jahres im Park um satte 43 Prozent (rund 250 Fälle) im Vergleich zum
gleichen Zeitraum 2023 abgenommen.
Diese Entwicklung zeigt sich auch in der Statistik für die umliegenden
Kieze. Trotzdem ist dort die Gesamtzahl der Straftaten nahezu unverändert
hoch. Denn während die Cannabisdelikte zurückgehen, steigen die Fallzahlen
typischer Beschaffungskriminalität deutlich: Diebstähle, Einbrüche, Raub.
Zum Beispiel war die Zahl der erfassten Diebstähle an und aus Fahrzeugen im
Wrangel- wie im Reichenberger Kiez bereits Anfang Oktober höher als im
gesamten Jahr 2023.
„Die Situation in den anliegenden Kiezen verschärft sich“, beobachtet auch
Grünen-Innenexperte Vasili Franco und wirft dem Senat vor, er lasse „die
Menschen in Kreuzberg im Regen stehen“. „Es braucht eine gesamtstädtische
Strategie gegen Verelendung und Verwahrlosung, die Probleme nicht
verdrängt, sondern tatsächlich Wege aus Abhängigkeit, Perspektivlosigkeit
und Kriminalität ermöglicht“, fordert Franco.
Kai Wegner räumt am Montagabend in Kreuzberg zwar ein, dass ein Zaun nicht
alle Probleme lösen werde. Die Furcht der Anwohner*innen vor einer
Verdrängung der Kriminalität in die Wohngebiete nehme er „verdammt ernst“.
Abrücken von dem Millionenprojekt will er trotzdem nicht.
## Eine Statistik mit Tücken
Die argumentative Grundlage für die nächtliche Schließung soll dabei
offenbar durch eine veränderte Einsatzstrategie der Polizei geschaffen
werden. Denn obwohl die Gesamtzahl der Straftaten im Görli so deutlich
zurückgegangen ist, haben sich die nachts registrierten Delikte beinahe
verdoppelt: 669 waren es in den ersten neun Monaten dieses Jahres, im
Vorjahreszeitraum jedoch nur 339.
Das deutet darauf hin, dass die Polizei inzwischen verstärkt nachts im Park
patrouilliert. Schließlich handelt es sich bei einem Großteil der (nachts)
erfassten Straftaten um sogenannte Kontrolldelikte, die nur angezeigt
werden, [5][wenn die Polizei Personen durchsucht]. Beispielsweise wurden
bereits jetzt mehr Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz sowie gegen das
Betäubungsmittelgesetz zwischen 22 und 6 Uhr im Park registriert als im
gesamten Jahr 2023. Womöglich heißt es angesichts dieser Zahlen schon bald
von der Innensenatorin: Der Görli ist nachts gefährlicher geworden.
Trotz aller Rechenspiele ist weiterhin unklar, wann der Park vollständig
umzäunt sein wird und bei Nacht abgeschlossen werden kann. Der [6][Bau des
sogenannten Lückenschlusses] sei bereits beauftragt, schreibt die
Innenverwaltung. Für die Errichtung der 18 Eingangstore laufe derzeit noch
das Vergabeverfahren. Es soll bis März 2025 abgeschlossen sein, allerdings
„unter der Voraussetzung einer gesicherten Finanzierung“. Der Senat geht
dann von sieben Monaten Bauzeit aus. Mindestens bis Oktober 2025 bleibt der
Görli also mutmaßlich auf.
29 Oct 2024
## LINKS
[1] /Kai-Wegner-in-Kreuzberg/!6046060
[2] /Zaunplaene-im-Goerlitzer-Park/!5993751
[3] /Obdachlosenhilfe-trifft-Drogennotdienst/!6011687
[4] /Cannabis/!t5007686
[5] /Racial-Profiling-im-Goerlitzer-Park/!6031770
[6] /Streit-um-Goerlitzer-Park/!6039054
## AUTOREN
Hanno Fleckenstein
Darius Ossami
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