# taz.de -- EU-Gesetz gegen Abholzung: Waldschutz kommt später | |
> Die EU-Kommission hat den Start der Entwaldungsverordnung verschoben. | |
> Umweltschützer kritisieren das angesichts der weltweiten Waldzerstörung. | |
Bild: Gerodetes Amazonasgebiet in Humaita, Brasilien: Zwischen 1990 und 2020 si… | |
Berlin/Brüssel taz/dpa/afp | Ab Ende Dezember sollte [1][die europäischen | |
Verordnung gegen Abholzung] für große Unternehmen gelten. Nun hat die | |
Europäische Kommission offenbar dem Druck nachgegeben und den Ländern 12 | |
Monate mehr Zeit verschafft, „um eine ordnungsgemäße und wirksame Umsetzung | |
zu gewährleisten“, heißt es in einer Mitteilung der Kommission am Mittwoch. | |
Dem müssen noch das EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten im Rat zustimmen. | |
Mit der EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) soll sichergestellt werden, dass | |
bestimmte Produkte wie Kakao, Papier oder Rindfleisch, die in der EU | |
verkauft werden, nicht zum [2][Abholzen von Wäldern] innerhalb der EU und | |
anderswo in der Welt beitragen. Große Unternehmen müssen dahingehend ihre | |
Lieferketten überprüfen. Der Nachweis soll mit Hilfe von | |
satellitengestützten Ortsdaten an die Kommission erfolgen. | |
Ein entsprechendes IT-System, in dem Unternehmen ihre Berichte abgeben | |
müssen, soll im Dezember vollständig in Betrieb gehen, teilte die | |
Kommission mit. Kritiker*innen hatten zuvor bemängelt, dass die | |
Technologie so kurz vor Anlauf noch nicht bereitstünde. Auch die für | |
Frühjahr angekündigten Leitlinien für Unternehmen veröffentlichte die | |
Kommission erst am Mittwoch. | |
Mehrere Wirtschaftsbereiche hatten die geplante Verordnung wegen der | |
mangelnden Vorbereitung kritisiert, darunter die Süßwarenindustrie und | |
Zeitungsverleger. | |
## Deutschland hatte Verschiebung gefordert | |
Die Kommission begründete ihre Entscheidung auch mit der Ablehnung der | |
Regeln im Ausland: „Drei Monate vor dem geplanten Umsetzungstermin haben | |
mehrere internationale Partner wiederholt ihre Besorgnis über den Stand | |
ihrer Vorbereitungen zum Ausdruck gebracht“. Die Entwaldungsverordnung war | |
zum Beispiel immer wieder Thema bei den Verhandlungungen mit den | |
Mercosur-Staaten, die darin teils eine Bevormundung sahen. | |
Aber auch Kooperativen von [3][Kleinbäuer*innen etwa in Ghana] oder El | |
Salvador beklagen, dass sie für die nötige Kartografierung und | |
Datensammlung keine zusätzlichen Ressourcen oder Unterstützung von | |
Abnehmerunternehmen erhielten. | |
Besonders innerhalb der EU war der Druck groß. Einige EU-Mitgliedstaaten | |
hatten einen Aufschub gefordert, darunter Deutschland. | |
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hatte [4][in der | |
vergangenen Woche erneut eine Verschiebung des Gesetzes gefordert]. Die | |
Bundesregierung fürchtet eine „überbordende Bürokratie“ für deutsche | |
Forstwirte. Bislang fehle eine Einstufung Deutschlands und anderer | |
EU-Staaten als Länder mit einem niedrigen Risiko für den Waldbestand. Eine | |
solche Einstufung solle Nachweispflichten für hiesige Unternehmen | |
verringern. | |
Özdemir begrüßte dann auch die Verzögerung in der Umsetzung, stellte aber | |
klar, die Verordnung selber müsse unangetastet bleiben. „Die EUDR ist und | |
bleibt ein Meilenstein im internationalen Waldschutz und muss umgesetzt | |
werden“. | |
## „Ein frontaler Angriff auf die EU-Klimapolitik“ | |
Als Trauerspiel bezeichnete hingegen die grüne Europaabgeordnete Anna | |
Cavazzini das Vorhaben. „Die Verschiebung passiert im Kontext der größten | |
Waldvernichtung der letzten Jahre auf dem lateinamerikanischen Kontinent“. | |
Das sei ein frontaler Angriff auf die EU-Klimapolitik. | |
Es müsse jetzt sichergestellt werden, dass mit der Verschiebung nicht die | |
Büchse der Pandora geöffnet und das Gesetz nicht abgeschwächt werde. Die | |
SPD-Europaabgeordnete Delara Burkhardt sagte, Sozialdemokraten würden alles | |
dafür tun, dass Konservative um CDU und CSU das Verfahren nicht ausnutzten, | |
um das Gesetz abzuschwächen. | |
Vehemente Kritik äußerten auch Umweltorganisationen. Der WWF teilte mit, | |
Entwaldung sei die zweitgrößte CO₂-Quelle nach der Industrie. „Ursula von | |
der Leyen hätte genauso gut selbst die Kettensäge schwingen können“, sagte | |
Sébastian Risso von Greenpeace. Die Menschen in Europa würden keine | |
Produkte aus Abholzung in ihren Supermarktregalen wollen, aber genau das | |
werde ihnen die Verzögerung bescheren. | |
2 Oct 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Firmen-sollen-Satelliten-einsetzen/!5812534 | |
[2] /Umsetzung-der-EU-Entwaldungsrichtlinie/!6023474 | |
[3] /Internationale-Kakao-Konferenz/!6003503 | |
[4] /Entwaldungsverordnung-der-EU/!6038908 | |
## AUTOREN | |
Leila van Rinsum | |
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