# taz.de -- Nachhaltige Forstwirtschaft: Alte Zukunft | |
> Wie bereitet man deutsche Wälder auf den Klimawandel vor? In | |
> Sachsen-Anhalt gibt es dafür ein Konzept – schon über hundert Jahre | |
> erprobt. | |
Bild: Ein Pfad in die Zukunft? Der Dauerwald Bärenthoren | |
Bärenthoren taz | Wer mit Doreen Einhenkel in den Wald geht, der kommt so | |
bald nicht wieder heraus. Seit mehr als zwei Stunden läuft die Forstwirtin | |
vorneweg und führt hinein in die halbschattige Welt aus Blättern, Moosen, | |
Farnen, Büschen und Bäumen, manche davon sind wahre Riesen. „Hier haben wir | |
Bergahorn, dort ist eine Rotbuche. Man sieht Kiefern als dominierende | |
Baumart.“ | |
Sie deutet auf eine lichte Stelle. „Da war ein Einschlag, da wurde Licht in | |
den Bestand gebracht.“ Doreen Einhenkel, eine schlanke, sportliche Frau mit | |
kurzem Haar, scheint hier zu wohnen. „Hier haben wir überall | |
Naturverjüngung, nichts ist gepflanzt.“ Sie deutet auf die Bäumchen, | |
zentimeterklein, die aus dem Sand ragen, „die wachsen von allein und so | |
soll es auch sein“. | |
Festen Halt brauchen die Füße bei so einem Gang. Ein Baumstumpf kommt da | |
gerade recht. Doch der gibt nach, als wär’s Papier, und dann wird alles | |
auch noch sehr lebendig. „Ameisen!“, ruft Einhenkel. „Rote Waldameisen! D… | |
haben sich den Stubben genommen.“ Einhenkel blickt auf das Gewimmel, dann | |
wandern ihre Augen wieder nach oben – zu Laub- und Nadelholz, Büschen, | |
Sträuchern, Lichtung, Lebendiges und Morsches. Es gibt keinen Stangenwald | |
und keine Monokultur. „Das ist Dauerwald, wie ihn Kalitsch sich gewünscht | |
hat“, sagt sie und klingt zufrieden. | |
Friedrich von Kalitsch und sein Dauerwald – diese beiden Namen fallen immer | |
wieder und verschmelzen zu einem Klang. Kalitsch ist der Mensch, der Wald | |
hier, Dauerwald, seine Kreation. So wird es Einhenkel erklären. Und am Ende | |
des Ausflugs ins Revier Bärenthoren wird klar, warum die Frau diesen Forst | |
zum Vorbild in Zeiten des Klimawandels machen will. | |
Dauerwald, was ist das? Es ist ein artenreicher Wald aus Nadel- und | |
Laubbäumen, der unterschiedliche Altersklassen von Bäumen in sich vereint, | |
natürliche Wachstums- und Verjüngungsprozesse nutzt und der dadurch | |
resistenter ist gegen Insekten, Stürme, Trockenheit und der sich nachhaltig | |
bewirtschaften lässt. Als Friedrich von Kalitsch 1884 anfing, den | |
elterlichen Waldbesitz nach seinem Gusto umzubauen, markierte das die | |
Abkehr von der damals in Norddeutschland vorherrschenden | |
Kahlschlagwirtschaft. Kalitsch war damit der Forstwirtschaft, ohne es zu | |
wissen, hundert Jahre voraus. Das Wort „Dauerwald“ kam ihm erst Jahre | |
später zu Ohren. | |
Es gibt heute artenreichere Mischwälder, etwa die im Biosphärenreservat | |
Schorfheide nordöstlich von Berlin. Doch der praktische Dauerwald kam mit | |
Friedrich von Kalitsch im Anhaltischen in die Welt, wo auf eher mageren, | |
sandigen Böden die Kiefer die dominierende Baumart ist. Die „Wiege des | |
Kieferndauerwaldes“ ist zwar in den Kreisen der Forstwissenschaft geläufig, | |
darüber hinaus aber kaum. Das soll sich ändern. Dafür hat sie die „Stiftung | |
Dauerwald Bärenthoren“ gegründet. Neugierig geworden, kam schon in der | |
„Woche der Klimaanpassung“ im September Bundesumweltministerin [1][Steffi | |
Lemke] vorbei. | |
Lemke, die aus dem nahen Dessau stammt, hat dabei nicht nur tiefe Einblicke | |
in den Wald erhalten, sondern auch in das Kapitel deutscher | |
Forstgeschichte, das hier geschrieben wurde. Neben dem Forstmann Kalitsch | |
gehört Alfred Möller, Professor aus Eberswalde, dazu. Als jungem | |
