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# taz.de -- LGBTQIA in Georgien: Tödliche Messerstiche
> Eine trans* Frau wird in Tbilissi ermordet. Verdächtigt wird ihr
> Ex-Partner. Viele sind schockiert. Es ist nicht das erste derartige
> Hassverbrechen.
Bild: Protest gegen Gewalt gegen Teilnehmer des Tbilissi Pride im Jahr 2021
Berlin taz | Die queere Community in der Südkaukasusrepublik Georgien und
nicht nur sie steht unter Schock: Am vergangenen Mittwoch wurde die trans*
Frau Kesaria Abramidse in ihrer Wohnung in der Hauptstadt Tbilissi mit
mehreren Messerstichen ermordet. Angaben des georgischen Innenministeriums
zufolge sei bereits wenige Stunden später ein Verdächtiger festgenommen
worden. Dabei soll es sich um den früheren Freund der 37-Jährigen handeln.
Der Tat soll eine Auseinandersetzung voraus gegangen sein.
Der Fernsehsender Mtavari TV veröffentlichte Bilder einer
Überwachungskamera. Darauf ist der mutmaßliche Täter zu sehen. Er wartet
vor dem Fahrstuhl in dem Wohnhaus des Opfers. 15 Minuten später verlässt er
über die Treppen fluchtartig das Gebäude.
Bekannte von Abramidse, die der russischsprachige Dienst der BBC zitiert,
sagten gegenüber Journalist*innen, sie sei bereits mehrfach Gewalt und
Bedrohungen ihres Ex-Partners ausgesetzt gewesen. Bereits an diesem Freitag
soll Anklage erhoben werden. Im Falle einer Verurteilung drohen dem
Beschuldigten mindestens 16 bis 20 Jahre Haft.
Reaktionen auf den Mord ließen nicht lange auf sich warten. „Vielleicht ist
das ein Weckruf für unsere Gesellschaft…die im Hass versunken ist – einem
Hass, der dem Feind erlaubt, uns auf jede erdenkliche Weise zu
manipulieren, zu spalten und zu schwächen“, schrieb Georgiens
Staatspräsidentin Salome Surabischwili auf Facebook.
## Aus der Feder des Kreml
Michael Roth, SPD-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Auswärtigen
Ausschusses, postete auf X: „Wer Hass sät, wird Gewalt ernten. Kesaria
Abramidse wurde getötet. Nur einen Tag nachdem das georgische Parlament das
Anti LGBTI-Gesetz verabschiedet hat. Ich bin zutiefst schockiert und
fordere die Regierungspartei ‚Georgischer Albtraum‘ (der richtige Name
lautet „Georgischer Traum“, abgek. KO; d. Red.) auf, dieses beschämende
Gesetz sofort zurück zu ziehen.“
Besagtes Gesetz „Über den Schutz von Familienwerten und Minderjährigen“,
[1][das aus der Feder des Kreml zu stammen scheint], hatte das Parlament am
vergangenen Dienstag mit 84 von 150 Stimmen in finaler Lesung
verabschiedet.
In den Vorschriften wird die Familie wird als Verbindung zwischen Mann und
Frau definiert, queere Menschen haben kein Recht auf Adoption. Für trans*
Personen wird der Zugang zu medizinischen Dienstleistungen beschränkt. Das
Gleiche gilt für die Möglichkeit, die Geschlechtsidentität in offiziellen
Dokumenten eintragen zu lassen.
Künftig soll es verboten sein, in Bildungseinrichtungen, in Medien oder auf
öffentlichen Kundgebungen Informationen über Gender-Identitäten zu
verbreiten. Am 26. Oktober finden in Georgien Parlamentswahlen statt. Die
KO hat bereits angekündigt, [2][die Bestimmungen in der Verfassung
festzuschreiben, sollte sie die dafür notwendige qualifizierte Mehrheit
erhalten].
## Stilles Gedenken
Am Donnerstagabend versammelten sich Aktivist*innen, um mit Blumen und
Kerzen schweigend Kesaria Abramidses, die häufig in TV-Shows aufgetreten
war, zu gedenken. Auf Plakaten prangerten sie die „faschistische
Gesetzgebung“ an. Die Nichtregierungsorganisation Tbilissi Pride verteilte
eine Erklärung.
Ohne den Hass, den der Staat zunächst gefördert und dann legitimiert habe,
hätte Kesaria Caesarea noch lange gelebt. Heute bewege sich das Leben der
queeren Gemeinschaft in Georgien von einer Tragödie zur nächsten. Ständig
herrsche Angst, um wen man als nächstes trauern müsse oder selbst der bzw.
die Nächste sei.
„Dieses verabschiedete Gesetz ist eine Ermutigung, ein grünes Licht und
eine Ermutigung für Vergewaltiger… Autoritäre Staaten haben sich, wie wir
aus der Geschichte wissen, immer einen „Sündenbock“ gesucht, der an allen
Problemen schuld ist. So hat das im nationalsozialistischen Deutschland und
in vielen anderen Ländern angefangen. Was wir in Georgien sehen, ist ein
Beispiel für den russischen Faschismus. Denn das ist es, was Wladimir Putin
legalisiert hat und weshalb queere Menschen in Russland im letzten
Jahrzehnt Gewalt ausgesetzt waren und aus dem Land geflohen sind“, zitiert
die BBC die Leiterin von Tbilissi Pride, Tamar Dschakeli.
Die Organisation forderte das Innenministerium auf, unabhängige
Expert*innen und Vertreter*innen der Partnerländer in eine
Untersuchung miteinzubeziehen, um ähnliche Hassverbrechen in Zukunft zu
verhindern.
In den vergangenen Jahren hatte Gewaltverbrechen gegen trans* Menschen
immer wieder für Bestürzung gesorgt. Im November 2014 war eine Frau
niedergestochen und ihre Wohnung in Brand gesetzt worden. Zwei Jahre später
wurde eine Frau tot in ihrer Wohnung aufgefunden, als Ursache wurde ein
Gasleck angegeben. Kurz darauf starb ein Frau, der zahlreiche
Stichverletzungen an Kopf und Nacken beigebracht worden waren. Sie hatte
fast 40 Tage im Koma gelegen.
20 Sep 2024
## LINKS
[1] /Oligarch-Iwanischwili-in-Georgien/!6005092
[2] /Georgiens-queerfeindliche-Gesetzgebung/!6034309
## AUTOREN
Barbara Oertel
## TAGS
Schwerpunkt LGBTQIA
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