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# taz.de -- Geschlechtsspezifische Gewalt: Zu lange zu wenig beachtet
> In diesem Jahr kam es in Berlin bereits zu 11 Femiziden. Zu wenig
> Frauenhausplätze, Präventions- und Täterarbeit sind Themen beim
> Präventionstag.
Bild: „Den Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt können wir nur zusammen…
Berlin taz | Aus der Anfangsverliebtheit wird nach dem Zusammenzug schnell
eine psychisch gewaltvolle Beziehung. Er zwingt sie, den Kontakt zu
Freund*innen und Familie abzubrechen. Als sie versucht, sich von ihm zu
lösen, hat sie kaum noch soziale Kontakte, eine Wohnung in Berlin kann sich
die Erzieherin nicht leisten. Sie wird ungewollt schwanger, will abtreiben,
bekommt jedoch keinen Termin. Als sie im 5. Monat ist, schlägt er sie zum
ersten Mal – und bricht ihr das Nasenbein. Von da an hört die Gewalt nicht
mehr auf. Erst 5 Jahre später gelingt ihr die Flucht ins Frauenhaus.
„Sie könnte jede von uns sein“, sagt Asha Hedayati am Donnerstagmorgen beim
24. Berliner Präventionstag der Landeskommission Berlin gegen Gewalt. Die
Geschichte, die die Anwältin und Autorin erzählt, ist die einer ehemaligen
Mandantin. Es ist die Geschichte einer der Millionen Frauen, die Opfer
häuslicher Gewalt werden. Jede vierte Frau erlebt in Deutschland mindestens
ein Mal in ihrem Leben Partnerschaftsgewalt, fast alle 2 Tage stirbt eine
Frau an der Gewalt ihres Partners. 2023 gab es in Berlin 13.000 Opfer von
Partnerschaft und innerfamiliärer Gewalt. Drei Viertel der Opfer waren
weiblich.
Wie geschlechtsspezifischer Gewalt präventiv entgegengewirkt werden kann,
wird am Donnerstag in der Heeresbäckerei in Kreuzberg diskutiert. Das Motto
des Präventionstags lautet: „Geschlecht und Gewalt – Vielfalt ermöglichen,
Gewaltursachen bekämpfen“. Ein Motto, das nicht aktueller sein könnte, wie
die Staatssekretärin für Arbeit und Gleichstellung, Micha Klapp (SPD),
betont. In diesem Jahr wurden in Berlin bereit 28 Frauen von Männern
getötet.
Die Landeskommission engagiert sich seit 30 Jahren dafür, Gewalt und
Kriminalität in der Stadt zu verringern. Im Bereich der Prävention gegen
Gewalt an Frauen bietet sie Beratung, unterstützt Frauenzentren und fördert
Präventionsarbeit. Sie ist zudem an Aktionsplänen beteiligt. Darunter ist
auch der Landesaktionsplan zur Umsetzung der Istanbul-Konvention, den der
Senat im Oktober letzten Jahres beschlossen hat.
## Kritik an mangelnder Umsetzung des Landesaktionsplans
„Auch Berlin setzt die Istanbul-Konvention aktiv um“, heißt es in einem
Kurzfilm der Landeskommission, der am Donnerstag ausgestrahlt wird. Im
Publikum sorgt das für Gelächter: Der Landesaktionsplan wird oft wegen
unzureichender Umsetzung kritisiert. So müsste [1][Berlin laut
Konventionsschlüssel 963 Plätze in Frauenhäusern zur Verfügung stellen. Es
gibt jedoch nur 462, knapp die Hälfte.] Bundesweit fehlen nach den am
Donnerstag gehörten Zahlen sogar 14.000. „Wir sind stark am Ausbau von
Schutzplätzen dran“, versichert Staatssekretärin Klapp. Im September wurde
ein neues Frauenhaus eröffnet, das achte in der Stadt. Weitere
Schutzwohnungen sollen hinzukommen.
„Berlin hat im Vergleich zu anderen Bundesländern ein gut ausgebautes
System“, sagt Klapp, räumt aber ein, dass es noch Optimierungspotenzial
gebe. Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) forderte nach den jüngsten
Femiziden Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) auf, das geplante
Gewalthilfegesetz zügig umzusetzen und die Bundesländer bei dem Ausbau der
Beratungsplätze und Schutzstrukturen zu unterstützen.
Der Kurzfilm der Landeskommission hebt indes die geleistete Arbeit hervor:
Fachkräfte würden geschult, um Gewaltsituationen schneller zu erkennen,
„zudem wurde die [2][Zusammenarbeit von Beratungsstellen, Ämtern, Polizei
und Gerichten] intensiviert“. Doch auch in diesem Bereich räumt Dirk
Feuerberg, Staatssekretär für Justiz, ein, dass „noch nachgeschärft werden…
müsse.
## Forderung nach verstärkter Zusammenarbeit zwischen den Institutionen
Auch bei der Ausarbeitung von effektiven Schutzstrategien für
gewaltbetroffene Frauen wird die mangelnde Zusammenarbeit von Einrichtungen
und Institutionen häufig kritisiert. Politiker*innen und Initiativen
fordern daher multiinstitutionelle Fallkonferenzen, (die auch im
Aktionsplan vorgesehen sind). Bei denen erstellen Polizei, Bezirksämter und
Beratungsstellen zusammen eine Schutzstrategie. Es brauche:
„Zusammenarbeit, Zusammenarbeit, Zusammenarbeit“, fordert Staatssekretär
Feuerberg. Der beste Schutz, um neue Taten zu verhindern, sei jedoch die
Täterarbeit, die Arbeit mit männlichen Tätern, die häusliche Gewalt
ausgeübt haben.
Auch Anwältin Hedayati betont: „Den Kampf gegen geschlechtsspezifische
Gewalt können wir nur zusammen mit Männern gewinnen.“ [3][Diese müssten
sich mit patriarchalen Männlichkeitsvorstellungen auseinandersetzen]. Damit
befassen sich auch am Donnerstag Workshops, etwa unter dem Titel „Toxische
Männlichkeit für Aussteiger – Programm für Einsteiger“. Für Hedayati ist
klar: „Nur so kann verhindert werden, dass Frauen überhaupt in Frauenhäuser
flüchten müssen.“
19 Sep 2024
## LINKS
[1] /Berliner-Opfer-von-Femiziden/!6021843
[2] /Femizide-in-Berlin/!6031024
[3] /MannSein-Event-in-Berlin/!6017228
## AUTOREN
Lilly Schröder
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