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# taz.de -- Carolabrücke in Dresden als Symbolbild: Brüche überall
> Die Carolabrücke ist ein Symbol für ein marodes Deutschland. Statt sich
> um zentrale Probleme zu kümmern, diskutiert die Politik nur über
> Migration.
Bild: 9 Minuten vor dem Teileinsturz fuhr noch eine Straßenbahn über die Caro…
Manchmal schafft die Realität bessere Bilder, als jeder Film es tun könnte.
Die [1][eingestürzte Carolabrücke in Dresden], bei der in der Nacht zum
Mittwoch ein 100 Meter langes Stück herunterbrach und nun in der Elbe
liegt, ist so ein Bild. Denn ein besseres Symbol als eine eingebrochene
Brücke könnte man sich für den Zustand dieses Landes und seiner Politik
kaum ausdenken.
Gerade einmal neun Minuten liegen zwischen dem Einsturz (2.59 Uhr) und der
letzten Straßenbahnfahrt (2.50 Uhr). Dank dieser neun Minuten hat der
Einsturz keine Menschenleben gefordert. Glück im Unglück könnte man sagen.
Doch für die Dresdner_innen ist die Situation trotz allem schlecht. Eine
wichtige Verkehrsader fehlt, die Elbe ist für die Schifffahrt gesperrt, der
Elberadweg und die Terrassenufer sind nicht nutzbar.
Die Ursachen für den Einsturz werden noch untersucht, bislang gehen
Expert_innen von einer Korrosion bei den Stahlteilen aus. Fest steht aber:
Die Brücke war sanierungsbedürftig – und das war seit Jahren bekannt. Und
damit ist die Carolabrücke kein Einzelfall, viele Brücken, Straßen und
Gleise in Deutschland sind im schlechten Zustand. Der Städte- und
Gemeindebund fordert nun von Bund und Ländern eine „Investitionsoffensive
für die Infrastruktur“.
## Es bröckelt
Doch es ist nicht nur die Infrastruktur. Wer versucht, in diesem Land ein
gutes Leben zu führen, merkt schnell, dass es an allen Enden und Ecken
bröckelt.
Die Bildungssituation beschreiben viele als Desaster: Die Schüler_innen
werden immer schlechter, es mangelt an Lehrer_innen und die Schulgebäude
sind im maroden Zustand. Und obwohl alle predigen, dass Bildung ihnen am
Herzen liege, verbessert sich nichts.
Die Mieten steigen Jahr für Jahr. Doch obwohl Deutschland das Mieterland
Nummer 1 in der EU ist und über die Hälfte der Deutschen zur Miete wohnt,
ist bezahlbares Wohnen kein Großthema in der Politik.
Die Gewalt gegen Frauen nimmt immer weiter zu, mittlerweile wird fast jeden
zweiten Tag eine Frau von ihrem (Ex-)Partner getötet. [2][Doch selbst auf
diese schwerste Gewaltform reagiert die Politik mit Schulterzucken.]
## Und wer ist schuld?
Die Wirtschaft steckt in einer Dauerkrise, die sich aktuell bei Autobauer
VW zeigt. Der will sein finanzielles Problem auf dem Rücken der
Beschäftigten lösen und [3][machte diese Woche den Weg für betriebsbedingte
Kündigungen frei].
Doch egal, wie viele Menschen betroffen sind, egal, wie drängend die
Situation, in letzter Zeit scheint kein einziges politisches Problem mehr
in der Politik durchzudringen, da ein Thema dominiert: Asyl und Migration.
Denn für viele Politiker_innen und leider auch für einen Teil der
Bevölkerung lassen sich damit eh die meisten Probleme erklären.
Du bekommst keine Wohnung? Die Ausländer sind schuld. Du bekommst keinen
Zahnarzttermin? Die Ausländer sind schuld. Dein Kind sitzt in überfüllten
Klassen und lernt nicht mehr richtig? Die Ausländer sind schuld.
Dieses vereinfachte und falsche Erklärungsmuster führte in den letzten
Wochen [4][seit dem mutmaßlich islamistischen Anschlag in Solingen] zu
einem Überbietungswettkampf zwischen den Regierungs- und
Oppositionsparteien, wie man die Asyl- und Migrationspolitik weiter
verschärfen könne. Je härter, desto besser scheint bei diesem Wettkampf die
Devise. Mit der Folge, dass teilweise nicht mehr auszumachen ist, wer da
gerade etwas fordert: die AfD, die Union oder eine der Regierungsparteien.
## Zeit für eine Überraschung
Die Verlierer_innen des Ganzen sind in erster Linie Geflüchtete und
Migrant_innen. In zweiter Linie die gesamte Bevölkerung, denn neben Asyl-
und Migrationsfragen bleiben alle politisch brisanten Themen links liegen.
In Dresden liegt ein Teil der Brücke weiter in der Elbe. Ein Hochwasser
droht die Situation zu verschlimmern. Denn laut Wetterdienst werden im
Südosten Europas lang anhaltende Niederschläge erwartet, die auch bei der
Elbe zu steigenden Pegeln führen können. Die Betonteile der Brücke wirken
in der Elbe wie ein Staudamm, der zu einer Überflutung in Dresden führen
könnte.
Aus der Politik kommen nun zwar erste Warnungen und Versprechungen, dass
nun wirklich etwas passieren müsse. Doch glaubhaft wird das erst dann, wenn
die Ampelregierung sich von ihrer Schwarzen Null verabschiedet und beginnt,
die Brücken in diesem Land zu reparieren, bevor alles auseinanderbricht.
Das allerdings wäre eine Überraschung – und bislang bleibt die einzige
Überraschung, dass noch niemand den Ausländern Schuld an dem Einsturz in
Dresden gegeben hat.
12 Sep 2024
## LINKS
[1] /Marode-Infrastruktur-in-Dresden/!6032816
[2] /Gewalt-gegen-Frauen/!6032478
[3] /VW-kuendigt-Tarifvertraege/!6036242
[4] /Anschlag-in-Solingen/!6030795
## AUTOREN
Carolina Schwarz
## TAGS
Migration
Dresden
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Schuldenbremse
Verkehr
Schwerpunkt Femizide
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