| # taz.de -- Mittelstreckenraketen im Bundestag: Fast alle gegen Olaf | |
| > Der Bundestag diskutiert erstmals über die Entscheidung, Russland mit | |
| > neuen US-Raketen abzuschrecken. Über ein Versäumnis herrscht beinahe | |
| > Konsens. | |
| Bild: Reichen vielleicht nicht ganz bis Rostock: Russische Iskander-Raketen | |
| Berlin taz | Dietmar Bartsch lässt sich von Russland immerhin nicht | |
| einschüchtern. Am Donnerstagabend steht er am Redepult des Bundestags und | |
| rechnet vor: Die Dark Eagle (eine der nicht-nuklearen US-Raketen, die bald | |
| in Deutschland stationiert werden sollen) könne 2.800 Kilometer fliegen. | |
| Bis zu Wolga und Ural also. Die russische Iskander-Raketen dagegen (in | |
| Kaliningrad stationiert, atomar bestückbar) schaffen nur 500 Kilometer. | |
| „Sie würden zwar meine wunderbare Geburtsstadt Stralsund erreichen“, sagt | |
| der ehemalige Fraktionschef der Linken. „Aber bis in meinem Wahlkreis nach | |
| Rostock würden sie schon nicht mehr kommen.“ Puh, Glück gehabt. | |
| Mit seiner Rede eröffnet der 66-Jährige am Abend die Debatte – die erste, | |
| die zum Thema überhaupt im Bundestag stattfindet. Vor mittlerweile drei | |
| Monaten gab die Bundesregierung bekannt, dass die US-Armee in den nächsten | |
| Jahre verschiedene Mittelstreckenraketen in Deutschland stationieren wird. | |
| [1][Das Kanzleramt verkündete die Nachricht in ein paar dürren, | |
| schriftlichen Sätzen.] | |
| Widerspruch kam damals nicht nur aus der Linkspartei, sondern auch von BSW | |
| und AfD, die mit dem Thema ihre Landtagswahlkämpfe im Osten bestritten. | |
| [2][Protest gab es aber sogar in der Kanzlerpartei:] Manche kritisierten | |
| die Entscheidung an sich, andere die fehlende Begründung. Aus der | |
| SPD-Fraktion kam ebenso wie von Grünen die Forderung, [3][das Thema | |
| nachträglich im Bundestag zu diskutieren]. Als die parlamentarische | |
| Sommerpause endete, war davon aber schon keine Rede mehr. | |
| Die Koalition selbst hat die Stationierung bis heute nicht auf die | |
| Tagesordnung gesetzt. Die Debatte am Donnerstag geht auf Anträge von Linken | |
| und BSW zurück. Sie findet nach 21 Uhr statt. Im Plenum ist nicht mehr viel | |
| los. | |
| ## Ein kleiner gemeinsamer Nenner | |
| Wer doch noch zuhört, erlebt in einem Punkt ein seltenes Einverständnis | |
| zwischen den verschiedensten Gruppen und Fraktionen: Darauf, dass der | |
| Kanzler schlecht kommuniziert hat, können sich fast alle einigen. Dass die | |
| Stationierungsentscheidung ohne öffentliche Debatte fiel, sei eine | |
| „Ungeheuerlichkeit“, sagt etwa der Linken-Abgeordnete Bartsch. „Eine so | |
| weitreichende sicherheitspolitische Entscheidung muss seriös diskutiert | |
| werden.“ | |
| „Die Bundesregierung glaubt, es nicht nötig zu haben, die Entscheidung zu | |
| erklären“, sagt auch Florian Hahn (CSU). Weiter reicht sein Konsens mit der | |
| Linkspartei freilich nicht. „Diese Raketen bedrohen den gesamten | |
| Ostseeraum, lieber Herr Bartsch“, sagt er hinsichtlich der vermeintlichen | |
| Verschonung der Hansestadt Rostock. Moskau verstehe nur eine Politik der | |
| Stärke und Abschreckung, daher sei die Stationierung richtig. | |
| Es könne nicht sein, dass „wir über außenpolitische Entscheidungen von | |
| solcher Tragweite vor vollendete Tatsachen gestellt werden“, sagt Jan Nolte | |
| von der AfD. Abgesehen davon hat er wiederum wenig mit Hahn gemeinsam. | |
| Sogar für AfD-Verhältnisse gilt er als besonders russlandfreundlich. | |
| Ausgerechnet er ist es dann, der in seinem Beitrag eine Leerstelle der | |
| Gegenseite aufzeigt: Wie genau sich die Abschreckungswirkung der US-Raketen | |
| gestaltet, führt am Redepult niemand aus. „Die abschreckende Wirkung der | |
| Nato basiert nicht auf ein paar Tomahawk-Raketen, sondern auf den nuklearen | |
| Fähigkeiten“, sagt Nolte. | |
| Für die Grünen darf Merle Spellerberg den Kanzler kritisieren. Seine | |
| Erklärung habe im Juli „viele überrascht und mit offenen Fragen | |
| zurückgelassen“. Es brauche eine informierte Debatte, „wenn wir dem | |
| russischen trojanischen Pferd in Form von AfD und Co keinen Einlassen | |
| gewähren wollen“. In der Sache steht sie jedoch hinter der | |
| Regierungspositionen: Die Raketen sollten „durch Abschreckung unsere | |
| Sicherheit gewährleisten“. Inhaltliche Kritik an den Plänen gab es aus der | |
| Grünen-Fraktion schon in den letzten Wochen nicht. | |
| „Wir alle haben von der Stationierung aus der Zeitung erfahren“, bemängelt | |
| als letzte Rednerin Sevim Dagdelen (BSW), von ihrem Vorredner aus der FDP | |
| als „Radio Moskau“ angekündigt. Entsprechend einem Antrag ihrer Gruppe | |
| fordert sie eine Volksabstimmung zum Thema. „Umfragen zeigen eine Mehrheit | |
| gegen die Stationierung“, sagt Dagdelen, und bezeichnet es als „Frage der | |
| Demokratie“, nicht „einfach über den Mehrheitswillen hinwegzugehen“. | |
| Als einer von wenigen Rednern verzichtet Falko Droßmann (SPD) auf Kritik am | |
| eigenen Kanzler und dessen Kommunikation. Er teilt stattdessen voll gegen | |
| das Wageknecht-Bündnis aus: Der Antrag der Linken sei zumindest | |
| glaubwürdig. Im Antrag des BSW aber fehle jeder Verweis auf russische | |
| Raketen oder den Angriff auf die Ukraine. „Eine grobe Umkehr der Wahrheit“, | |
| sagt Droßmann, „schlicht Lüge“. Wagenknecht, während der Debatte nicht | |
| anwesend, vergifte den Diskurs. Sie stilisiere Täter zu Opfern. | |
| 11 Oct 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Tobias Schulze | |
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