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# taz.de -- Vergewaltigungsprozess in Frankreich: Abgründe sexueller Perversio…
> Bei den Gerichtsverhandlungen kommen immer neue grausige Details ans
> Licht. Die Verteidigung versucht, das Opfer auf infame Weise zu
> diskreditieren.
Bild: Gisèle Pelicot mit ihrem Anwalt Antoine Camus im Gerichtsgebäude in Avi…
Paris taz | Dominique Pelicot steht in Avignon wegen Vergewaltigung vor
Gericht, weil er seine Frau Gisèle jahrelang betäubt und anderen auf einer
Chatplattform kontaktierten Männern für von ihm gefilmte oder fotografierte
Vergewaltigungen überlassen hat. Nicht weniger als 50 von ihnen sitzen nun
ebenfalls auf der Anklagebank.
Der Fall ist vor allem in seinem Ausmaß in der französischen
Kriminalgeschichte einzigartig und schockiert weit über das Land hinaus.
Wenn jetzt vor den Richtern und Angeklagten die Einzelheiten aufgerollt
werden, tun sich vor der Öffentlichkeit Abgründe sexueller Perversionen
auf.
Der Prozess, der auf ausdrücklichen Wunsch von [1][Gisèle Pelicot]
öffentlich ist, hat eine exemplarische Bedeutung. In der zweiten
Prozesswoche versuchen die Anwälte der Verteidigung, das Opfer zu
destabilisieren oder zu diskreditieren.
Empört über die provokativen Versuche, die Schuld der Vergewaltiger, denen
sie vor Gericht ins Gesicht blickt, mit Suggestionen zu mindern oder ihr
als Opfer gar eine Verantwortung unterzuschieben, hat sie ihnen zugerufen:
„Eine Vergewaltigung ist und bleibt eine Vergewaltigung!“ Sie bedauert
nicht, dass die Verhandlungen nicht hinter verschlossenen Türen geführt
werden, aber bemerkt zu ihrer eigenen Erfahrung: „Ich verstehe jetzt, warum
(andere) Opfer von Vergewaltigungen nicht vor Gericht gehen.“
## Gisèle Pelicot lässt sich nicht beirren
Für Gisèle Pelicot gehen die Anwälte der Verteidigung in schockierender
Weise zu weit, indem sie versuchen, sie in mit heimlich aufgenommenen Fotos
zu diskreditieren, auf denen sie nackt, mit einem Sextoy und in
Vergewaltigungsszenen zu sehen ist. Das Interesse der Verteidiger dürfte
sein, mit den Bildern zu belegen, dass sie vielleicht doch in einigen
Fällen wusste, was geschah und das duldete.
Einer der Verteidiger erlaubt sich sogar die Frage, ob sie nicht „eine
nicht eingestandene exhibitionistische Neigung“ habe. Zu den gezeigten
Fotos gehören Bilder, auf denen angeblich zu sehen ist, wie sie nackt aus
dem Badezimmer kommt oder sich in jüngeren Jahren an einem FKK-Strand
sonnt.
Die mutig und selbstsicher auftretende Gisèle Pelicot lässt sich nicht
beirren und beleidigen: Zu keinem Zeitpunkt habe sie bemerkt, dass ihr Mann
diese Bilder oder Videos aufgenommen habe, sie sei bewusstlos gewesen, als
er und diese vielen Männer sie vergewaltigt hätten.
Aber ist es vertretbar, wenn die Verteidigung der Angeklagten auch jetzt
noch gravierende Zweifel an der Schuld oder die Unschuldsvermutung geltend
macht, [2][nachdem Dominique Pelicot selber die Anklagepunkte bestätigt und
seine Schuld eingestanden hatte]: „Ich bin ein Vergewaltiger wie alle
anderen Betroffenen hier im Saal.“
## Volles Geständnis abgelegt
Er bezeichnet sich selber als Opfer einer Vergewaltigung im Alter von neun
Jahren. Mit 14 habe man ihn gezwungen, auf einer Baustelle bei der
Vergewaltigung einer Frau mit Behinderung mitzumachen. „Man kommt nicht als
Perverser auf die Welt, man wird es“, sagt er zuletzt zur Erklärung.
Ein volles Geständnis hat auch einer der Mittäter vor Gericht abgelegt. Er
hat erklärt, wie ihm Dominique Pelicot auf einer (inzwischen eingestellten)
Plattform alle Einzelheiten – namentlich die völlige Betäubung seiner Frau
mit einem geeigneten Medikament – geschildert und ihn zu Vergewaltigungen
animiert habe. Er habe dies zuerst abgelehnt, aber zuletzt nicht nur
akzeptiert, sondern diese Praktiken dann mit seiner eigenen Gattin
nachgeahmt. Jeder Prozesstag in Avignon liefert zusätzliche schockierende
Fakten.
Wenige der Mitangeklagten bitten um Verzeihung. Die übrigen versuchen
bisher glaubhaft zu machen, dass sie der (fälschlichen) Meinung waren, es
habe sich um ein mit dem Opfer abgesprochenes Szenario gehandelt. Oder sie
sagen, dass sie sich der kriminellen Tragweite nicht bewusst gewesen seien,
weil der Mann die Zustimmung gegeben habe. Das habe ihnen genügt.
„Sie sagen, sie hätten bloß gemacht, was man von ihnen verlangte! Und ein
eigenes Hirn haben sie nicht?“, entgegnete Gisèle Pelicot. „Und man soll
nicht von sexuellen Handlungen reden, das sind Vergewaltigungen. Ich rege
mich gewöhnlich nicht auf, aber jetzt reicht’s!“ Vor Gericht steht somit
die patriarchalische Vorstellung, dass ein Mann durch die Ehe über seine
Frau verfügen könne.
19 Sep 2024
## LINKS
[1] /Vergewaltigungsprozess-in-Frankreich/!6032713
[2] /Gewalt-gegen-Frauen/!6032478
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
Schwerpunkt Frankreich
Vergewaltigung
Justiz
Sexualisierte Gewalt
Prozess
Gewalt gegen Frauen
GNS
Feminismus
Pelicot-Prozess
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Schwerpunkt Femizide
Roman Polanski
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