# taz.de -- Diskriminierung bei Klimaprotest: Ableismus der Klimakrise | |
> Eine Ende-Gelände-Aktivistin, die im Rollstuhl sitzt, berichtet von | |
> diskriminierender Behandlung durch die Polizei. | |
Bild: Diskriminierung gegenüber Menschen im Rollstuhl sind allgegegenwärtig �… | |
Hamburg taz | Wie räumt man eine Person in einem 250 Kilo schweren | |
Elektro-Rollstuhl aus einer Schienenblockade? Mit diesem Problem sah sich | |
die Gelsenkirchener Polizei im April konfrontiert. | |
Am 6. April hatten rund 70 Aktivist*innen von [1][Ende Gelände die | |
Gleise vor dem Steinkohlekraftwerk Scholven] blockiert. 30 weitere waren | |
auf das Gelände des Kraftwerks gelangt. Sie wollten mit der Aktion auf das | |
Leid aufmerksam machen, das die Förderung von Steinkohle in Kolumbien | |
verursacht, wo Gemeinden und Ökosysteme für den Bergbau zerstört und | |
Menschen vertrieben und ermordet werden. | |
Als die Polizei alle anderen Teilnehmer*innen geräumt hatte, widmete | |
sie sich der Rollstuhlfahrerin, die sich Ariel nennt, und ihre beiden | |
Begleiter*innen, die in der Aktion für ihre Assistenz zuständig waren. Die | |
Beamt*innen seien völlig überfordert gewesen, berichtet Ariel. „Sie | |
bedrängten mich, zu verraten, wie ich über den Schotter dorthin gekommen | |
war“, sagt die Aktivistin. Doch als sie es ihnen verraten habe – mithilfe | |
von Brettern –, hätten die Beamt*innen das zu gefährlich gefunden und | |
riefen stattdessen ein Auto-Abschleppunternehmen. | |
Das weigerte sich, den Rollstuhl samt Fahrerin aus dem Gleisbett und die | |
Böschung hochzuziehen – viel zu gefährlich. Die beiden Begleiter*innen | |
wurden geräumt, ebenso entfernte die Polizei Ariels Strohhalm, ohne den sie | |
nicht trinken kann. Auch auf Toilette gehen konnte sie ohne Assistenz | |
nicht. „Ich musste mir ableistische Fragen und Kommentare anhören“, sagt | |
Ariel. So hätten die Beamt*innen sie gefragt, ob sie lesen könne und | |
wüsste, was auf dem Plakat stünde, das an ihrem Rolli befestigt war. „Sie | |
äußerten mehrfach die Vermutung, dass ich in einer Einrichtung lebe und es | |
jemanden geben müsse, der ein Aufenthaltsbestimmungsrecht für mich hat. | |
Dass ich selbstbestimmt lebe, schienen sie nicht zu verstehen.“ | |
## Polizei und Feuerwehr wirkten überfordert | |
Die Polizei Gelsenkirchen bestätigt die Situation grundsätzlich, bestreitet | |
aber, sich diskriminierend verhalten zu haben. „Die Sicherheit und die | |
Wertschätzung aller Menschen hat für die Polizei Priorität“, sagte eine | |
Sprecherin. Daher sei eine ungefährliche Bergung der betroffenen Person ein | |
Schwerpunkt des Einsatzes gewesen. Kräfte der Feuerwehr und der Polizei | |
hätten die Person schließlich geborgen. | |
Ariel schildert es anders: Ein Spezialfahrzeug der Feuerwehr sei zu ihr auf | |
die Schienen gefahren, allerdings hätte die Transportfläche eine Höhe von | |
etwa einem halben Meter gehabt, aber keine Rampe. Unter Fluchen hätten die | |
Beamt*innen sie im Rollstuhl hochgehievt. Das sei alles andere als | |
sicher gewesen. „E-Rollis sind für so etwas nicht gemacht, es gibt auch | |
keine Sicherung für solche Situationen“, sagt Ariel. | |
## Ableistische Dimension der Klimakrise | |
Während die anderen Aktivist*innen längst mit Platzverweisen entlassen | |
worden seien, sei Ariel weiter festgehalten worden, ein Amtsarzt sollte sie | |
begutachten. „Da wurde es richtig schlimm“, sagt die Aktivistin. „Er hat | |
mir gedroht, mich in eine Psychiatrie einzuliefern.“ Für den Transport | |
dorthin sollte erneut ein Abschleppdienst für den Rollstuhl kommen. Ein | |
Polizist habe zu einem Kollegen mit Blick auf den Rollstuhl gesagt: „Den | |
will ich auf jeden Fall am Haken sehen.“ Erst nach über zwei Stunden sei | |
sie freigelassen worden. | |
Der Stress habe ihren Körper noch Tage später mitgenommen, sagt Ariel, habe | |
Schmerz und Schlaflosigkeit verursacht. Trotzdem sei es ihr wichtig, weiter | |
auf die ableistische [2][Dimension der Klimakrise] hinzuweisen. „In der | |
Klimakrise sind behinderte Menschen die ersten, die sterben“, sagt sie. Bei | |
der Ahrtal-Flut waren zwölf Menschen mit Behinderung in einem Wohnheim | |
ertrunken. | |
22 Sep 2024 | |
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## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
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