Forstwissenschaftler wurden Möller Ende des 19. Jahrhunderts auf einer | |
Reise nach Brasilien die Augen geöffnet, dass Wald mehr sein muss als die | |
Anhäufung von Bäumen. Er ist ein eigener Organismus, mitsamt Mikroklima und | |
Boden. Müsste dieser Gedanke nicht auch in die Forstwirtschaft einfließen? | |
Im Kaiserreich wurden gewöhnlich Monokulturen von Fichten und Kiefern | |
gepflanzt und nach wenigen Jahrzehnten abgeerntet. Geradeheraus nannte | |
Möller die Kahlschlagwirtschaft „Holzackerbau“. | |
Der junge Forstwissenschaftler entwickelte demgegenüber eine Lehre, wie der | |
Wald von morgen aussehen müsste – artenreicher, vielfältiger, | |
widerstandsfähiger und dennoch, für Waldbesitzer wichtig, ertragreich. Als | |
„Stetigkeit des gesunden Waldwesens“ umschrieb Möller seine Idee, sein | |
Kernbegriff: Dauerwald. Dass so etwas bereits in der Praxis existierte, | |
ahnte der Forstwissenschaftler nicht. | |
Möller, inzwischen zum Direktor an der Forstakademie Eberswalde befördert, | |
verbreitete seine Theorie in Vorlesungen über den Waldbau und bekam von | |
einem seiner Studenten den Hinweis, dass es im Anhaltischen bei seinem | |
Onkel, dem Herrn von Kalitsch, so etwas schon geben würde. Hellhörig | |
geworden, stattete Möller dem Waldbesitzer 1911 sofort einen Besuch ab – | |
und staunte, als er den Forst erblickte. Kalitsch hatte, ohne es zu wissen, | |
den Wald der Zukunft geformt. | |
„Ja, wie haben sie das nur gemacht?“, fragte der Professor. „Ich mache | |
niemals Kahlschläge und durchforste meinen ganzen Wald jährlich und | |
persönlich auszeichnend“, sagte Kalitsch. Dann erzählt er, dass er kein | |
Vieh mehr in den Wald treiben lässt, die Nutzung der Streu am Waldboden | |
unterbunden hat, sodass der Boden verbessert wird und dass die Entnahme | |
einzelner Stämme Licht in die Bestände bringt. Da treffen sich zwei | |
Honoratioren im Forst und fachsimpeln über Waldbau. Der Wortwechsel ist | |
belegt. Möller hat ihn niedergeschrieben in seinem Werk „Der | |
Dauerwaldgedanke. Sein Sinn und seine Bedeutung“. Und den Wald gibt es auch | |
noch. Doreen Einhenkel steht mittendrin. „Das ist ein schöner Ort hier, | |
oder?“ | |
## So hoffnungsvoll der Auftakt, so schnell der Dämpfer | |
Wenn es so etwas wie eine forstliche „Sternstunde“ gegeben hat, dann war es | |
die Begegnung von Möller und Kalitsch. Sie leitet eine neue Ära der | |
Forstwirtschaft ein. Im September 1922, die Zeiten waren nach Krieg und dem | |
Ende des Kaiserreichs wieder ruhiger geworden, kommen in Dessau 600 Förster | |
und Forstwissenschaftler zur Hauptversammlung des Deutschen Forstvereins | |
zusammen. | |
Möller erläuterte seinen „Dauerwaldgedanken“, sprach davon, dass der | |
Waldbestand mitsamt Boden als Organismus betrachtet werden müsse, dass alle | |
Teile darin ein Gleichgewicht herstellen würden, dessen Basis gesunder | |
Boden sei, ein gutes Waldinnenklima, Artenvielfalt und die | |
unterschiedlichen Lebensalter der Bäume. Dass ihm der Förster Holz | |
entnimmt, sollte der Wald „gar nicht merken“, fasst es Möller zusammen. Der | |
Grund: Das Ökosystem Wald bleibt dauerhaft erhalten. Erleben könne man die | |
Zukunft der Forstwirtschaft im 25 Kilometer von Dessau entfernten | |
Bärenthoren. Drei Tage lang werden die Forstleute zu Kalitsch kutschiert. | |
Doch so hoffnungsvoll der Auftakt, so schnell kommt der Dämpfer. Möller | |
stirbt wenige Wochen nach der Tagung mit 62 Jahren und kann seine Idee | |
gegen die Angriffe der Verfechter des Kahlschlags nicht mehr verteidigen. | |
Kalitsch kann ihn nicht ersetzen. Der Mann schreibt keine Zeile über seinen | |
