Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Nahost-Berichterstattung: BBC unter Druck
> Eine Gruppe um Anwalt Trevor Asserson nennt die Berichte der BBC
> propalästinensisch. Nun gibt es Kritik an der BBC – aber auch am Report.
Bild: Mitglieder der National Jewish Assembly protestieren im Oktober 2023 gege…
Die BBC soll in ihrer Berichterstattung [1][zum Konflikt zwischen Israel
und Gaza] keiner neutralen, [2][fairen Berichterstattung] nachgekommen
sein. Trotz strenger Neutralitätsvorschriften habe der britische
öffentlich-rechtliche Sender immens mehr Sympathie für
Palästinenser:innen aufgebracht als für Israelis, selbst unmittelbar
nach dem [3][7. Oktober 2023]. Dies äußert ein knapp 200 Seiten umfassender
Bericht im Auftrag des britischen Anwalts Trevor Asserson, der in
Großbritannien und in Israel tätig ist. Asserson ist ein langjähriger
Kritiker der BBC und hat eine Lobbygruppe dazu gegründet. Es handelt sich
also nicht um eine unabhängige Studie.
Ein von Asserson instruiertes über 40 Personen starkes Team aus
Rechtsexperten und Datenanalyst:innen untersuchte mit Hilfe von
KI-Tools neun Millionen Worte des englischsprachigen BBC-Angebots zwischen
dem 7. Oktober 2023 und 7. Februar 2024 – im Fernsehen, Radio, online und
in Podcasts. Außerdem untersuchte die Gruppe arabischsprachiges
BBC-Material, wovon laut Bericht 90 Prozent propalästinensisch ausgerichtet
gewesen sei. Dabei wurde – vereinfacht ausgedrückt – an Personen, aber auch
an Chat GPT4 die Frage gestellt, ob ein Bericht laut eines „fair denkenden
Beobachters“ eher propalästinensisch oder proisraelisch einzustufen sei.
Außerdem wurde gefragt, ob ein Text Sympathie für Israelis oder
Palästinenser:innen, die israelischen Streitkräfte oder die Hamas wecke.
Die Studie verglich ihre Ergebnisse mit 342.559 Berichten von 376 anderen
Publikationen und Quellen, die nach Auswertung durch KI auf einer Grafik
von propalästinensisch bis proisraelisch sortiert wurden. Außerdem hat das
Team nach eigenen Angaben zahlreiche Texte mithilfe von geschulten
menschlichen Bewerter:innen geprüft, ohne dass es zu großen
Unterschieden bei den Ergebnissen gekommen sei. Das Team habe „gemäßigt bis
stark propalästinensische und anti-israelische Orientierung“ in über 90
Prozent aller Veröffentlichungen festgestellt. Als Beispiel liest man etwa:
„ … bei einer Suche auf BBC Arabic mithilfe von RIMe (einem KI-Tool) in
Artikeln von arabischsprachigen Personen suchten wir nach Begriffen wie
‚Vergewaltigung‘ und ‚sexualisierte Gewalt‘. Das Team fand lediglich ein
dreimaliges Vorkommen dieser Worte, was eine signifikante
Unterrepräsentation darstellt.“
## Mehr israelische Kriegsverbrechen genannt
Israel sei von der BBC 592-mal [4][im Zusammenhang von Kriegsverbrechen
erwähnt], die Hamas 98-mal. Das Video über den Angriff der Hamas am 7.
Oktober habe die BBC im Vergleich zu anderen Medien weit heruntergespielt,
etwa weniger Einzelheiten bekanntgegeben und angeblich auch nichts zum
Entsetzen über das Material gesagt. Auch die existenzielle Gefahr, welcher
Israel seitens sieben regionaler Akteure ausgesetzt sei, sei kaum erwähnt
worden, genauso wenig wie die Zustände, in denen sich die israelischen
Geiseln befinden.
Die [5][Hamas] sei in 7,7 Prozent des untersuchten Materials als
terroristische Organisation erwähnt worden und wurde eher als
Gesundheitsbehörde zu Todeszahlen zitiert. Weiter heißt es, dass die BBC
oft keinen Unterschied zwischen der demokratisch gewählten Regierung
Israels und der islamistisch-diktatorischen Hamas mache. Es sei zudem
nirgendwo darauf hingewiesen worden, dass Journalist:innen in Gaza sich
an die Regeln der Hamas halten müssten.
## BBC kritisiert Methodik
Der Bericht empfiehlt eine unabhängige Untersuchung der Berichterstattung
der BBC. Es müsse messbare Zielwerte für Unabhängigkeit und Genauigkeit
geben. Die BBC ist rechtlich auf Unparteilichkeit (due impartiality)
verpflichtet und es ist dieses Prinzip, das immer wieder zu Kontroversen
führt, zuletzt [6][um den Fußballmoderator Gary Lineker und seine
politischen Ansichten].
