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# taz.de -- Gedruckte Zeitungen: Endlich nicht mehr herumdrucksen
> Alles hat ein Ende, nur die … Nein, jetzt geht es nicht mit dem üblichen
> Spruch weiter. Denn die gedruckte taz hat ein Ende, zumindest wochentags.
Bild: Papier ist geduldig: taz-Zeitungsstapel in den Redaktionsräumen in der R…
Papier ist geduldig, heißt es, und das Schöne ist: Es stimmt. Wenn Sie zum
Beispiel gerade die wochentaz durchblättern, aber keinen Bock haben, jetzt
ausgerechnet diesen Text zu lesen, dann können Sie das auch morgen tun.
Oder übermorgen. Oder irgendwann. Er wartet hier auf Sie.
Die meisten, vor allem die jüngeren Menschen sind allerdings nicht ganz so
geduldig wie Papier. Sie wollen sofort wissen, was auf der Welt los ist und
was das um alles in der Welt schon wieder zu bedeuten hat. Es ist deshalb
kein Wunder, dass [1][immer weniger gedruckte Tageszeitungen verkauft]
werden. Mein Sohn fragte mich schon als kleiner Junge: „Papa, warum macht
ihr eigentlich eine Zeitung für den nächsten Tag? Da steht doch immer nur
drin, was am Tag davor passiert ist.“
Nun ja, ich wusste damals nicht so recht, was ich sagen sollte, schließlich
hatte mein Sohn einen Punkt, dem man nicht widersprechen konnte. Wenn
[2][Kamala Harris im TV-Duell über Donald Trumps] Behauptung lacht, dass
Migranten die Haustiere von Amerikanern essen, kann eine deutsche
Printzeitung sogar erst am übernächsten Tag davon berichten.
Mit seiner berechtigten Frage zog mein Sohn aber unser bisheriges
Geschäftsmodell in Zweifel, mit dem auch sein Taschengeld finanziert wurde.
Also druckste ich herum und sagte, viele Menschen seien das Gedruckte eben
so gewöhnt, wollten das so und bezahlten sicher weiter gern dafür. Ähm. Ich
glaube, er hat gemerkt, dass ich es selbst nicht glaubte. Eine klare
Antwort gibt ihm erst jetzt die taz, wenn sie am Wochenende bekannt gibt,
wann die tägliche Printausgabe eingestellt wird.
## Die Nürnberger Abendzeitung gibt auch nicht mehr
Da kann man schon mal melancholisch werden. Ich habe Zeitungen geliebt,
fast seit ich lesen konnte. Was darin stand, kam mir super spannend, frisch
und neu vor, weil wir keinen Fernseher zu Hause hatten, geschweige denn ein
Smartphone. Morgens habe ich meinen Eltern den Sportteil aus der Hand
gerissen und auf dem Schulweg die boulevardeske Abendzeitung aus dem
stummen Verkäufer geklaut, was ich jetzt gestehen kann, weil es die
Nürnberger Abendzeitung schon lange nicht mehr gibt. Ich [3][war eben jung,
zeitungssüchtig und hatte kein Geld.] Zur Strafe bekam ich nur einmal einen
Verweis wegen „seelenruhigen Zeitunglesens im Unterricht“. Immerhin diente
es der Berufsvorbereitung.
Dass aus meinem Hobby mein Job wurde, empfinde ich als großes Glück. Also
ja, der [4][Abschied von der gedruckten tageszeitung] fällt mir schwer.
Aber das erhellende Gespräch mit meinem Sohn vor ein paar Jahren hat mir
geholfen, mich auf diesen Moment vorzubereiten. Es ist auch beruhigend,
dass viele Menschen in der taz, die deutlich geschäftstüchtiger sind als
ich, schon deutlich früher mit den Vorbereitungen begonnen haben.
Es hat keinen Sinn, unwiederbringlich Vergangenem nachzutrauern. Ist doch
gut, dass man die taz digital schon abends lesen kann und im schnelleren
Netzbetrieb Schlagfertigkeit gefragt ist, das war schon immer die
taz-Stärke. Wenn die „VW-Belegschaft unter die Räder“ kommt, sitzt so ein
schöner Titel am selben Tag noch besser, kriegt vielleicht sogar ein „Like“
von meinem Sohn. Und auf Menschen mit mehr Muße wartet auch die App
geduldig.
## Unersetzbar ist nur Klopapier
Ja, Papier lässt sich ersetzen. Seine Halbwertzeit hat ohnehin abgenommen.
Die Welt dreht sich zu schnell, um noch irgendetwas in Schriftsätzen
festhalten zu können. Der Koalitionsvertrag der Ampel war praktisch sofort
obsolet, als Putin die Ukraine überfiel. Auch im Parteiprogramm der Grünen
stand nichts von Waffenlieferungen in Kriegsgebiete, schon gar nicht für
Angriffe auf Gaza oder russisches Gebiet. Die Presseerklärungen von
Innenministerin [5][Nancy Faeser kann man gar nicht schnell genug
ausdrucken, bevor die nächste gerade noch abgelehnte Verschärfung] der
Asylregeln wenig später doch verkündet wird.
Um da noch mitzukommen, hilft Papier wenig. So lieb es mir immer war,
inzwischen ist es auch schlicht zu teuer, um es täglich zu verwenden.
Unersetzbar ist eigentlich nur noch Klopapier. Und natürlich die wochentaz.
14 Sep 2024
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## AUTOREN
Lukas Wallraff
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Zeitungssterben
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