Wald. Er verdient mit seinen Stämmen gutes Geld, doch schon vor der | |
Weltwirtschaftskrise geht er 1928 pleite. Sein Dauerwald wird unter Kuratel | |
gestellt. Mit 79 Jahren stirbt er im Januar 1939. | |
„Begründer der Bärenthorener Kieferndauerwaldwirtschaft“ ist eine | |
Wortgirlande, doch sie musste Platz finden auf dem Findling, der über | |
Kalitschs Grab im Wald errichtet wurde. Dahinter ein Holzkreuz, links und | |
rechts Thuja, ein bisschen Efeu – fertig ist der Ehrenhain. Wie ein Wächter | |
ragt neben dem Grab eine 140 Jahre alte Kiefer in die Höhe. Warum ist | |
Kalitsch überhaupt von der Kahlschlagwirtschaft abgekommen? Lukrativ war es | |
ja, das Holz eines ganzen Waldes mit einem Mal zu verkaufen, statt einzelne | |
Stämme zu fällen. Natürlich sind die Erlöse größer, wenn man viel Holz auf | |
einmal vermarktet, sagt Einhenkel. Allerdings sind auch die Kosten groß, | |
weil man danach wieder aufforsten muss und für die nächsten Jahrzehnte | |
keinerlei Gewinn erzielt. Kalitsch fand eine Alternative. | |
Dass sie konkurrenzfähig ist, haben Untersuchungen in der | |
Zwischenkriegszeit erwiesen, ihr Fazit: „Der naturgemäße Wirtschaftswald“ | |
ist der Kahlschlagwirtschaft betriebswirtschaftlich überlegen. Zwar müsse | |
der Dauerwald intensiver kontrolliert, fachsprachlich „ausgezeichnet“, | |
werden, allerdings werde auch durch die kontinuierliche Entnahme von | |
ertragreichen Bäumen kontinuierlich Gewinn erzielt, ohne dass eine | |
Neubepflanzung Kosten verursache. | |
Durch die immer vorhandene Naturverjüngung in einem Dauerwald wird der | |
Einsatz von „Harvestern“, diesen mächtigen Erntemaschinen, kompliziert. | |
Hier können nur andere Verfahren, teils in Kombination, genutzt werden. Der | |
Baum wird manuell mit der Kettensäge gefällt und danach mit Seilwinden und, | |
je nach Lage, durch Pferde, die klassische Rückung, zum Waldweg gebracht. | |
Irgendwann wird auch die mächtige Kiefer fallen, die Kalitsch schon gekannt | |
hat und die über seinem Grab wacht. Doreen Einhenkel, die als junge Frau ab | |
1990 eine Lehre als Forstarbeiterin absolvierte, legt ihre Hand auf die | |
knorrige Haut. Neben dem Giganten wirkt sie zierlich. Einhenkel ist | |
Kalitschs Nachlassverwalterin, Anwältin und wohl auch so etwas wie eine | |
Enkelin – und alles ehrenamtlich. | |
Das Grab im Wald geriet zu DDR-Zeiten zeitweise in Vergessenheit. Die neuen | |
Herren in Moskau und Ostberlin gingen nach 1945 nicht zimperlich mit dem | |
Kalitsch-Besitz um. Die 740 Hektar Wald wurden entschädigungslos enteignet | |
und kamen in Staatsbesitz, ebenso das Herrenhaus mitsamt Park am Rand von | |
Bärenthoren. | |
Und der staatseigene Wald hätte wieder zu dem werden können, was er war: | |
eine Ansammlung von Bäumen zur Produktion von Bau- und Brennholz, diesmal | |
für die sozialistische Planwirtschaft. Tatsächlich aber hat der Ruf von | |
Möller und Kalitsch die DDR überdauert. Revierförster vom Staatsforst haben | |
ihre Hände über den Dauerwald gehalten und so war es kein Wunder, dass das | |
Grab bald nach dem Ende der SED-Herrschaft verschönert wurde. 1990 kam der | |
mächtige Findling obenauf. | |
Das grundsolide Herrenhaus mit Mittelturm, mächtiger Holztreppe und einer | |
Diele, an deren Wänden Geweihe hängen, könnte ein Waldhotel hergeben. So | |
bukolisch ging es in der DDR allerdings nicht zu. Zuerst war es Unterkunft | |
für Kriegsflüchtlinge und Vertriebene, dann Altersheim. Nach 1990 übernahm | |
das Rote Kreuz, sanierte und richtete ein Heim für Suchterkrankte ein, das | |
es noch heute geben würde, wenn nicht Brandschutzauflagen das Ende | |
