# taz.de -- Wagenknecht und Weidel im TV-Duell: Und die Brandmauer? Leidet | |
> Weidel verharmlost die AfD, Wagenknecht hilft ihr dabei. Das TV-„Duell“ | |
> war für beide ein Erfolg, und auch für den Springer-Sender Welt TV. | |
Bild: Freundliche Annäherung: Sahra Wagenknecht und Alice Weidel reichen sich … | |
Am Ende ging es um Venezuela, ausgerechnet. Die beiden Frauen sprachen | |
durcheinander und fielen sich ins Wort, es wurde turbulent. [1][Alice | |
Weidel] warf [2][Sahra Wagenknecht] vor, früher einmal für das | |
südamerikanische Land geschwärmt zu haben, eine ähnliche Staatswirtschaft | |
schwebe ihr nun für Deutschland vor. „Völliger Unsinn“, konterte | |
Wagenknecht kühl. Aus „reinem Trotz“ habe sie früher Dinge vertreten, die | |
sie heute für abenteuerlich halte. Aber das sei 20 Jahre her. Heute sei sie | |
eine überzeugte Marktwirtschaftlerin, wie man in ihren Büchern nachlesen | |
könne, und wolle den Mittelstand stärken. | |
Es war der einzige Moment, in dem die AfD-Chefin zum Gegenangriff überging. | |
Ansonsten gab sich Weidel beim breit beworbenen „TV-Duell“ des | |
Nischensenders Welt TV im Neubau des Axel-Springer-Konzerns in Berlin ihrer | |
Kontrahentin gegenüber freundlich und zugewandt und versuchte, die | |
Gemeinsamkeiten mit ihr zu betonen. Doch Wagenknecht ließ sie kühl | |
auflaufen und ging Weidel von Beginn an frontal an: Die AfD hätte sie als | |
„Steigbügelhalterin“, „U-Boot“ und „nützliche Idiotin der Altpartei… | |
beschimpft, nur weil ihre Partei in Sachsen, Thüringen und Brandenburg nun | |
Koalitionsverhandlungen mit CDU und SPD führe. Das sei „ehrenrührig“, | |
empörte sich Wagenknecht. | |
Tatsächlich sind sich beide Parteien bei vielen Themen oft nah, das wurde | |
an diesem Abend deutlich. Nur beim Thema Wirtschaft, das der Moderator Jan | |
Philipp Burgard, Chefredakteur des Senders, am Anfang in den Mittelpunkt | |
stellte, hoben beide die Unterschiede hervor. Weidel, im dunklen Blazer und | |
Perlenkette, machte sich für Steuersenkungen und die Schuldenbremse stark. | |
Wagenknecht, im limettengrünen Kostüm, forderte, dass der Staat mehr in die | |
Infrastruktur investiert und dafür auch günstige Kredite aufnimmt. Das | |
Bürgergeld zu kürzen und für ausländische Staatsbürger zu streichen, wie es | |
die AfD vorschlägt, geht Wagenknecht zu weit. Als der Moderator sie kurz | |
als ehemalige „Kommunistin“ bezeichnet, entgegnet Wagenknecht brüsk: | |
„Kommen sie mir nicht auf die Tour.“ | |
## Einig gegen die Ukraine | |
Einig sind sich Weidel und Wagenknecht mit Blick auf die Ukraine. Beide | |
sprachen sich für einen nicht näher definierten „Verhandlungsfrieden“ aus. | |
Als Wagenknecht ihre bekannten Standpunkte abspulte, die Osterweiterung der | |
NATO für den Krieg mit verantwortlich machte und die „Maximalziele von | |
Selenskij“ verwarf, sagte Weidel nur: „Das sind AfD-Positionen.“ Woraufhin | |
sich Wagenknecht empörte: „Frau Weidel, das ist ein bisschen billig.“ | |
Beim Thema Nahost hatte sie dann aber Gelegenheit, ihr BSW als „wahre | |
Friedenspartei“ von der AfD abzusetzen. Alice Weidel betonte das | |
„Selbstverteidigungsrecht“ Israels, das „um seine Existenz“ kämpfe. We… | |
forderte, dem UN-Hilfswerk UNWRA die Gelder zu streichen und sagte zu | |
palästinensischen „Ausschreitungen auf unseren Straßen“: „Wenn die AfD … | |
der Regierung säße, wären die Krawallbrüder nicht mehr in diesem Land!“ | |
Wagenknecht dagegen prangerte Israels „barbarische Kriegsführung“ und | |
Kriegsverbrechen in Gaza an. Die „Idee, dass sich Terror mit Terror | |
bekämpfen lässt“, sei falsch. Deutschland müsse mehr Druck auf Netanjahu | |
für eine Zweistaatenlösung machen und ein Waffenembargo verhängen. Weidel | |
