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# taz.de -- Gesine Schwan über Migrationspolitik: „Nicht die eigenen Werte v…
> In einem Brief kritisiert Gesine Schwan mit weiteren SPD-Politiker*innen
> die Migrationspolitik ihrer Partei. Die SPD bringe Hetze hervor, warnt
> sie.
Bild: Gesine Schwan, Politikwissenschaftlerin, auf dem SPD-Parteitag im Dezembe…
taz: Frau Schwan, Sie haben Ihrer eigenen Partei einen [1][offenen Brief
mit dem Titel „Eintreten für Würde“] geschrieben. Steht die SPD momentan
nicht für Würde ein?
Gesine Schwan: Die SPD steht unter großem Druck, Maßnahmen zu ergreifen.
Sie muss auf die aufgeheizte Stimmung in der Öffentlichkeit reagieren.
Manche Aussagen in den Medien und durch konkurrierende Parteien gefährden
die Würde von Migranten. Allein das ständige Sprechen von Abschieben ist
ein Problem. Das Abschieben führt zahlenmäßig zu keiner Lösung. Unter dem
Druck der Radikalisierung der Öffentlichkeit ist die SPD in Gefahr, auch
rhetorisch mitzumachen bei Formulierungen, die ich für gefährlich für die
Würde des Menschen halte.
taz: Die SPD handelt ja nicht nur durch Rhetorik, sondern macht Gesetze.
Wieso wird vor allem seit dem Anschlag in [2][Solingen] statt über
Islamismus fast ausschließlich über Migration diskutiert?
Schwan: Weil wir in einer Zeit des Wahlkampfes sind und weil sowohl für
rechte Parteien, aber auch für die CDU unter [3][Friedrich Merz] Migration
das erfolgreichste Mittel ist, Wahlen für sich zu gewinnen. Der Grund ist
nicht die Migration an sich: Wir sehen, dass seit 2022 die Zahlen
zurückgehen.
taz: Was fordern Sie stattdessen?
Schwan: Einen anderen Ansatz in der Migrationspolitik, in dem statt auf
Abschreckung auf eine partnerschaftliche Politik gesetzt wird: Eine
Politik, in der die Kommunen erheblich mehr mitwirken können bei der Frage
der Aufnahme von Geflüchteten. Wir haben das Problem, dass die Menschen
sich nicht gesehen fühlen. Hier braucht es mehr Teilhabe. Und ich bin für
positive Anreize und Freiwilligkeit.
taz: Wie könnte das aussehen?
Ich bin dafür, dass ein deutscher oder europäischer Fonds eingesetzt wird,
mit dem die [4][Kommunen], die Geflüchtete aufnehmen, Geld bekommen für die
Integration und in gleicher Höhe für eigene Belange. Nur so können wir
regulieren. Migranten werden immer einen Weg finden. Und die Wirtschaft
will sie. Das sehen wir am Beispiel des Brexit. In Großbritannien leben
viermal so viele Ausländer wie zuvor. Wir müssen mit der empiriefernen
Migrationspolitik, die Hetze hervorbringt, aufhören.
taz: Wieso hat nur eine Handvoll Bundestags- und Europaabgeordnete den
Brief unterschrieben?
Schwan: Weil ein großer Druck auf den Amtsträgern lastet, geschlossen
aufzutreten. Die Europaabgeordneten, die den Brief unterzeichnet haben,
sind aber die Kenner der Materie. Sie wissen, dass das, was momentan
diskutiert wird, völlig abseits der Realität ist.
taz: Aber wie ist dann ein Kurswechsel möglich?
Schwan: Ich beschäftige mich seit 2016 mit diesem Thema. Es ist schwierig.
Es ist viel Zeit verstrichen, in der man konstruktive Lösungen hätte finden
können. Aber man muss sie anwenden, wenn man nicht die eigenen Werte und
die Zukunft der SPD verraten will.
taz: In dem Brief heißt es, dass „führende Sozialdemokrat*innen
einen Diskurs der Ausgrenzung und Stigmatisierung mitbefeuert haben“. Ist
das noch Ihre SPD?
Schwan: Es ist sowieso meine SPD. Ich bin seit 1972 in dieser Partei und
habe immer wieder öffentlich mit meiner SPD diskutiert. Das betraf unter
anderem die Griechenlandpolitik. Ich höre intern das Eingeständnis, dass
die Führung auch Zweifel am aktuellen Kurs hat, aber es nicht öffentlich
sagt. Die SPD bleibt meine Partei. Ich werde nicht austreten. Genau wie ich
nicht aus der katholischen Kirche austrete.
24 Sep 2024
## LINKS
[1] https://eintreten-fuer-wuerde.de/
[2] /Zusammenleben-nach-dem-Solinger-Anschlag/!6032607
[3] /CDU-nach-Landtagswahl-in-Brandenburg/!6035413
[4] /Gefluechtetenaufnahme-in-den-Kommunen/!6010433
## AUTOREN
Marie Sophie Hübner
## TAGS
Gesine Schwan
Schwerpunkt Rassismus
Solingen
Migration
SPD
Asylpolitik
GNS
Schwerpunkt Flucht
Europäische Union
Wahlen in Ostdeutschland 2024
Abschiebung
Migration
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