erzwungen hätten. Im Dezember 2019 war Schluss. „Stiftung Dauerwald | |
Bärenthoren“ steht heute über dem Eingang. Das stattliche Bund, das Doreen | |
Einhenkel hervorzieht, zeigt an, dass die Frau mit der Fleecejacke die | |
Schlüsselgewalt innehat. Hausbesitzerin ist sie trotzdem nicht. Das ist die | |
Stiftung, die Einhenkel gemeinsam mit ihrer Tochter Marly vor zwei Jahren | |
gegründet hat und die ihr Lebenswerk werden dürfte. Wenn es gelingt. | |
Nachdem das DRK-Heim leergeräumt wurde, vergehen drei Jahre. Es muss in | |
dieser Zeit in Einhenkel gearbeitet haben, dann handelt sie energisch. Was | |
folgt, ist ein kommunalpolitisches Meisterstück. Die Forstwirtin und | |
Umwelttechnikerin, die seit 2018 einen Betrieb für Wald und | |
Landschaftspflege führt, erkundigt sich beim DRK über die Bedingungen eines | |
Verkaufs und erfährt vom Vorkaufsrecht der Kommune. Dann überzeugt sie den | |
Bürgermeister und die Stadträte von Zerbst, zu dem Bärenthoren gehört, | |
zugunsten einer zu gründenden Stiftung von diesem Recht zurückzutreten. Es | |
gelingt. | |
Als Nächstes verhandelt sie mit einer Bank über einen Kredit. Auch das | |
gelingt. Und dann muss sie die Gründung juristisch und inhaltlich | |
vorbereiten. Am 2. Dezember 2022 wird die „Stiftung Dauerwald Bärenthoren“ | |
in das Stiftungsverzeichnis Sachsen-Anhalt aufgenommen. Ein Foto zeigt | |
Einhenkel und ihre Tochter Marly mit der Urkunde im Landesverwaltungsamt | |
Halle. „Hundert Jahre nach der letzten großen Sitzung des Forstvereins mit | |
Alfred Möller.“ Seit September 2024 steht die Stiftung auch als | |
Eigentümerin im Grundbuch. | |
Es hallt, als Einhenkel in den Speisesaal führt. Auf einer Tafel sind | |
handgeschrieben die Stiftungsziele zusammengefasst: Förderung der | |
dauerwaldartigen Bewirtschaftung, Unterstützung und Förderung der Bildung | |
für eine nachhaltige Entwicklung mit Bezug Wald- und Klimaschutz“. | |
Interessierte hatte Einhenkel schon reichlich zu Gast. Man traf sich zum | |
Waldgottesdienst, Schulklassen waren hier und haben die forsthistorische | |
Ausstellung, die sich im Aufbau befindet, und das Tischmodell bestaunt, an | |
dem sichtbar wird, dass der Dauerwald mit seinen unterschiedlich alten und | |
großen Bäumen einer ansehnlichen Familie ähnelt. | |
Zwei Mitglieder vom Ornithologischen Verein Dessau werkeln im Erdgeschoss. | |
Die Vogelfreunde informieren über seltene Brutvogelarten wie den Raufußkauz | |
und die Blauracke, einem farbenfrohen, krähengroßen Vogel, von dem die | |
Ornithologen hoffen, dass er in die Region zurückkehrt. Weitere Räume im | |
Obergeschoss werden an Verbände wie etwa die Arbeitsgemeinschaft | |
Naturgemäße Waldwirtschaft und den Bund Deutscher Forstleute vermietet. Der | |
fachliche Austausch soll gefördert werden. Das ehemalige Kutscherhaus | |
nebenan soll Übernachtungsgästen offenstehen.Und ein Waldkindergarten wäre | |
ein Traum. Doreen Einhenkel hat die Ausbildung zur Waldpädagogin | |
absolviert. Es dürfte ihre fünfte Qualifikation gewesen sein, seit ihrer | |
Lehre als Forstarbeiterin. Eigentlich wollte Einhenkel Försterin werden, | |
erzählt sie. Doch Forstämter und Reviere wurden Anfang der neunziger Jahre | |
zusammengelegt, die Aussichten für eine junge Försterin denkbar unklar. | |
Stattdessen ging Einhenkel in die Landschaftspflege, den Wald aber behielt | |
sie im Herzen – aber auch im Kopf. Inzwischen hat sie auch den | |
Masterstudiengang Umweltwissenschaften absolviert. | |
Und jetzt ist sie ehrenamtliche Stifterin und lässt keine Zweifel daran, | |
dass sie das Herrenhaus im Nirgendwo zwischen Berlin, Halle und Magdeburg | |
