# taz.de -- Autorin über rechten Antifeminismus: „Vater Staat zeigt, wo es l… | |
> Wie greifen rechte Ideologie und Antifeminismus ineinander? Sarah Kessler | |
> über Verunsicherung und Politikerinnen wie Alice Weidel oder Marine Le | |
> Pen. | |
Bild: Antifeministen unter sich: Alice Weidel bei einer AfD-Wahlkampfveranstalt… | |
taz: Frau Kessler, was verbindet antifeministische Rhetorik mit | |
rechtspopulistischer Ideologie? | |
Sarah Kessler: Das Bild dahinter ist das gleiche: Bei Rechtskonservativen, | |
Rechtspopulisten und vor allem bei Rechtsextremisten steht immer ein | |
starker Staat im Vordergrund. Vater Staat, der zeigt wo es langgeht; der | |
kriegerisch ist, sich verteidigen kann und das absolute Sagen hat. Der | |
Staat als Vaterfigur in einem sehr patriarchalen Rollenbild. | |
taz: Was ist mit prominenten rechtspopulistischen bis neofaschistischen | |
Politikerinnen wie [1][Alice Weidel], [2][Marine Le Pen], [3][Giorgia | |
Meloni]? | |
Kessler: Sie sind der beste Beweis, dass auch Frauen repressive | |
frauenfeindliche Politik machen können. Gerade auch, was das Thema | |
[4][Queerfeindlichkeit] angeht oder das Rollenbild, dass Frauen zu Hause an | |
den Herd gehören. | |
taz: Haben die Rechten einfach verstanden, dass es ohne Frauen nicht geht? | |
Kessler: Wichtig ist, nicht nur auf Geschlechter zu schauen, sondern auf | |
die Strukturen der Macht. Die zentrale Frage lautet: Wie wird Macht | |
ausgeübt? Wird sie genutzt, um benachteiligte Gruppen zu unterstützen, oder | |
dient sie dazu, traditionelle Rollenbilder zu zementieren? Frauen in | |
Machtpositionen garantieren keine feministische Politik. Wenn ich | |
Konkurrent*innen wegtreten kann, kann ich mich isoliert stark machen – | |
davon profitieren auch privilegierte Frauen. | |
taz: Lösen allzu emanzipierte Frauen Ängste aus? | |
Kessler: Es geht nicht primär um individuelle „zu emanzipierte“ Frauen, | |
sondern um systemische Veränderungen, die Ängste auslösen können. | |
[5][Rechtspopulismus] ist nicht mit der Idee der Gleichberechtigung | |
kompatibel und kann sich auch gegen einzelne Frauen in Machtpositionen | |
richten. Angela Merkel ist dafür ein interessantes Beispiel: Trotz ihrer | |
langen Amtszeit hat sie kaum feministische Politik betrieben, verkörperte | |
eher eine Anpassung an bestehende Strukturen. Daher hat sie bei vielen | |
Antifeministen weniger Widerstand ausgelöst. | |
taz: Wer trägt dann bei zum rechten Erstarken? | |
Kessel: Es ist die Angst vor Veränderung, Existenz und Machtverlust. Die | |
zunehmende Vielfalt an Lebensentwürfen und Identitäten verunsichert viele | |
Menschen in ihrem traditionellen Selbstverständnis. Die Frage „Wer bin | |
ich?“ wird komplexer, wenn plötzlich mehr Optionen zur Verfügung stehen. | |
Das kann zu Verunsicherung führen. | |
taz: Antifeminismus als Ergebnis einer Krise der Männlichkeit? | |
Kessler: Das kann man schon so sagen. Die Hinterfragung des Bildes vom | |
„starken, gefühllosen Mann“ führt bei manchen zu Irritationen, was eine | |
notwendige Debatte über Männlichkeit anstößt. Problematisch wird es, wenn | |
diese Verunsicherung in Radikalisierung umschlägt. | |
taz: Warum gewinnt der Populismus an Einfluss, während der Feminismus | |
verliert? | |
Kessler: Wir leben in einer Welt, in der die Krisen sich extrem schnell | |
abwechseln: Corona, der [6][Ukraine-Krieg], [7][Israel/Gaza], der | |
[8][Klimawandel]. Die Zukunft ist nicht mehr so gewiss, wie sie nach dem | |
Zweiten Weltkrieg für eine Weile schien, da sehnen sich viele Leute nach | |
einfachen Antworten. | |
taz: Gibt es eine einfache Lösung? | |
Kessler: Jeder Mensch hat einen Wirkungsrahmen. Es muss nicht immer der | |
ganz große Kampf sein, manchmal reicht ein wenig Aufmerksamkeit. Wenn man | |
in Gesprächen sexistische, rassistische, antisemitische oder homophobe | |
Bemerkungen hört, sollte man nicht aus Bequemlichkeit darüber hinwegsehen: | |
Hellhörig sein, Hilfe anbieten und betroffenen Personen Solidarität | |
aussprechen, das ist die Devise. | |
18 Sep 2024 | |
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## AUTOREN | |
Fanny Schuster | |
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