pflichtete ihr da plötzlich überraschend bei und forderte, keine deutschen | |
Waffen nach [3][Israel] zu liefern. Andere Länder könnten das tun. Aber | |
„wir“ könnten uns ja schon „selbst nicht verteidigen“. | |
## Höcke als Hindernis | |
Überraschend war auch, wie stark Wagenknecht die AfD beim Thema | |
[4][Migration] attackierte. Weidel behauptete, unter „Remigration“ | |
lediglich zu verstehen, das Recht durchzusetzen, das durch Angela Merkel | |
„außer Kraft“ gesetzt worden sei. Wagenknecht dagegen sagte, Björn Höcke | |
wolle 20 bis 30 Millionen Menschen abschieben, und würde Ressentiments | |
schüren. „Da wird mir übel.“ | |
Überhaupt, Höcke: Eine ganze Passage las Wagenknecht aus einem Buch von | |
Höcke vor, um zu zeigen, wie tief er „im Neonazi-Sumpf“ stecke. „Ich will | |
nicht, dass so ein Mann Macht bekommt“. Die AfD sei „eine differenzierte | |
Partei“. Aber Weidel tue zu wenig dagegen, „dass die Höckes in ihrer Partei | |
immer stärker werden“, sondern würde dies als „charmantes Gesicht an der | |
Spitze“ kaschieren. Dabei habe sie selbst 2017 noch Höcke aus der Partei | |
werfen wollen, warf Wagenknecht ihr vor. | |
Mit anderen Worten, so konnte man die Botschaft verstehen: Ohne Höcke | |
könnte Wagenknecht es sich vorstellen, mit der AfD zusammenzuarbeiten. | |
Schließlich wollten die Wähler beider Parteien doch „Veränderung“, so Sa… | |
Wagenknecht. | |
## Ein Erfolg für Weidel | |
Für alle Beteiligten war die Sendung ein großer Erfolg: für den | |
Nischensender Welt TV, dem mit seinem „Duell“ wieder einmal ein Ereignis | |
gelungen ist, über das man spricht. Schon mit dem TV-Duell zwischen dem | |
Thüringer CDU-Politiker Mario Voigt und seinem AfD-Konkurrenten Björn Höcke | |
hatte er Aufsehen erregt. Nun ging es um die Bundespolitik. Die Tatsache, | |
dass Spiegel-Chefredakteurin Melanie Amann und Zeit-Redakteurin Mariam Lau | |
im Anschluss auf Welt TV über den Showdown der beiden Politikerinnen | |
diskutierten, trug ebenfalls dazu bei, das Event der Konkurrenz | |
aufzuwerten. | |
Für Weidel war es ein Erfolg, weil sie sich dabei als ganz normale | |
Politikerin präsentieren, ihre Partei verharmlosen und sich als salonfähig | |
geben konnte. Im Anschluss stand sie den anwesenden Journalisten noch für | |
Fragen zur Verfügung, während Wagenknecht nach der Sendung sofort wieder | |
verschwand. | |
Wagenknecht ging als größte Siegerin vom Platz. Sie dominierte die Sendung, | |
wirkte kompetenter und – in ihrer Körpersprache wie in ihren Positionen – | |
souveräner als Weidel, die an einer Stelle sogar unmotiviert in nervöses | |
Lachen ausbrach, als es um Donald Trump ging. Zugleich demonstrierte | |
Wagenknecht mit ihrem Auftritt, dass sie gegenüber der AfD keine | |
Berührungsängste hat, sondern nach allen Seiten offen ist. | |
## Da geht noch mehr | |
Wagenknecht zieht keine Brandmauer zur AfD, sondern nur zu Björn Höcke: Das | |
machte sie deutlich. Auch in den Parlamenten deutet sich eine Annäherung | |
an. Im Bundestag hat sich nahezu die gesamte AfD-Bundestagsfraktion einem | |
BSW-Antrag angeschlossen, der fordert, einen Corona-Untersuchungsausschuss | |
einzusetzen. Im sächsischen Landtag haben beide Parteien ebenfalls einen | |
Corona-Untersuchungsausschuss beantragt, allerdings getrennt. Das BSW hat | |
mit seinem Antrag CDU und SPD überrumpelt, mit denen es | |
Koalitionsverhandlungen führt. Gut möglich, dass das BSW am Ende den | |
AfD-Antrag unterstützt oder umgekehrt. | |
Diese Annäherung zeigt: Da geht noch etwas. | |
10 Oct 2024 | |
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## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
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