# taz.de -- Neue Ausstellung zu KZ-Häftlingen: Späte Würdigung für NS-Opfer | |
> Eine Ausstellung beschäftigt sich mit KZ-Häftlingen, die als „Verbrecher�… | |
> oder „Asoziale“ eingesperrt wurden. Viele wurden später weiter | |
> drangsaliert. | |
Bild: Oranienburg, 29. September: n der Gedenkstätte Sachsenhausen ist ein Den… | |
Berlin taz | 79 Jahre nach der Befreiung vom [1][Nationalsozialismus] wird | |
ab dieser Woche im Zentrum Berlins Opfern gedacht, die bisher von der | |
Politik weitgehend ignoriert worden sind. Die Rede ist von den durch die | |
Nazis als „Berufsverbrecher“ und „Asoziale“ gebrandmarkten Menschen, die | |
sich nicht in die „Volksgemeinschaft“ einfügen wollten. Am Donnerstag wird | |
auf Initiative des Bundestags eine Ausstellung in Erinnerung an diese | |
Menschen unmittelbar neben dem Holocaust-Stelenfeld eröffnet. | |
Ein „langer Weg“ sei das gewesen, sagte Uli Baumann, der stellvertretende | |
Direktor der Stiftung Holocaust-Denkmal, die zusammen mit der Gedenkstätte | |
Flossenbürg mit der Ausarbeitung der Schau beauftragt war. Etliche Jahre | |
sei man bei der Bundesregierung [2][mit dem Begehren „abgeschmiert“]. Erst | |
2017 beschäftigte sich das Parlament erstmals mit dem Thema. 2020 beschloss | |
der Bundestag endlich, niemand sei „zu Recht in einem Konzentrationlager | |
inhaftiert, gequält und ermordet“ worden, zugleich gab er die jetzt | |
erstellte Ausstellung in Auftrag. | |
Die etwa 80.000 Frauen und Männer, die im KZ den grünen (für | |
„Berufsverbrecher“) oder den „schwarzen Winkel“ (für „Asoziale“) h… | |
tragen müssen, blieben auch nach der Befreiung [3][diskriminierte | |
Außenseiter ohne Entschädigungsanspruch]. Häufig wurden sie von den selben | |
Beamten in den Sozialbehörden drangsaliert, die zuvor mit dafür gesorgt | |
hatten, dass sie eingesperrt wurden. | |
Für die Haft im Lager war im Nationalsozialismus keine vorherige | |
Verurteilung notwendig. „Zwischen den Aktendeckeln“ lautet ein Kapitel der | |
Ausstellung, das sich mit dem Leidensweg des Leipziger Rudi Zerbst | |
beschäftigt, der im Frühjahr 1940 als „Asozialer“ und „Arbeitsscheuer�… | |
KZ Sachsenhausen kam, obwohl er zuvor niemals strafrechtlich in Erscheinung | |
getreten war. | |
## Für Betroffene kommt die Ausstellung zu spät | |
„Diese Verfolgten sind keine Gruppe“, betonte Baumann. Es handele sich um | |
eine „Fremdbeschreibung“. Bei der Kategorisierung durch die Nazis flossen | |
rassistische Kriterien mit ein. So wurde etwa eine „kriminelle Veranlagung“ | |
konstruiert. Als verfolgungswürdig galten auch Homosexualität und | |
Prostitution. Von der KZ-Einweisung bedroht waren Wohnungslose, | |
Wohlfahrtsempfänger wie Personen mit einem „liederlichen Lebenswandel“. Die | |
Zahl der Todesopfer unter dem „Verleugneten“, wie sie in der Ausstellung | |
benannt werden, ist bis heute unbekannt. | |
Die Träger von grünem und schwarzem Winkel galten auch unter ihren | |
Mithäftlingen wenig. Es habe auch nach der Befreiung „wenig bis keine | |
Solidarität von anderen Verfolgten“ gegeben, sagte Baumann. Die Verwandten | |
derjenigen, die die KZ-Haft überstanden hatten, hätten sich für ihre | |
Familienangehörigen geschämt, deren Schicksal bis zur Jahrtausendwende kaum | |
Beachtung fand. | |
Für die überlebenden Opfer selbst kommt die Würdigung zu spät, sie sind | |
verstorben. Frank Nonnenmacher, Vorsitzender des Anfang letzten Jahres | |
gegründeten Verbands für das Erinnern an die verleugneten Opfer des | |
Nationalsozialismus, sagte der taz, er kenne nur eine einzige lebende | |
Person, die aber nicht mehr ansprechbar sei. Die 65 Mitlieder des Verbands | |
sind Nachkommen einstiger Inhaftierter, die dafür streiten, dass das Leiden | |
ihrer Verwandten in der Öffentlichkeit anerkannt wird. | |
Ein weiter Schritt dazu erfolgte Ende September in der Gedenkstätte | |
Sachsenhausen. Dort erinnert nun ein Denkmal an die früheren Häftlinge, die | |
als „Berufsverbrecher“ und „Kriminelle“ stigmatisiert worden waren. Die | |
Berliner Schau ist als Wanderausstellung konzipiert. Sie soll im nächsten | |
Jahr zunächst in Flossenbürg und dann in Köln gezeigt werden. | |
8 Oct 2024 | |
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## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
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