# taz.de -- Biden in Deutschland: Abschiedsbesuch bei Freunden | |
> Wenige Wochen vor der US-Wahl schafft es Noch-Präsident Biden nach | |
> Deutschland. Es wird ein Besuch voller Lobhudelei im Zeichen unlösbarer | |
> Kriege. | |
Bild: Hoher Besuch im Kanzleramt: Olaf Scholz mit Keir Starmer, Joe Biden und E… | |
Berlin taz | Alles sollte nach einem Arbeitsbesuch aussehen. US-Präsident | |
Joe Biden und Bundeskanzler Olaf Scholz krempeln die Ärmel hoch, symbolisch | |
gesprochen natürlich und geben sich als verlässliche Staatenlenker in | |
schwierigen Zeiten. Daher sind bei Bidens Stippvisite außer der Verleihung | |
der Sonderstufe des Großkreuzes des Bundesverdienstordens durch | |
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, nicht viele Extras eingeplant. | |
Kein großer Staatsempfang, kein Gang durchs Brandenburger Tor, kein | |
riesiges Bankett mit illustren Gästen. | |
Immerhin ein kurzes Gespräch mit der Holocaust-Überlebenden Margot | |
Friedländer im Schloss Bellevue. Das hatte sich Biden gewünscht und | |
Steinmeier ihm erfüllt. Ansonsten Arbeit. Neben Steinmeier und Scholz traf | |
Biden am Freitagnachmittag noch den britischen Premier Keir Starmer und den | |
französischen Präsidenten Emmanuel Macron. | |
Die Zeit ist knapp, Kriege und Krisen gibt es zuhauf – und das weltweit. | |
Über allen Entscheidungen und Entwicklungen schwebt [1][derzeit ein heikles | |
Datum]: am 5. November wird in den USA ein neuer Präsident gewählt. Es wird | |
ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der Demokratin Kamala Harris und dem | |
Republikaner Donald Trump werden. Wer von den beiden ins Weiße Haus zieht, | |
wird den außenpolitischen Kurs der Welt prägen. | |
Dass es viel zu tun gibt, darüber gibt es keinen Zweifel. Mit der | |
russischen Invasion in der Ukraine ist der Krieg nach Europa zurückgekehrt, | |
sagte Scholz in einem kurzen Statement, bevor er mit Biden unter vier Augen | |
sprechen wollte. Den USA, namentlich Joe Biden, sei es zu verdanken, dass | |
die Ukraine nicht innerhalb kürzester Zeit überrannt wurde. „Wir stehen an | |
der Seite der Ukraine so lange das nötig ist“, so der Kanzler – und schiebt | |
hinterher: Eine gute Zusammenarbeit sei keine Selbstverständlichkeit, | |
lieber Joe. | |
## Wie stabil ist die Ukraine-Solidarität | |
„Schade, dass wir die Reise letzte Woche absagen mussten“, so beginnt Biden | |
seine Erklärung vor Journalist:innen im Kanzleramt. Hurrikan „Milton“ | |
hatte dafür gesorgt, dass der US-Präsident für Krisenmanagement in der | |
Heimat gefragt war. Und eben nicht außenpolitische Themen wie für die | |
Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten. [2][Auch das geplante | |
Gipfeltreffen im Ramstein-Format] mit Dutzenden Staats- und Regierungschefs | |
wurde abgesagt. | |
Man bemühte sich allseits – allen voran in den USA und Deutschland – klar | |
zu machen, dass die Absage für das Treffen auf der US-Airbase in | |
Rheinland-Pfalz keinen Zweifel an der Unterstützung für die Ukraine | |
aufkommen lassen sollte. Der Ramstein-Gipfel soll voraussichtlich im | |
November nachgeholt werden. Ob Biden dann nochmals nach Deutschland reist, | |
um daran teilzunehmen, ist derzeit unklar. | |
„Deutschland gehört zu den engsten und wichtigsten Verbündeten meines | |
Landes“, sagte der US-Präsident. Deutschland und die USA stünden zusammen | |
für die Menschen in der Ukraine. Als der russische Präsident Wladimir Putin | |
seine brutale Invasion in die Ukraine gestartet habe, habe Deutschland alle | |
daran erinnert, warum dieses Bündnis so wichtig sei. Unter der Führung der | |
USA sei Deutschland aufgestanden und habe sich dem Augenblick gestellt. | |
„Ich weiß, dass der Preis sehr hoch ist“, betonte der US-Präsident. Aber … | |
sei verschwindend gering im Vergleich dazu, wenn der russischen Aggression | |
nicht Einhalt geboten werde. Topthema des Treffens ist die weitere | |
