# taz.de -- Besorgniserregender Zustand: Die Kiefer ersetzt die Fichte | |
> Die Bundeswaldinventur zeigt: Der Wald verändert sich rasant, vor allem | |
> die Fichte verschwindet. Ein positiver Effekt ist die Zunahme von | |
> Totholz. | |
Bild: Der Wald ist in den vergangenen sieben Jahren von einer Kohlenstoffsenke … | |
Berlin taz | Das ganze Ausmaß der Krise im deutschen Wald hat diese vierte | |
Bundeswaldiventur gar nicht erfasst, die Bundeslandwirtschaftsminister | |
[1][Cem Özdemir] (Grüne) am Dienstag in Berlin vorgestellt hat. Amtlich | |
erhoben ist, dass die Forste keine Senke für Treibhausgase mehr sind, | |
sondern seit 2017 Kohlenstoff abgeben. | |
„Es ist, als ob die Klimaanlage heizt, anstatt zu kühlen“, sagte Özdemir. | |
Vor sieben Jahren hatten zunächst Stürme die Bäume geschädigt, dann folgten | |
sehr trockene Jahre mit zum Teil hohen Temperaturen. Schädlinge, wie | |
[2][Borkenkäfer] oder Eichenprachtkäfer, vermehrten sich explosionsartig. | |
[3][Bäume starben massenhaft] ab, die vorhandenen wuchsen langsamer. | |
Für die Klimabilanz Deutschland heißt das: Seit der letzten | |
Kohlenstoffinventur 2017 ist der Kohlenstoffvorrat des Waldes um 41,5 | |
Millionen Tonnen zurückgegangen. Entsprechend sind die Bäume weniger stark | |
gewachsen. Getroffen hat es vor allem Fichten. | |
Der einstige „Brotbaum“ der Förster hat seit 2018 laut | |
Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) „erheblich an Bedeutung eingebüßt�… | |
Sie findet sich noch auf 2,3 Millionen Hektar der insgesamt 11,5 Millionen | |
Hektar Waldfläche in Deutschland. Somit haben die [4][Fichtenbestände] um | |
461.000 Hektar abgenommen, die häufigste heimische Baumart ist jetzt die | |
Kiefer. Der Anteil von [5][Buchen] und Eichen hat im Vergleich zur Inventur | |
2012 zugenommen. | |
## Laubbäume reagieren später auf Trockenheit | |
Für die Bundeswaldinventur haben die Bundesländer 100 „Inventurtrupps“ | |
losgeschickt, die in ganz Deutschland rund 521.000 Bäume an fast 80.000 | |
Stichproben vermaßen. Jede Stichprobe umfasste dabei ein Quadrat mit einer | |
Seitenlänge von 150 Metern. Jeweils an den Ecken ermittelten die Trupps die | |
Daten, die schließlich im dem BMEL unterstellten Thünen-Institut | |
zusammenliefen und analysiert wurden. | |
Während der Datenerhebung 2022 waren die Schäden in den Fichtenbeständen | |
schon deutlich zu erkennen. Laubbäume reagieren langsamer auf Trockenheit. | |
Deshalb zeigten Buchen und Eichen erst in den vergangenen beiden Jahren, | |
wie sehr sie unter den derzeitigen Bedingungen leiden. „Die Buche zeigt | |
aktuell deutliche Schäden durch die Trockenheit und die hohen Temperaturen, | |
die zum Zeitpunkt der Inventur noch nicht erkennbar waren“, heißt es im | |
Bericht des BMEL. Den Eichen ergehe es ähnlich, ganze Bestände seien in | |
Struktur und Existenz als Eichenwald gefährdet. Insofern ist es fraglich, | |
ob die Berechnungen zur gespeicherten Kohlenstoffmenge der Waldiventur | |
wirklich stimmen – die nächste Kohlenstoffinventur 2027 wird spannend. | |
Klaus Hennenberg, Experte für Wald und Biomassenutzung am Freiburger | |
Öko-Institut, hält die Methode der Waldinventur deshalb nicht mehr für | |
ausreichend, um über die Senkenfunktion des Waldes zu berichten. Er | |
plädiert dafür, die zwar weniger umfassenden, aber jährlichen Daten aus den | |
Waldzustandsberichten sowie Satellitenbilder zu nutzen, um Modellrechnungen | |
über Holzzuwachs und gespeicherte Kohlenstoffmengen anzustellen, und diese | |
Modelle dann zur Grundlage politischer Entscheidungen zu machen. | |
„Die Ergebnisse der Waldinventur liegen mit einer hohen zeitlichen | |
Verzögerung vor“, sagt Hennenberg, „auf Basis der neuen Waldinventur liegen | |
Ergebnisse für die Extremereignisse von 2018, 2019 und 2020 erst in 2025 | |
vor“. Für eine zeitnah verlässlichere Klimaberichterstattung im Wald seien | |
zusätzlich Modellergebnisse nötig, um die fundierten Zählungen der | |
Waldinventur zu ergänzen, sagt Hennenberg. | |
## Fichtensterben lässt Platz für Naturverjüngung | |
Während die Waldinventur im Bereich Klimaschutz eher negative Ergebnisse | |
gebracht hat, sieht es im Bereich Artenvielfalt besser aus. So wachsen auf | |
vielen ehemaligen Fichtenforsten junge Mischwälder heran, die von | |
Laubbäumen geprägt sind. 91 Prozent der jungen Wälder entstehen laut | |
Waldinventur dabei aus Naturverjüngung, also ohne gesonderte Saat oder | |
Pflanzung. Dabei ermittelten die Inventurtrupps des Thünen-Instituts | |
durchaus Unterschiede zwischen Wald in Privatbesitz und in staatlicher | |
Hand. So ist der Anteil an Nadelbäumen in größeren Privatwäldern höher als | |
in staatlichen oder kommunalen Wäldern. | |
Ein weiterer Kollateralnutzen des massenhaften Baumsterbens ist die | |
gestiegene Menge an Totholz im Wald. Zahlreiche Pilze, Insekten und | |
Pflanzen sind auf Totholz angewiesen, zudem trägt der Zersetzungsprozess | |
zur Humusbildung des Waldbodens bei. Florian Schöne vom Deutschen | |
Naturschutzring sieht die Ergebnisse der Waldinventur trotzdem äußerst | |
kritisch: „Dass sich der Wald erstmals seit Jahrzehnten von einer | |
Kohlenstoffsenke zur Kohlenstoffquelle entwickelt hat, ist ein fatales | |
Signal und zeigt den dringenden politischen Handlungsbedarf, auch mit Blick | |
auf die Klimaziele im Landsektor.“ | |
Die Koalition habe noch die Chance, ein starkes Bundeswaldgesetz auf den | |
Weg zu bringen, welches den Erhalt der Wälder ins Zentrum rückt und | |
bundeseinheitliche Vorgaben für eine naturnähere Bewirtschaftung macht. | |
Hierzu zählen unter anderem ein konsequentes Kahlschlagverbot, eine | |
Begrenzung des Rückegassennetzes sowie konkrete Vorgaben für eine | |
vorbildliche Bewirtschaftung öffentlicher Wälder, so Schöne. | |
8 Oct 2024 | |
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## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
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