Die BBC allerdings kritisiert die angewandte Methodik und vor allem die
„ausgewogene Sympathie“ statt Unparteilichkeit als Maßstab. „Wir haben
ernsthafte Zweifel an der Methodik dieses Berichts, insbesondere daran,
dass er sich bei der Analyse von Unparteilichkeit stark auf künstliche
Intelligenz stützt, und an der Auslegung der redaktionellen Leitlinien der
BBC“, so der Sender in einem Statement. „Wir sind der Meinung, dass
Berichterstattung nicht allein durch Zählen einzelner Wörter ohne
Berücksichtigung des Kontextes bewertet werden kann. Wir sind zu
Unparteilichkeit verpflichtet, und nicht zur im Bericht vorgeschlagenen
‚ausgewogenen Sympathie.‘“ Man sei der Ansicht, dass die
Korrespondent:innen dies erreichen. Dennoch werde man den Bericht
vorsichtig prüfen und den Autoren danach eine direkte Antwort zukommen
lassen. BBC-Intendant Samir Shah sprach sich am Dienstag zudem für eine
„systematische Untersuchung“ der BBC-Berichterstattung zum Nahostkonflikt
aus.
## Studie erwähne kein palästinensisches Leid
Die Studie wurde hauptsächlich in rechten und in jüdischen Zeitungen
erwähnt, während in den sozialen Medien zahlreiche Menschen die Ergebnisse
hinterfragten. Dr. Hagai van der Horst, Mediendozent an der Middlesex
University, kritisierte gegenüber der taz die fehlende Erwähnung
palästinensischer Schicksale in der Studie. „Es ist immer seltsam, wenn
eine Interessengruppe sich gegen einseitige Berichterstattung einsetzt,
aber den Schmerz und das Leid der anderen Seite nicht anerkennt.“ Dennoch
sei die offensichtlichste Erkenntnis, dass die BBC es bei der Hamas
vermeide, von Kriegsverbrechen zu sprechen. Das erinnere ihn an frühere
Berichterstattung der BBC über die Bombenattentate auf israelische Busse
zwischen 2000 und 2008 und auch über den [7][Irakkrieg], so van der Horst,
der über die Berichterstattung des britischen Guardians promoviert hat.
Er analysiert: „In den wenigen Fällen, in denen Menschenrechtsverletzungen
in den Berichten erwähnt wurden, bezogen sie sich auf das Fehlverhalten der
britischen Streitkräfte und nicht der irakischen Milizen. Begriffe wie
‚Kriegsverbrechen‘ oder ‚Völkerrechtsverletzungen‘ werden moralischen
Akteuren wie uns selbst vorbehalten und den ‚kleineren anderen‘
vorenthalten, die noch nicht als fortschrittlich genug gelten, um eine
solche moralische Verantwortung zu übernehmen. Wir stellen uns vor, dass
wir selbst die Verantwortung für unsere eigenen Menschenrechtsverletzungen
übernehmen, sie hingegen sind einfach Monster.“ Und der jüdische Staat
werde in dieser Sichtweise zu einem Verbrechen erklärt wie einst das
Judentum.
12 Sep 2024
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Nahost-Konflikt/!t5007999
[2] /Berichterstattung-ueber-Nahostkonflikt/!6031066
[3] /Israel-nach-dem-7-Oktober/!6015268
[4] /Krieg-in-Nahost/!6032690
[5] /Hamas/!t5009207
[6] /Suspendierung-von-BBC-Moderator-Gary-Lineker/!5921153
[7] /Irakkrieg/!t5012592
## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
## TAGS
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
BBC
Großbritannien
Berichterstattung
Antisemitismus
Schwerpunkt Pressefreiheit
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Schwerpunkt Pressefreiheit
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
## ARTIKEL ZUM THEMA
Antisemitismus-Skandal um Gary Lineker: Einfach als Ratten dargestellt
Der englische Ex-Fußballstar und BBC-Moderator teilt einen judenfeindlichen
Post. Nun entschuldigt er sich, das habe er nicht wissentlich getan.
Hamas-Propaganda bei der BBC: „Signifikante Fehler“
Eine BBC-Doku sollte den Krieg in Gaza aus der Sicht palästinensischer
Kinder zeigen. Nun gab die BBC zu, Hamas Propaganda übernommen zu haben.
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++: Spannungen verstärken sich
Die Hamas hat eine Liste mit den Namen der Toten veröffentlicht. Eine
Huthi-Rakete löst Luftalarm aus. Israelische Luftangriffe töten 18
Menschen.
Schläge, Tritte, Morddrohungen: Angriff auf die „Zionistenpresse“
Die Situation für Journalist*innen auf antiisraelischen Demos wird seit
dem 7. Oktober immer gefährlicher. Manche ziehen sich deshalb zurück.
Israel schließt Büros von Al Jazeera: Regierung in „zweifelhaftem Club“
Wegen „staatsgefährdender Aktivitäten“ wurde das Büro des TV-Senders in
Ost-Jerusalem geräumt, Equipment beschlagnahmt. Kritik folgte prompt.
Palästina-Kongress weiter in der Kritik: Die Debatte bleibt hitzig
Nach dem Palästina-Kongress wird weiter diskutiert. Auch Stimmen, die ihn
inhaltlich ablehnen, sehen das repressive Vorgehen der Behörden kritisch.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.