# taz.de -- ZSK-Frontmann Joshi über Rechte: „Schwer, da ruhig zu bleiben“ | |
> Die Punkband ZSK spielt vor der Wahl ein Konzert in Brandenburg. Sänger | |
> Joshi über das Engagement der Band und seine Sorge vor einer | |
> AfD-Machtübernahme. | |
Bild: Vorsänger gegen rechts: ZSK-Frontmann Joshi singt bei der Demonstration … | |
taz: Joshi, warum spielen Sie am Vorabend der brandenburgischen | |
Landtagswahl in Potsdam? | |
Joshi: Wir wollen ein großes Fest des Widerstands feiern. Alle Menschen aus | |
der Zivilgesellschaft sind eingeladen, sich wohl zu fühlen, Kraft zu tanken | |
und gestärkt aus diesem Tag hervorzugehen. Denn die nächsten Monate und | |
Jahre werden wirklich sehr hart. Wir hoffen natürlich auch, dass diese | |
Veranstaltung Menschen motiviert, demokratisch wählen zu gehen. Und wir | |
wollen, dass sich zum Beispiel in München jemand darüber freut, dass in | |
Potsdam so ein tolles Event war! Im Februar habe ich selbst die Demos gegen | |
rechts in Hamburg, München und anderswo verfolgt. Das macht mir jedes Mal | |
Mut, wenn man erlebt, dass man nicht allein auf verlorenem Posten steht. | |
taz: [1][ZSK tritt mit Madsen und den Sportfreunden Stiller auf]. Warum | |
drei westdeutsche Bands? | |
Joshi: Wir leben seit 20 Jahren in Berlin. Und die Unterscheidung zwischen | |
Ost und West finde ich überholt. Wir sitzen da alle im gleichen Boot. Mir | |
ist egal, woher jemand kommt – wer an diesem Tag ein Zeichen für Demokratie | |
setzen will, ist willkommen. | |
taz: Es hätte doch aber sicher auch weitere Bands fürs Line-up gegeben? | |
Joshi: Klar, aber die Terminkalender sind oft voll. Ich sehe das so: Es | |
gibt ein paar Bands, beispielsweise [2][Feine Sahne Fischfilet] und uns, | |
die bei Konzerten gegen rechts immer ganz vorne dabei sind. Aber es wäre | |
toll, wenn wir das bald auf mehr Schultern verteilen könnten. Stellt euch | |
mal vor, 20 coole große deutsche Bands aus allen möglichen Genres würden | |
sagen: Wir spielen zweimal im Jahr in kleinen Orten, in denen die Leute | |
Unterstützung brauchen. Das wäre großartig! | |
taz: Wie hat sich die von Ihnen gestartete Initiative „Kein Bock auf Nazis“ | |
seit 2006 entwickelt? | |
Joshi: Damals war das noch eine kleine Sache, die wir als Band so nebenbei | |
gemacht haben. Eigentlich haben wir immer nur investiert, weil wir es | |
wichtig fanden (lacht). Heute ist das eine große Kampagne mit jährlich über | |
100 Infoständen bei Veranstaltungen, etwa bei Rock im Park oder auf Tour | |
mit den Toten Hosen und den Ärzten. Wir haben acht feste Mitarbeiter und | |
können wirklich etwas bewegen. Im Vergleich zu NGOs wie Sea Watch oder | |
Greenpeace sind wir natürlich nur ein winziges Sandkorn, aber wir erreichen | |
viele Menschen. | |
taz: Die politische Lage ist heute sehr viel ernster als bei der Gründung, | |
oder? | |
Joshi: Definitiv. Noch nie war die Demokratie in Deutschland so bedroht. | |
Dass rechtsextreme Parteien Landtagswahlen gewinnen, ist ein historischer | |
Tiefpunkt. Vielleicht kommt am Sonntag mit Brandenburg ein weiteres | |
Bundesland hinzu. Das könnte eine Zäsur sein. Es fällt mir schwer, da ruhig | |
und gelassen zu bleiben. Ich könnte jeden Tag schreien. Aber statt zu | |
resignieren, sage ich: jetzt erst recht! Wir überlassen denen nicht das | |
Feld. | |
taz: Haben Sie Ihre Strategie im Lauf der vergangenen Jahre angepasst? | |
Joshi: Ja, wir warnen nicht mehr nur vor der AfD. Wer sie jetzt bei der | |
Landtagswahl noch wählt, tut das bewusst: nicht obwohl, sondern weil sie | |
rassistisch ist. Unser Fokus liegt jetzt darauf, engagierte Menschen zu | |
unterstützen, die weiter für Demokratie und Menschenrechte kämpfen. | |
taz: Wie sieht diese Unterstützung konkret aus? | |
Joshi: Wir versenden Tausende Aktionspakete kostenlos an Jugendzentren in | |
ganz Deutschland und an Engagierte, die sich darüber freuen. Wir haben mehr | |
als 1,5 Millionen Flyer, Sticker, Poster und so weiter gedruckt. Am Ende | |
kannst du sagen: Ja, lächerlich. Ein Tropfen auf dem heißen Stein. Aber wir | |
haben es wenigstens versucht. Selbst wenn wir nur geholfen haben, dass all | |
diese coolen alternativen Projekte in den betroffenen Bundesländern die | |
nächsten Jahre durchhalten und einen langen Atem behalten, allein dann hat | |
sich das alles gelohnt. | |
