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# taz.de -- Taliban-Regime in Afghanistan: Ein Gesetz gegen das „Laster“
> Die Taliban kodifizieren ihre Gesellschaftspolitik in einem Gesetz. Es
> betrifft vor allem Frauen: So sollen sie selbst zu Hause nicht laut
> sprechen.
Bild: Auf einem Markt in Kabul, bald sollen Frauen noch weniger Rechte haben
Berlin taz | Erstmals seit ihrer zweiten Machtübernahme im August 2021
haben die Taliban ihre gesellschaftspolitischen Ideen per Gesetz
kodifiziert. Das strotzt nur so vor Verboten, auch wenn viele praktisch
schon in Kraft waren. Umsetzen soll sie die Behörde, die in westlichen
Medien meist als „Sittenpolizei“ bezeichnet wird und landesweit
patrouilliert. Unter den Taliban hat sie Kabinettsrang und heißt offiziell
„Ministerium zur Ermutigung der Tugend und zur Verhinderung des Lasters“,
was sich auf ein koranisches Prinzip bezieht.
Vor allem die [1][Geschlechtertrennung] weitet das ultraislamistische
Regime aus. Dabei verengt es vor allem den schon [2][geringen Bewegungsraum
für Frauen] weiter. Sie sollen das Haus nur „in Notfällen“ verlassen, sich
in der Öffentlichkeit voll verschleiern, Blickkontakt mit nicht-verwandten
Männern unterlassen und auch zu Hause nicht laut sprechen. Sie dürften
öffentlich nicht singen, Gedichte vortragen oder selbst den Koran
rezitieren.
Bus- und Taxifahrer müssen dafür sorgen, dass Frauen von einem männlichen
Verwandten begleitet werden. Homosexualität und Ehebruch werden
ausdrücklich untersagt. Auch „Ungehorsam gegenüber den Eltern“ kann
bestraft werden.
Den Männern wird untersagt, Frisuren „wie bei den Ungläubigen“, kurze Är…
und Shorts zu tragen, und sich den Bart „mehr als nötig“ zu trimmen.
Während des ersten Taliban-Regimes bis 2001 galt die Regel der Faust:
Umfasste man damit den Vollbart und unten sah noch Haar heraus, war es
islamisch.
Händler, Handwerker und Bauern müssen gemeinsam ihr Gebet verrichten. Sie
sollen pünktlich ihre islamischen Steuern zahlen, nicht fluchen, lügen,
Waren horten und keine „illegalen“ und „unmoralischen Waren“ verkaufen.
Gläubigen wird verboten, das Gemeinschaftsgebet vorzeitig zu verlassen.
Auch den Medien wird noch einmal auferlegt, nur Inhalte zu veröffentlichen,
die [3][„im Einklang mit der Scharia“] stehen und „die Muslime nicht
beleidigen“. Das Sittenministerium erklärte bei seiner Jahreskonferenz
Anfang der Woche, dies sei schon zu 90 Prozent umgesetzt. Bilder lebender
Wesen aufzunehmen ist auch Privatpersonen „auf Handys und Computern“
verboten. Zurzeit veröffentlichen aber selbst die Taliban-Staatsmedien
regelmäßig Fotos von Regimeoffiziellen.
Wie die Tugendförderung und Lasterunterbindung umgesetzt werden sollen,
beschreibt das Taliban-Justizministerium in seiner Pressemitteilung vom
Mittwoch, die das Gesetz bekannt machte. Die Sittenpolizei soll durch
„sanftes Predigen und Ermahnen sicht- und hörbare Verstöße unterbinden“.
Sie können aber auch direkt bestrafen, mit „Tadel in zornigen Worten“ und
mit der Drohung von „Allahs Strafe“ oder Haft von „bis zu drei Tagen“.
Während der Haft kann ein Gerichtsverfahren angeordnet werden. Dabei kann
Delinquent*innen auch der Verlust von Eigentum drohen. „Grundsätzlich
gilt“, so das Ministerium, „wenn eine Person durch diese Strafen nicht
gebessert werden kann, wird sie vor Gericht gestellt.“
Bisher scheinen die Taliban in der Lage zu sein, die Verbote flächendeckend
zu überwachen und die Sittenpolizei auch zu bezahlen. Taz-Quellen in
Afghanistan bestätigten zuletzt verstärkte Kontrollen der Verschleierung
von Frauen in Schulen und Büros. Ein Kontakt sagte: „Die Taliban sind
überall.“
23 Aug 2024
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## AUTOREN
Thomas Ruttig
## TAGS
Taliban
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Frauenrechte
Scharia
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Der Hausbesuch
Roman
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