zu einem Umweltbildungszentrum ausbauen will, das Waldbesitzer, Forstleute, | |
Naturfreunde, Schulkinder und Erwachsene gleichermaßen ansprechen soll, das | |
über den Dauerwald informieren und an seinen Begründer Friedrich von | |
Kalitsch erinnern soll. Den Außenseiter, der auf die Lehrmeinung pfiff, | |
hielten manche für verschroben. Doch 1923 wurde ihm die Ehrendoktorwürde | |
der Forstakademie Eberswalde verliehen. Geduld und Ausdauer haben sich | |
ausgezahlt. | |
„Ja, nur so geht’s“, sagt Einhenkel und es klingt, als spräche sie über | |
sich. Im Juli wurde ihrer Stiftung in Berlin der Deutsche Waldpreis in der | |
Kategorie Nachhaltigkeit Wald zuerkannt. Umweltministerin Steffi Lemke | |
versprach wiederzukommen, wenn hier Stämme mit Seilwinden und Pferden aus | |
dem Wald gezogen werden sollen. | |
Die Landesregierung von Sachsen-Anhalt verfolgt alles wohlwollend. Eine | |
Sprecherin des Wirtschaftsministeriums, das auch für Forsten zuständig ist, | |
teilt mit, dass man begrüße, Bildung mit nachhaltiger Forstwirtschaft und | |
regionaler Entwicklung zu verbinden. Eine Zusammenarbeit zwischen dem | |
Landesforstbetrieb und der privaten Stiftung werde geprüft. Das ist schon | |
deswegen sinnvoll, weil die 740 Hektar Dauerwald im Landesbesitz sind. | |
Beide Teile ergeben ein Ganzes – das Herrenhaus als Bildungszentrum und der | |
Dauerwald als Beispiel nachhaltiger Waldbewirtschaftung. | |
Die Dörfer hier heißen Polenzko, Hundeluft oder eben Bärenthoren. Meist | |
leben hier kaum mehr als zweihundert Einwohner, viele sind im Rentenalter. | |
Da gehört Doreen Einhenkel mit ihren 50 Jahren zu den Jungen – und ist | |
nicht zu bremsen. Beim Hinausgehen verabschiedet sie die beiden, deutlich | |
ältere Ornithologen vom Dessauer Verein, sagt: „Wir müssen in die Zukunft | |
schauen. Wie gestalten wir unsere Wälder und machen sie resilienter?“ | |
Waldbesitzer, Förster, Holzunternehmer und Interessierte sollen sich die | |
Waldwirtschaft hier ansehen. | |
Die Hauptfrage für Waldbesitzer dürfte werden, ob sie der Dauerwald | |
ökonomisch überzeugt. Noch finden sich, insbesondere in Norddeutschland, | |
viele Bestände, die nur aus Kiefern bestehen, dazu Wälder mit nur einer | |
Altersklasse. Beide sind extrem anfällig für Waldbrände, Stürme, | |
Borkenkäferbefall – Ereignisse, die mit dem Klimawandel zunehmen und die | |
bis zu Totalausfällen führen. Die Aufforstung solcher Flächen geht gehörig | |
ins Geld. Im Dauerwald hingegen erledigt das die Natur. | |
Im Oktober kam auch wieder Besuch aus Eberswalde. Aus der Forstakademie ist | |
inzwischen die Hochschule für nachhaltige Entwicklung geworden, Peter | |
Spathelf unterrichtet dort angewandten Waldbau, im Nebenamt ist er | |
Beauftragter für Klimawandel beim Deutschen Forstverein. Spathelf | |
informierte sich über Forstgeschichte und Waldumbau, erzählt Einhenkel. Die | |
neue Stiftung, sie zieht Kreise. | |
Was aber ist, wenn der Aufbau einer Stiftung zu viel wird für einen | |
Menschen, der nebenbei noch einige Jobs managen muss? „Wir reden von | |
achtzig bis hundert Jahren. Ich weiß, dass ich das nicht erlebe“, sagt | |
Einhenkel. „Ich habe die Stiftung trotzdem gegründet. Meine Kinder können | |
das weiterführen.“ Ihre Tochter, Mitgründerin der Stiftung, ist mit im | |
Vorstand. „Und wenn es überhand nimmt, dann weiß ich, für was ich mich | |
entscheiden würde“, sagt Einhenkel. Und da kling ihre Stimme fast entrückt. | |
30 Oct 2024 | |
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[1] /Bundesumweltministerin-Steffi-Lemke/!5991735 | |
## AUTOREN | |
Thomas Gerlach | |
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