Unterstützung für das Land im Krieg, sicherlich auch [3][der sogenannte | |
„Siegesplan“] des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj – und vor | |
allem weitere Waffenlieferungen und der Einsatz weitreichender | |
Waffensysteme. | |
Selenskyj fordert seit langem die Freigabe der USA, solche Raketen auch auf | |
russischem Territorium einsetzen zu können. Mit derselben Forderung trat er | |
auch in London und in Paris an. Bisher erntete er nur Zurückhaltung. Auch | |
in den USA wird es vermutlich in dieser Frage wenig Bewegung geben. | |
## Sanfte Absage an derzeitigen Nato-Beitritt der Ukraine | |
Teils des „Siegesplans“ ist auch eine Einladung zum Nato-Beitritt an die | |
Ukraine. Konkret sprach Scholz weder den Plan noch den Beitritt an. Aber: | |
Der Kanzler machte erneut deutlich, dass es militärische Hilfe gebe, aber | |
es völlig klar sei, dass die Nato nicht in einen Krieg hineingezogen werden | |
soll. Eine Absage an Selenskyj also. Diese Haltung dürfte für ihn keine | |
Überraschung sein. Hatte er sich doch am Donnerstag [4][sowohl beim | |
EU-Gipfel als auch beim Treffen der Nato-Verteidigungsminister] | |
Nüchternheit statt Euphorie für seinen „Siegesplan“ abgeholt. | |
Beim Thema Finanzierung dürfte sich Selenskyj allerdings freuen. Kanzler | |
Scholz bekräftigte erneut, dass bis Ende des Jahres rund 50 Milliarden | |
US-Dollar zusammenkommen sollen. Das Geld kommt aus den Zinsen | |
eingefrorener russischer Vermögen, darauf hatten [5][sich die G7-Staaten | |
bereits im Sommer geeinigt.] Details darüber, wie die Mittel der Ukraine | |
zur Verfügung gestellt werden sollen, sind aber noch nicht klar. | |
Auch zur aktuellen Lage im Nahen Osten äußerten sich Scholz und Biden. „Wir | |
stehen an der Seite Israels“, sagte Scholz. Mehr denn je müsse man nun eine | |
Eskalation verhindern. [6][Mit dem Tod des Hamas-Chefs Sinwar] öffne sich | |
die konkrete Aussicht auf einen Waffenstillstand und die Befreiung der | |
Geiseln. Gemeinsam mit den USA arbeite man weiterhin an einer | |
Zwei-Staaten-Lösung. Biden sprach von einem Zeichen der Gerechtigkeit. Der | |
US-Präsident betonte, dass man sich weiterhin für die regionale Sicherheit | |
im Nahen Osten einsetzen werde. | |
## Biden, der Transatlantiker alter Schule | |
In einer gemeinsamen Erklärung formulierten US-Außenminister Antony Blinken | |
und die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock ebenfalls ihre Hoffnung | |
auf ein Ende des Kriegs. „Sinwar stand einem Waffenstillstand im | |
Gazastreifen im Weg“, heißt es darin. Alle Geiseln müssten freigelassen | |
werden. Gleichzeitig müsse mehr humanitäre Hilfe zur notleidenden | |
Zivilbevölkerung in Gaza gelangen. Auch Blinken und Baerbock kamen in | |
Berlin zu einem Gespräch zusammen. | |
Biden gilt als Transatlantiker alter Schule. Und so würdigten ihn sowohl | |
Bundespräsident Steinmeier als auch Kanzler Scholz überschwänglich. | |
Mehrfach fiel der Satz: „Thank you Mr. President!“, genauso wie der Appell, | |
die Freundschaft und Verbundenheit mit Europa nicht zu vergessen. Auch dies | |
zeigt die große Sorge vor einem neuen US-Präsidenten Trump. Dieser hatte in | |
seiner Amtszeit die Nato als „obsolet“ bezeichnet. Beim Thema Ukraine-Krieg | |
propagierte er wiederholt sein Ansinnen, mit einem Telefonat mit Putin | |
könne der Konflikt sofort beendet werden. | |
Der Besuch Bidens in Berlin fand unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen | |
statt. Sobald der US-Präsident sich bewegt, also vom Schloss Bellevue nach | |
dem Treffen mit Steinmeier und dann ins Kanzleramt, geht auf den Straßen | |
oder in den S- und U-Bahnen nichts mehr. Am Freitagabend, im Anschluss an | |
das Treffen mit Starmer, Macron und Scholz wollte sich Biden dann wieder | |
auf den Heimweg machen. | |
18 Oct 2024 | |
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## AUTOREN | |
Tanja Tricarico | |
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