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# taz.de -- Serie „Slow Horses“ bei Apple TV+: Der ausrangierte Gaul
> Die neue Staffel der Loser-Agenten-Serie „Slow Horses“ mit Gary Oldman
> ist grandios – und feiert Werte wie Solidarität und Charakterfestigkeit.
Bild: Gary Oldman grandios verschlampt als Jackson Lamp
Jackson Lamb ([1][Gary Oldman]) ist nach wie vor ein Mann mit fettigem
Haar, der sich ungeduscht durch sein Leben bewegt, von Jaffa-Cakes ernährt
und keine Angst davor hat, seine Umgebung mit Gerüchen zu verschrecken. Und
immer noch führt er die „Slow Horses“ an, ein Titel, der schwerlich mit
Stolz zu tragen ist:
Hier versammeln sich die ausrangierten Pferde, die Versager des britischen
Geheimdienstes MI5, und warten in dreckigen Räumen auf ihre
Untergrundeinsätze. Wenn es brenzlig wird, trauen sie sich mehr als alle
anderen. In der von Regisseur Adam Randall realisierten vierten Staffel der
auf Mick Herrons Krimis basierenden Serie über die aussortierte Losertruppe
erreichen Plot und Figurenentwicklungen neue Höhepunkte.
Ein Slow Horse wird man dann, so erklärt Jackson es seiner neuen, äußerst
fähigen und dennoch ins sogenannte Slough House verbannten Sekretärin
Moira, wenn man entweder fachlich katastrophal versagt oder jemanden in
Entscheidungsposition gegen sich aufgebracht hat.
Aus diesen „shitheels“ und „burnouts“ setzt sich seine Truppe zusammen:
Persönliche Tragödien von Glücksspielsucht, Alkoholismus und
Drogenproblemen versammeln sich unter derselben Berufsanschrift, alle
schwarzhumorig begnadet und in der Lage, verbal und körperlich hart
auszuteilen und härter einzustecken; [2][wobei die weiblichen Figuren den
männlichen wie immer in nichts nachstehen.]
## Familiäre Vergangenheitssuche
River Cartwright (Jack Lowden), Enkel der Geheimdienstgröße David
Cartwright (Jonathan Pryce), gehört zu denen, die nicht durch persönliches
Drama oder Suchtprobleme, sondern einmalige, aber unentschuldbare
Fehlentscheidung ins Slough House abgeschoben wurden. Während sein
Großvater zunehmend unberechenbar und dement wird, dreht sich diese
Staffel, basierend auf dem vierten Buch Herrons, „Spook Street“, um River
und seine familiäre Vergangenheitssuche, die ihn nach Frankreich führt.
Und so bittet uns diese Staffel bildgewaltig in einen visuellen
Gegenentwurf zum grauen London: in eine französische Landresidenz mit
Schwänen im Garten und Profikillern im Haus. Eine unzerstörbare
Mördertruppe aus athletischen Franzosen wird zum Endgegner, von
Kindesbeinen an zum Töten erzogen: ohne Privatleben, das Probleme bringt,
ohne Gefühle, die vom Töten ablenken; professionell bis in die letzte Faser
ihrer gesunden, jugendlichen Körper –kurz: das Gegenteil der Slow Horses,
mit ihren Augenringen und von Rauschmitteln langsam gewordenen Gliedmaßen.
Mit einer genüsslichen, die Farbskala des britischen Alltags
durchbrechenden Ästhetik wird französischer Wein an ausgedehnten
Holztischen serviert und „lait“ im Tee getrunken, während River immer mehr
begreift, was seine Ursprünge sind.
In den traurigsten Momenten lustig, bittersüß und mit geduldig beginnendem
und schnell eskalierendem Erzähltempo begleitet diese Staffel, die ein seit
Beginn der Serie nicht wieder erreichtes Niveau von Plot und Spannung
bereithält, River und die Slow Horses bis zum Endkampf gegen die
französische Elitetruppe.
Und so bleiben die Slow Horses das Gegenteil von Selbstoptimierung und
spielen damit auf der Tonleiter, die so diametral dem Verbesserungszwang
der Jetztzeit widerspricht und auf der sich auch etwa die grandiose
Neuverfilmung von „[3][Mr. und Mrs. Smith“ (]2024) bewegte. Grimmig und
abgehalftert würden sie ihr letztes Hemd füreinander hergeben und sind
aufrechteren Charakters als die Hochglanzanzugträger, die am Ende jedes Lob
einheimsen.
Die Begeisterung für die Verlierertruppe wird durch diese Staffel ein
erneutes Hoch erreichen, das noch anhalten darf: Apple TV+ hat für 2025
bereits eine weitere Staffel der Erfolgsserie angekündigt. Diese Loser
behalten eben das letzte Wort.
10 Sep 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Marie-Sofia Trautmann
## TAGS
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