# taz.de -- Netzkultur im Wahlkampf: „In den USA funktionieren Memes besser“ | |
> Kommunikationswissenschaftler Michael Johann forscht zu Memes in der | |
> Politik. Ein Gespräch über Wahlkämpfe und KI-generierte Katzenfotos. | |
Bild: Die viral gegangene Parodie des südafrikanischen Musikers The Kiffness a… | |
taz: Herr Johann, was ist ein [1][Meme]? | |
Michael Johann: Ein Meme ist ein digitaler Inhalt, der sich schnell und | |
einfach über das Internet verbreitet, oft, indem er von anderen kopiert | |
oder leicht verändert wird. Ein typisches Beispiel ist ein Bild, das immer | |
wieder mit neuem Text versehen wird. Bei politischen Memes spiegelt der | |
Text oft die Meinung oder Haltung der Person wider, die das Meme erstellt | |
oder teilt. | |
taz: Im TV-Duell [2][behauptete Trump, dass haitianische Migrant:innen | |
Hunde und Katzen essen]. Daraufhin flutete die republikanische Partei das | |
Netz mit KI-generierten Memes, in denen Trump Katzen schützt. | |
Johann: Das ist eine begleitende Strategie. Die traditionellen Kanäle der | |
politischen Kommunikation sind Reden oder TV-Auftritte, aber man muss die | |
Inhalte auch in der Sprache des Internets aufbereiten. Und Memes verbreiten | |
sich wahnsinnig schnell und einfach. Das zieht Aufmerksamkeit auf sich, | |
besonders, wenn man mit auffälligen Bildern arbeitet. Das können Bilder aus | |
Filmen und Videospielen oder überraschende Bilder sein, zum Beispiel von | |
Katzen in Pfannen. So was ist ein Eyecatcher und bleibt hängen. Damit, dass | |
wir überhaupt darüber sprechen, ist der erste Schritt getan. Unabhängig vom | |
Wahrheitsgehalt sichert man sich Aufmerksamkeit im Diskurs. Wir reden | |
darüber, machen uns darüber lustig, aber manche nehmen es auch ernst. | |
taz: Welche Gefahren und Potenziale bringen Memes mit sich? | |
Johann: Memes haben das Potenzial, komplexe politische Themen auf einfache | |
und zugängliche Weise zu vermitteln. Sie können Politik näher an die | |
Menschen bringen und bieten eine niederschwellige Möglichkeit, Meinungen zu | |
äußern, ganz im Sinne der demokratischen Teilhabe. Allerdings bergen sie | |
auch Gefahren, insbesondere, wenn sie ethische, moralische oder rechtliche | |
Grenzen überschreiten, etwa durch Hass oder Falschinformationen. Wir | |
sollten uns auch fragen: Auf Kosten welcher Personengruppen wird in Memes | |
ein Witz gemacht? Denn oft reproduzieren Memes durch ihre vereinfachende | |
Natur Stereotype und Vorurteile. Der Humor ist dabei ambivalent. Einerseits | |
hilft er, die Komplexität politischer Inhalte zu reduzieren, andererseits | |
kann er problematische Inhalte verharmlosen. Memes sind oft mehrdeutig und | |
man muss kritisch hinterfragen, wer sie verbreitet und welche Absichten | |
dahinterstehen. | |
taz: Haben Sie ein Beispiel für eine solche Instrumentalisierung? | |
Johann: Es werden bereits simple Emojis instrumentalisiert, die man | |
alltäglich benutzt. Ein Beispiel ist die White-Power-Fingerhaltung, die dem | |
Okay-Fingerzeichen gleicht. Oder es sind Farbkombinationen, die an die | |
deutsche Reichskriegsflagge erinnern. Das sind dann drei runde | |
schwarz-weiß-rote Emojis. Im Zuge der Kamala-Harris-Reden benutzen auch | |
viele ein Kokosnuss- und Palmen-Emoji, um ihre Unterstützung für sie | |
auszudrücken. Solche kodifizierten Elemente gibt es häufig. Pepe the frog | |
und das Clownworld-Emoji sind Beispiele für Evergreens. Es können auch | |
Sachen sein wie das blaue Herz als Sympathiezeichen für die AfD. Oder die | |
beiden Blitz-Emojis, die die SS-Runen symbolisieren sollen. | |
taz: Wie beeinflussen Memes die anstehende US-Präsidentschaftswahl? | |
Johann: Memes allein entscheiden keine Wahl, aber sie können beeinflussen, | |
wie Politik und ihre Akteur:innen wahrgenommen werden. Dass sie zum | |
Repertoire der politischen Kommunikation gehören, zeigt sich auch daran, | |
dass Joe Bidens Kampagne auf der Suche nach einem „Meme-Manager“ war. In | |
den Tiefen mancher Plattformen toben sogenannte „Meme-Wars“. Schon zur | |
Bundestagswahl 2017 wurde in manchen Foren zum „Meme-Krieg“ aufgerufen. | |
Auch bei der US-Wahl gibt es das Potenzial, dass durch Memes gezielt | |
Stimmung gemacht wird. Ein prominentes Beispiel ist hier Elon Musk, der | |
immer wieder über X durch Memes zu politischen Themen Stellung nimmt. | |
Memes bieten dabei Potenzial zur Manipulation, insbesondere durch die | |
humorvolle Verkürzung komplexer Themen und das Mainstreaming fragwürdiger | |
politischer Positionen. | |
taz: Haben Sie Beispiele für [3][Memes in der deutschen Politik]? | |
Johann: Nur wenige Politiker:innen schaffen es, eigene Meme-Trends zu | |
setzen. Die meisten werden eher unfreiwillig selbst zum Meme. Es gibt auch | |
für jede Partei Meme-Kanäle. Meist stecken die | |
Parteikommunikator:innen dahinter, die sagen es nur nicht. Das wird | |
intern geplant und durch eine gezielte Streuung versucht man, Memes in | |
Umlauf zu bringen. Das ist oft auch selbstironisch. Wo es aber nach hinten | |
losgegangen ist, war das CDU-connect-Projekt. Im Zuge des letzten | |
Wahlkampfes hat man darüber viele CDU-Memes geteilt. Am Ende hat jeder | |
darüber gesprochen, meist spöttisch. Wenn man sich aber das Kanalwachstum | |
und die Berichterstattung in der Fachpresse anschaut, haben sie große | |
Aufmerksamkeit erzielt und Raum im politischen Diskurs eingenommen. | |
taz: Welche Unterschiede gibt es in der Meme-Kultur zwischen Deutschland | |
und USA? | |
Johann: In den USA funktionieren Memes besser, weil der politische Diskurs | |
dort emotionaler geführt wird. Durch die Dichotomisierung durch das | |
Zweiparteiensystem kann man leichter mit dem Finger auf die anderen zeigen. | |
Dazu passen Memes eben sehr gut, weil sie über Humor emotionale und | |
meinungsstarke Botschaften senden können. Bei uns ist das entschärfter, was | |
auch mit der politischen Kultur zu tun hat. | |
24 Oct 2024 | |
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[1] /Memes/!t5354742 | |
[2] https://blogs.taz.de/zylinderkopf/eating-the-cats/ | |
[3] /Kommunalpolitiker-auf-Instagram/!6036812 | |
## AUTOREN | |
Martin Seng | |
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