# taz.de -- Gewalt in der Heimerziehung: Erste Stadt erkennt das Leid an | |
> München will Kinder entschädigen, denen in Heimen Leid zugefügt würde. | |
> Das könnte erstmals auch einigen Opfern der Haasenburg-Heime helfen. | |
Bild: Kein trautes Heim: Ehemalige Gebäude der Haasenburg-Heime in Müncheberg… | |
Hamburg taz | Die Geschichte könnte bitterer nicht enden. Nachdem die | |
Justiz die in 2013 erfolgte [1][Schließung der Haasenburg-Kinderheime] als | |
nicht rechtens einstufte, steht deren Betreiber eine Entschädigung durch | |
das Land Brandenburg in Aussicht, während die Opfer vergeblich darauf | |
warten. Doch nun kommt ein Hoffnungsschimmer aus München: Die Stadt legte | |
einen allgemeinen Fonds auf, mit dem das Leid von Kindern, die im Heim, bei | |
Pflege- oder Adoptiveltern Gewalt erlitten, durch eine finanzielle Leistung | |
anerkannt wird. | |
Damit tut München, wozu sich bisher keine Kommune bereit fand. Die Stadt | |
übernimmt Verantwortung für jene Münchner, die als Kind von 1945 bis in die | |
jüngste Zeit durch ein Münchner Jugendamt fremdplatziert waren. Die Hilfe | |
gilt auch Menschen, die als Kind in einem Heim der Stadt München lebten. | |
## Es zählt auch psychische Gewalt wie Klima der Angst | |
Wie eine [2][ältere Anfrage der Linken] ergab, hatte München 2013 sieben | |
junge Menschen in der Haasenburg untergebracht, auch in den Jahren zuvor | |
wurden je fünf bis zehn Fälle gelistet. Es betrifft also Dutzende. „Die | |
Betroffenen der Haasenburg können einen Antrag auf Anerkennungsleistung | |
stellen“, sagt Ignaz Raab von der Münchner Expertenkommission, die dieses | |
Verfahren entwickelte. Man unterscheide vier Gewaltformen: Geholfen werden | |
soll neben Opfern sexueller und körperlicher Gewalt auch jenen, die unter | |
staatlicher Obhut psychische Gewalt erfuhren. „Dazu gehört zum Beispiel | |
Druck ausüben“, sagt Ignaz Raab – auch ein Verbot, Kontakt zu Eltern zu | |
halten, oder das Bloßstellen eine Kindes, das ins Bett machte. „Psychische | |
Gewalt liegt auch vor, wenn Kinder in einem Klima der Angst aufwuchsen“, | |
ergänzt Kommissionsgeschäftsführerin Cornelia Abeltshauser. Und es zählt | |
auch behördliche Gewalt, etwa das Wegschauen. | |
Für die Betroffenen gibt es nun eine [3][Anlaufstelle beim Verein | |
Kinderschutz München], wo Psychologen bei den Anträgen helfen. „Die | |
Betroffenen können sich darauf verlassen, dass ihre Geschichte vertraulich | |
bleibt“, sagt Edith Petry, Sprecherin des Münchner Sozialreferats. Sie | |
müssten auch nicht vollständig Täter nennen. Unterschieden wird zwischen | |
„Soforthilfen“, die die Menschen in schwierigen Lagen gleich bekommen, und | |
„Anerkennungsleistungen“, die sich am Umfang des Leids orientieren. Bislang | |
hätten sich rund 180 Betroffene gemeldet, gerechnet wird bis Frühjahr mit | |
rund 250. | |
Soforthilfen wurden bisher in 155 Fällen ausgezahlt im Umfang von 4,2 | |
Millionen Euro. Für die Anerkennungsleistungen beschloss der Stadtrat | |
jüngst [4][einen Mittelbedarf von 35 Millionen Euro]. In Summe stellt | |
München somit 40 Millionen Euro bereit. Die Anträge werden von einem | |
Gremium gesichtet und dem Stadtrat anonymisiert zur Entscheidung vorlegt. | |
Die taz weiß von einer Münchner Angehörigen eines Haasenburg-Opfers, die | |
bereits den Antrag zugeschickt bekam. | |
In Brandenburg indes tut sich wenig. Der [5][Landtag beschloss vorigen | |
Dezember], die Landesregierung möge sich im Bund für einen | |
länderübergreifenden Fonds für Opfer von „institutioneller Gewalt“ in | |
Heimen einsetzen. Daraus wurde bisher nichts. | |
„Ich habe alle Hebel versucht, um einen Entschädigungsfonds für die | |
Betroffenen der Haasenburg zu schaffen“, sagt die Grünen-Fraktionschefin | |
Petra Budke. Aber: „Zunächst scheiterte ein gemeinsamer Fonds an der | |
Bereitschaft der anderen Bundesländer. Dann konnte sich die Landesregierung | |
auf keine direkte Entschädigungsform verständigen“. Die Grünen würden nach | |
der Wahl einen neuen Anlauf starten. „Das sind wir den Opfern schuldig“, | |
sagt Budke. Das SPD-geführte Jugendministerium verwies ebenfalls auf | |
besagten Landtagsbeschluss und erklärte, die Münchner Lösung könnte ein | |
„interessanter Ansatz sein“. | |
21 Sep 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Schliessung-der-Kinderheime-rechtkraeftig/!6022515 | |
[2] https://www.dielinke-muenchen-stadtrat.de/detail/stadtjugendamt-belegt-seit… | |
[3] https://www.kinderschutz.de/angebote/anlaufstelle/ | |
[4] https://ru.muenchen.de/2024/155/Missbrauch-in-Heimen-35-Millionen-Euro-fuer… | |
[5] /Debatte-nach-Urteil-zur-Haasenburg/!5980540 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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