taz: Hatten Sie schon mal mit rechten Sympathisanten im Publikum zu tun? | |
Joshi: Wir haben neulich auf einem kleinen Dorffestival gespielt und da kam | |
jemand im Punkshirt zum Merchandise und meinte, unser Konzert sei super | |
gewesen. Er wollte mir aber auch sagen, dass er unseren Hass auf die AfD | |
nicht versteht. Das wäre ja übertrieben. Ich habe ihn dann gefragt: Was | |
meinst du, was passiert, wenn in diesem Land Faschisten an die Macht | |
kommen? Meinst du, die sagen dann zu ihren Gegnern: Schon gut, macht ruhig | |
weiter. Nein, Mann! | |
taz: Was befürchten Sie im Fall einer AfD-Landesregierung? | |
Joshi: Ich habe auf der Bühne gesagt, dass es keine Festivals wie dieses | |
mehr gäbe, wenn die AfD es allein bestimmen könnte, und dass viele | |
ehrenamtliche Helfer wahrscheinlich im Gefängnis wären. Man muss das doch | |
mal zu Ende denken, bis in fünf oder zehn Jahren. Viele wollen nicht | |
kapieren, was eine AfD-Regierung für ihr Leben bedeuten würde, wenn die | |
wirklich alles in diesem Land entscheiden könnten. Die hören zu Hause | |
vielleicht die Toten Hosen im Radio und finden das cool. Aber wenn die AfD | |
das könnte, wären die Toten Hosen im Radio wahrscheinlich verboten, weil | |
sie Gegner dieser Partei sind! | |
taz: Was hat sich im Kampf gegen rechts verändert? | |
Joshi: Die Welt ist komplexer geworden, und einfache Antworten sind | |
verlockend. Es ist auch ein Problem der radikalen Linken, dass wir auf | |
viele brennende Fragen dieser Welt keine oder nur sehr schwer vermittelbare | |
Antworten haben. Uns geht es darum, dass alle Menschen in Frieden leben | |
können. | |
Als Rechter ist dir das scheißegal. Du hast ein sehr enges Feld an Leuten, | |
die dich interessieren. Alle anderen sind dir gleichgültig. So macht man | |
sich die Welt schön einfach. | |
taz: Kann Punkrock noch etwas bewirken? | |
Joshi: Auf jeden Fall! Wir sind für viele Leute der Soundtrack für ihr | |
politisches Engagement. Unsere Musik gibt ihnen Kraft. Ich habe zum | |
Beispiel auf dem Bundesparteitag der AfD in Essen ein kurzes Akustikset auf | |
einem Lautsprecherwagen gespielt, und viele Menschen haben mir später | |
gesagt, wie sehr sie das motiviert hat. Dabei kam ich mir fast lächerlich | |
vor, dass ich nur so wenig mache, dass ich nicht etwa mithelfe, die Straße | |
zu blockieren. Bands wie [3][The Clash] oder Rage Against The Machine waren | |
der Soundtrack von Protestbewegungen. Musik kann Menschen verbinden und Mut | |
machen. | |
taz: „Die Kids sind okay“, singen Sie auf Ihrem aktuellen Album. Die | |
meisten Erstwählenden in Thüringen und Sachsen stimmten aber für die AfD. | |
Haben Sie sich geirrt? | |
Joshi: Bei unseren Fans auf jeden Fall nicht. Wir haben das große Glück, | |
dass bei uns immer wieder junge Fans nachwachsen, die mega engagiert sind: | |
ob bei Ende Gelände, Fridays for Future oder in einer Antifa-Gruppe. Die | |
schreiben uns oft, dass sie durch uns Demos oder Konzerte gegen rechts | |
organisieren. Das gibt mir Hoffnung. Natürlich ist das nur ein winziger | |
Bruchteil der jungen Leute in Deutschland. Keine Frage, wir sind nicht Nina | |
Chuba oder die 187 Strassenbande. Oder gar Taylor Swift. | |
taz: Sie wollen doch überzeugen? | |
Joshi: Ich bin in erster Linie Musiker und in zweiter Linie politischer | |
Aktivist. Ich habe die Musik nicht gewählt, um möglichst viele Menschen zu | |
erreichen, sondern weil Punkrock live eine geile Sache ist. Dass wir damit | |
nie den Mainstream erreichen können, ist uns völlig klar. Aber ich kann von | |
der Musik leben, Menschen bewegen, und das ist wunderschön. | |
taz: Befürchten Sie Übergriffe beim Konzert? | |
Joshi: In Potsdam nicht. Das ist eine stabile Stadt mit vielen tollen | |
Menschen. Bei anderen Konzerten, wie demnächst in Sonneberg, kann das | |
anders sein, da gibt es spezielle Sicherheitsvorkehrungen. Aber in Potsdam | |
wird es ein Riesenfest der Freude – mit Hüpfburg und Kinderbands. Für alle, | |
die stabil bleiben wollen, ist was dabei. Kommt rum! | |
20 Sep 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://aktionsbuendnis-brandenburg.de/event/kundgebung-in-potsdam-stabil-b… | |
[2] /Feine-Sahne-Fischfilet-in-Thueringen/!5943089 | |
[3] /Zum-Gedenken-an-Punkikone-Joe-Strummer/!5900391 | |
## AUTOREN | |
Maximilian Arnhold | |
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