| # taz.de -- Lesen mit Piratendreisatz: Kopieren, teilen, sichern | |
| > Bücher knicken, stauben und sind schwer. Doof, wenn der E-Book-Reader | |
| > kaputt ist! Auch wenn die Akkustik(abwehr) nicht von ihm profitiert. | |
| Bild: Tolles Dämmmaterial | |
| Jedes Mal, wenn sich das Nachbarskind beinahe die Finger bricht an „Für | |
| Elise“, will ich durchs Haus rufen, dass ein bisschen mehr Übung nicht | |
| schaden tät. Andererseits trennt das Klavier und mich nur eine bröselige | |
| Altbauwand, behelfsmäßig gedämmt mit Bücherregalen. Ich halte mich deshalb | |
| mit Ratschlägen zurück und hoffe still, dass Frustration oder Pubertät die | |
| musikalische Früherziehung bald beenden. Die Regale werden dann genau dort | |
| stehenbleiben. Die machen sich gut als Hintergrund in Videokonferenzen. | |
| Repräsentative Werksausgaben glänzen daneben Raritäten diverser | |
| Ost-Dissidenten. Dämmung, Deko, [1][DDR]: Dafür sind die Papierbücher noch | |
| zu gebrauchen. Zum Lesen aber ist der E-Book-Reader viel geeigneter. Das | |
| wird besonders deutlich jetzt, wo er kaputt ist. | |
| Missmutig wühle ich mich durch den Stapel papierner Leseschulden, der am | |
| Nachttisch einstaubt. Ordentlich hinsetzen muss ich mich dazu, wie so ein | |
| Urmensch. Im Liegen lesen sich die Dinger nämlich doof, knicken weg, sind | |
| zu schwer. Ständig ist es zu dunkel, die Schrift ist nicht vergrößerbar und | |
| Notizen lassen sich auch nicht vernünftig sammeln, sortieren und | |
| kontextualisieren. Immerhin kann ich meine Handschrift auf dem | |
| knittrig-fleckigen Zettel daneben noch lesen: „Dem Stillesitzen bin ich | |
| zugethan. Es bewegt sich die Erde, warum noch ich?“ Sehr schön, lustig | |
| auch, aber wer hat’s gesagt, in welchem Buch? Blätterrascheln. Ach ja. Aber | |
| was war der Kontext? Keine Ahnung. Vergessen, die Seitenzahl zu notieren. | |
| Das Leben ist zu kurz. Nur ein Klick wäre das gewesen auf dem Reader. Auf | |
| den neuen freue ich mich sooo sehr. Der ist handlich, formatoffen und wie | |
| sein Vorgänger frei von irgendwelchen Zwangs-Shops. Seine ganze | |
| Nützlichkeit unter Beweis stellt so ein digitales Hilfsmittel nämlich nur | |
| jenseits der Plattformen. Vollständig unter eigener Kontrolle muss es sein. | |
| Mehrere Regalmeter Literatur, inklusive bisheriger Anmerkungen, kann ich | |
| problemlos wieder darauf übertragen. Es gilt der alte Piratendreisatz: | |
| Kopieren, teilen, sichern. | |
| Das Digital-Rights-Management der Copyright-Extremist*innen hingegen | |
| ist des Teufels. Die famose Cloud ist zwar gut fürs Teilen, aber kein | |
| sicheres Backup. Verlage und Vertriebe [2][ändern gerne mal ihre | |
| Lizenzbedingungen] und -preise, schalten aus Versehen Server ab oder gehen | |
| Pleite. Und dann ist alles weg. Oder teurer. Oder mit Werbung durchsetzt. | |
| Das digitale Plattformgeschäft ist eben nicht für Leser*innen und | |
| Autor*innen gemacht, sondern für Kaufleute. Dagegen sind selbst | |
| antiquarisch erworbene Papierbücher eine richtige Investition für die | |
| Urenkel. | |
| Ironisch am ostdeutschen literarischen Untergrund ist übrigens, dass er | |
| heutzutage genauso schwer erhältlich ist wie zu DDR-Zeiten, und zwar weder | |
| kartoniert noch elektronisch. Damals verboten, heute schwer verkäuflich. | |
| Aber keine Sorge, ich verborge auch mal das eine oder andere Buch. Jedoch | |
| ausschließlich im Tausch gegen ein jeweils ähnlich großes. Sie ahnen es | |
| bereits: Ist nicht für mich, ist für Elise. | |
| 15 Sep 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Daniél Kretschmar | |
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