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# taz.de -- Habeck senkt Erwartung für Wachstum: Das Potenzial schwindet
> Die Industrie hat weniger Aufträge, die Autobauer weniger Umsatz, wie
> neue Zahlen zeigen. Auch die Ampel geht nun von einem schrumpfenden BIP
> aus.
Bild: Für Wirtschaftsminister Robert Habeck ist die wirtschaftliche Lage in De…
Berlin taz | Die deutsche Industrie schlittert zunehmend in eine Krise. In
den ersten sechs Monaten dieses Jahres erwirtschaftete die hiesige
[1][Automobilindustrie] 265,5 Milliarden Euro. Dies ist ein Umsatzrückgang
von 4,7 Prozent innerhalb eines Jahres, wie das Statistische Bundesamt am
Montag bekannt gab. Gleichzeitig leidet das gesamte verarbeitende Gewerbe
derzeit an einem Auftragsmangel. Nach einer Erholung in den beiden
Vormonaten gingen die Auftragseingänge im August im Vergleich zum Vormonat
um 5,8 Prozent zurück.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bezeichnete die derzeitige
ökonomische Lage als „nicht zufriedenstellend“. „Gerade für Deutschland
gilt, dass wir hoch abhängig sind vom Weltmarkt“, sagte der
Grünen-Politiker. Und der Weltmarkt ziehe noch nicht an. Gerade China, das
neben den USA der größte Handelspartner Deutschlands ist, habe
„wirtschaftliche Schwächen“.
Der deutliche Rückgang sei „ein klares Krisensignal“, warnt der Direktor
des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK),
[2][Sebastian Dullien]. Derzeit gingen bei den Industriebetrieben fast 10
Prozent weniger Aufträge ein als in der Vorpandemiezeit. Auch sei eine
Trendwende bei der Industrie nicht in Sicht.
## Drei Schlüsselindustrien schwächeln
Laut dem Ökonomen sind mit dem Automobilbau, dem Maschinenbau und der
Chemieindustrie drei wesentliche Schlüsselbereiche der deutschen Industrie
massiv von der Schwächephase betroffen. „Neben den Nachwirkungen des
Energiepreisschocks durch die russische Ukraine-Invasion kommen die
Unternehmen zunehmend durch die aggressive Industriepolitik Chinas und der
USA unter Druck“, sagte Dullien.
„China versucht, bei wichtigen Schlüsseltechnologien unabhängig vom Ausland
zu werden, was sich in schwächelnden Exporten Deutschlands nach China
niederschlägt“, so der Ökonom. Die USA versuchten, insbesondere im Bereich
erneuerbarer Energien und E-Mobilität im Inland geschlossene
Wertschöpfungsketten aufzubauen, was der deutschen Industrie ebenfalls
Schwierigkeiten bereite.
Doch nicht nur die exportorientierte Industrie leidet. Auch beim
Einzelhandel hat sich die Stimmung im September weiter verschlechtert. Laut
einer Umfrage des Münchner Ifo-Instituts sind die Unternehmen der Branche
pessimistischer geworden. „Verbraucherinnen und Verbraucher sind
verunsichert, was das wirtschaftspolitische Umfeld angeht“, sagte
Ifo-Experte Patrick Höppner. Das lasse für das restliche Jahr 2024 keine
dynamische Entwicklung bei den privaten Konsumausgaben mehr erwarten.
Aufgrund der sich verschlechternden Konjunkturlage hat eine Reihe von
Ökonom*innen in letzter Zeit ihre Prognose gesenkt. Medienberichten
zufolge geht nun auch die Bundesregierung von einer in diesem Jahr
schrumpfenden Wirtschaft aus. Demnach erwartet das Wirtschaftsministerium
in seiner Herbstprognose, die es am Mittwoch veröffentlichen will, einen
Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 0,2 Prozent. Ursprünglich
hatten Habecks Ökonom*innen mit einem leichten Plus von 0,3 Prozent
gerechnet. Für kommendes Jahr heben sie jedoch ihre Prognose leicht an. Sie
gehen für das Jahr 2025 von einem Wachstum von 1,1 statt 1,0 Prozent aus.
Trifft ihre Vorhersage zu, würde das BIP zwei Jahre in Folge sinken.
Bereits vergangenes Jahr schrumpfte es um 0,3 Prozent und liegt damit
aktuell auf dem Niveau von 2019.
## In anderen Ländern läuft es besser
„Insgesamt stellt sich die wirtschaftliche Lage in Deutschland gegenwärtig
und perspektivisch schlechter dar als in anderen Ländern, die ebenfalls den
großen Schocks (Pandemie, Krieg Russlands gegen die Ukraine) und globalen
Entwicklungen (Strukturwandel in China, Dekarbonisierung) ausgesetzt sind“,
schreiben führende deutsche Wirtschaftsinstitute in ihrer
Gemeinschaftsdiagnose, die sie Ende September veröffentlichten.
Darin gehen die Ökonom*innen ebenfalls von einem Schrumpfen der
Wirtschaft aus – und zwar um 0,1 Prozent für dieses Jahr. Ihnen macht
insbesondere das sogenannte Potenzialwachstum Sorgen, das heißt: wie viel
die hiesige Wirtschaftsleistung bei einem normalen Auslastungsgrad der
Produktionskapazitäten eigentlich wachsen müsste. Zwischen 2011 bis 2019
lag diese Rate bei 1,4 Prozent im Jahr. Seit 2020 ist es nur noch halb so
viel.
Der Wirtschaftsminister zeigt sich jedoch auch optimistisch. „Die
Rahmenbedingungen verbessern sich eigentlich“, sagte Habeck. Aber es gebe
eine große Zurückhaltung, ob das alles „wohl so verlässlich“ sei.
Kurzfristig helfe am meisten ein Impuls für mehr Investitionen, wie ihn die
Bundesregierung kürzlich mit der sogenannten „Wachstumsinitiative“
beschlossen habe.
Allerdings haben Entscheidungen der Bundesregierung aus Expertensicht
durchaus auch zur prekären Lage der Industrie beigetragen: „Die
Bundesregierung hat mit ihren abrupten Kürzungen bei den Förderprogrammen
etwa für [3][E-Mobilität] Ende 2023 die Rahmenbedingungen für die Industrie
zusätzlich destabilisiert“, sagte Ökonom Dullien. Förderungen aus der
Wachstumsinitiative dürften ihre Wirkung hingegen „frühestens im kommenden
Jahr“ entfalten.
7 Oct 2024
## LINKS
[1] /E-Autos-aus-China/!6040767
[2] /Oekonom-ueber-Wahlen-in-Frankreich/!6018069
[3] /Strafzoelle-fuer-chinesische-E-Autos/!6034879
## AUTOREN
Simon Poelchau
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